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Standortentwicklungsgesetz: Naturschutzorganisationen orten Angriff auf Umweltrecht

WWF und Global 2000 orten Angriffe auf das Umweltrecht.
WWF und Global 2000 orten Angriffe auf das Umweltrecht. ©APA/Hans Punz
Am Montag äußerte der WWF Kritik an den Abänderungen beim geplanten Standortentwicklungsgesetz. Der WWF vermutet einen Angriff auf das Umweltrecht.

Naturschutzorganisationen haben am Montag Kritik an den Abänderungen beim geplanten Standortentwicklungsgesetz geübt. Der WWF ortete in einer Aussendung “den nächsten Angriff auf das Umweltrecht”. Der medial kolportierte Vorschlag, Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) in der ersten Instanz per Fristsetzung zu beenden, sei keine Lösung für grundlegende rechtliche Probleme, betonte Global 2000.

Vorwürfe von WWF und Global 2000

“Das Ziel ist klar: Umweltprüfungen sollen schrittweise ausgehöhlt werden, um kritische Großprojekte durchzupeitschen. Dadurch wird es in Zukunft noch schwieriger werden, konkrete Verbesserungen für Umwelt und Bevölkerung zu erreichen”, erläuterte Hanna Simons vom WWF Österreich. “Die bisherigen Maßnahmen sind entweder unausgegoren oder rechtswidrig und schaffen somit auch keine Rechtssicherheit.”

“Wir begrüßen, dass der offenkundig europarechts- und verfassungsrechtswidrige Automatismus gestrichen werden soll, der Großprojekte in Österreich an jeder Umweltprüfung vorbei per Gesetz automatisch genehmigen sollte”, sagte Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von Global 2000. Dass nun UVP-Verfahren, die zu lange dauern, zur nächsten Instanz wandern sollen, bringe jedoch keine Beschleunigung. “Geht ein Verfahren unabgeschlossen an die zweite Instanz beginnt auch diese wieder bei null mit der Prüfung.”

Neuer Mechanismus soll UVP beschleunigen

Statt mittels Automatismus will die Regierung nun mit einem anderen Mechanismus die Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) beschleunigen. “Den Automatismus gibt es nicht mehr, dafür gibt es einen anderen Mechanismus, der die 18 Monate (Verfahrensdauer in 1. Instanz, Anm.) sicherstellt”, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) am Montag in einer Pressekonferenz am Flughafen Wien.

“Wir haben jetzt den Mechanismus etwas umgebaut, er wird aber zum selben Ergebnis kommen, dass die Verfahren beschleunigt werden”, so Schramböck. Der ursprüngliche Plan der ÖVP-FPÖ-Regierung, die UVP-Verfahren großer Bauvorhaben durch einen Automatismus zu beschleunigen, war auf Widerstand bei Umweltschützern, Juristen und einigen Bundesländern gestoßen.

Details des abgeänderten Standortentwicklungsgesetzes ließ Schramböck in der Pressekonferenz, an der auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) teilnahmen, offen: “Wir werden das am Mittwoch im Ministerrat beschließen. Ich möchte da nicht zu intensiv vorgreifen. Faktum ist aber, dass wir 18 Monate schaffen werden in dieser ersten Instanz, und dann weder in den Instanzenzug noch in die Parteienstellung eingreifen werden”, sagte Schramböck.

Regeirung verteidigt Vorgehen

Kurz verteidigte das Vorgehen der Regierung beim Standortentwicklungsgesetz. “Gerade wenn man Gesetze auf den Weg bringt, wo man weiß, dass es viele gibt, die einen zurückziehen wollen, muss man manchmal strategisch vorgehen und sich sehr weit nach vorne lehnen, wenn man einen Schritt nach vorne zustande bringen möchte”, so Kurz. “Aber das Ziel war auch, ein bisschen aufzurütteln.”

