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Standing Ovations für Schröder

Die Absicht von Schröder ist klar: Er will der Anwalt des Friedens sein, der sich nicht von der USA beeindrucken lässt und die eigene Bevölkerung hinter sich weiß.


Ernst und angespannt sieht der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder aus, als er am Donnerstag (heute) um kurz vor neun Uhr den Plenarsaal des Bundestages betritt. Mit grimmiger Miene setzt er sich auf seinen Platz in der Regierungsbank. Beim Händedruck mit Außenminister Joschka Fischer schaut Schröder an seinem Gegenüber vorbei. Der Kanzler scheint nervös. Die Erwartungen an die Regierungserklärung vor dem voll besetzten Bundestag sind hoch.

Die Anspannung wird in den nächsten 40 Minuten nicht von Schröders Gesicht weichen. Mit ernster Stimme trägt der Regierungschef vor:
„Wir können den Irak entwaffnen ohne Krieg.“ Mehrmals wiederholt der Kanzler dies in seiner Rede und wird immer mit lang anhaltendem Applaus aus den Regierungsfraktionen belohnt. Selten gibt es Zwischenrufe aus den Reihen der Opposition.

Die Absicht von Schröder ist klar: Er will der Anwalt des Friedens sein, der sich nicht von der Übermacht der USA beeindrucken lässt und die eigene Bevölkerung hinter sich weiß. Deutschland stehe nicht isoliert da, sondern befinde sich mit Frankreich, Russland, China und vielen anderen Ländern im selben Boot.

Schröder betont den Beitrag, den die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren für den Weltfrieden geleistet hat. Deutschland stelle nach den USA das zweitgrößte Truppenkontingent bei internationalen Einsätzen, berichtet der Regierungschef. Die geleistete Solidarität schaffe das Recht, ja geradezu die Pflicht zu differenzieren, sagt Schröder und senkt die Stimme. Die UNO-Abrüstungsresolution 1441 enthalte keinen Automatismus zur Anwendung militärischer Gewalt gegen den Irak. „Es gibt noch Alternativen. Es ist nicht zu spät, eine friedliche Entwaffnung zu erreichen“, sagt er fast beschwörend.

Die Bürger hätten ein Recht darauf zu erfahren, wie die Politiker zu einer militärischen Lösung des Irak-Konflikts stehe. „Die Bundesregierung hat diese Frage mit Nein beantwortet und dabei bleibt es“, versichert Schröder. Er habe den Eindruck, dass es in der Welt eine Koalition für den Krieg gebe. CDU und CSU gehörten dazu. „Wir setzen den Mut zum Frieden dagegen.“

Tosender Beifall brandet auf, als Schröder schließlich das Rednerpult verlässt. Er lächelt zum ersten Mal an diesem Vormittag. Außenminister Fischer steht auf, schüttelt seinem Chef die Hand und klopft ihm anerkennend auf die Schulter. Die Abgeordneten der SPD und der Grünen feiern Schröder mit Standing Ovations. Schröder setzt sich erst, steht dann noch einmal auf und verbeugt sich leicht.

Die Antwort auf seine Regierungserklärung bekommt Schröder sofort. Die CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Angela Merkel wiederholt das, was die Opposition der Regierung ständig vorhält. „Sie sind auf dem Irrweg, und das schon seit Wochen“, schmettert sie Schröder entgegen. Mit seiner frühen Festlegung, in jedem Fall auf eine militärische Option zu verzichten, habe er den Krieg in Irak nicht unwahrscheinlicher, sondern wahrscheinlicher gemacht.

Teilbündnisse und schlechte Abstimmung mit den Bündnispartnern hätten einen schweren außenpolitischen Schaden angerichtet. Als Merkel den Kanzler einen “überambitionierten Amateur“ nennt, muss selbst Schröder lachen. „Sie schüren einen ganz gewissen Anti-Amerikanismus“, ruft die CDU-Chefin in den Saal. Der Protest der Abgeordneten von SPD und Grünen ist so laut, dass Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die Politiker zur Ordnung rufen muss. Der Bundeskanzler lehnt sich gelassen in seinen Sessel zurück.

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