Die Regierung bezweckt mit dem Standortentwicklungsgesetz, UVP-Verfahren zu beschleunigen. “Das heißt aber nicht, dass jede Entscheidung automatisch positiv ausgeht”, betonte der Bundeskanzler. Es gehe nicht darum, etwas im Eiltempo durchzupeitschen, sondern in der Entscheidungsfindung schneller zu werden. “Wir wissen, dass Projekte, wie die dritte Piste viel zu lange auf sich warten lassen.”

Dritte Piste nicht betroffen

Für den Bau der dritten Start- und Landebahn am Flughafen Wien-Schwechat kommt das Standortentwicklungsgesetz freilich zu spät. Bei anderen Infrastrukturprojekten soll es jedoch eine Beschleunigung bewirken, konkret genannt wurde das Stromnetz um Villach, ein Kraftwerk im Kühtai sowie der Stadttunnel Feldkirch. “Wir werden definieren, was sind diese wichtigen Projekte in Österreich, für die es jetzt schnellere Verfahren geben wird”, sagte Hofer.

Das Standortentwicklungsgesetz soll mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten. Das zweite Anliegen der Regierung, die Wirtschaft als Staatsziel in die Verfassung zu schreiben, sei ein davon unabhängiges Thema, so Schramböck. Für dieses Vorhaben fehlt der Regierung im Parlament die Zwei-Drittel-Mehrheit.

Warum die dritte Piste solange auf sich warten lässt, liegt aber nicht nur an der Umweltverträglichkeitsprüfung. Im UVP-Verfahren wird nächstes Jahr das höchstgerichtliche Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) erwartet. Danach seien bis zum Baubeginn aber noch technische Fragen zu klären, sagte Flughafen-Vorstand Günther Ofner. Im Übrigen sei der Flughafen noch gar nicht Eigentümer der Grundstücke, auf die Landebahn errichtet werden soll.

Ofner wörtlich: “Leider muss ich Ihnen sagen, auch unter idealsten Voraussetzungen können wir heute nicht davon ausgehen, dass vor 2030 auf einer dritten Piste ein Flugzeug landen oder abheben wird.” Es seien auch noch Vorarbeiten, wie die Verlegungen der Bundesstraße und die Errichtung einer unterirdischen Bahn, um die Piste zu erreichen, notwendig, erklärte Ofner.

AK fordert Dialog mit Zivilgesellschaft

In der Diskussion um das Standortentwicklungsgesetz bekennt sich die Arbeiterkammer (AK) dazu, dass schnellere Genehmigungsverfahren für Großprojekte wichtig seien. “Aber die Zivilgesellschaft muss sinnvoll einbezogen werden”, sagte AK-Direktor Christoph Klein am Montag in einer Aussendung. Die AK empfiehlt, den Dialog “mit allen gesellschaftlichen Gruppen und den Sozialpartnern zu suchen”.

Die AK bezweifelt die Sinnhaftigkeit eines automatischen Weitergebens an die nächste Instanz. Dies bringe nicht automatisch eine Verfahrensverkürzung. Die Arbeiterkammer schlägt vor, dass Bund und Länder ihre Infrastrukturplanungen abstimmen, die Regierung die veralteten Materiengesetze (wie Eisenbahn-, Luftfahrt-, Bundesstraßen- und Starkstromwegegesetz) modernisiert und das Personal in den zuständigen Behörden aufgestockt wird.

Scharfe Kritik übte die Umweltschutzorganisation Virus. Für sie gilt der Gesetzesentwurf als “irreparabel”. Die Folge des neuen Mechanismus sei eine Überlastung des Bundesverwaltungsgerichtes. “Wenn diese ressourcenmäßig knappe Beschwerdeinstanz alles auffangen soll, wo vorher Projektwerber und Behörden versagt haben, dann ist ein Bumerangeffekt mit Verfahrensstau vorprogrammiert,” erklärte der UVP-Experte von Virus, Wolfgang Rehm.

(APA/Red)

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