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Staatsanwalt beruft gegen Knox-Freispruch

Spektakuläre Wende im Fall Amanda Knox in Italien: Die US-Amerikanerin wurde am Montagabend von einem Berufungsgericht in Perugia vom Mordvorwurf freigesprochen und verließ kurz vor Mitternacht das Gefängnis, in dem sie fast vier Jahre lang inhaftiert gewesen war. Staatsanwalt Giuliano Mignini will das Urteil in höchster Instanz anfechten.
Amanda Knox am Flughafen
Pressestimmen nach Freispruch
Knox bei der Urteilsverkündung
Emotionale Szenen vor Gericht
Familie des Opfers geschockt
Wer war Meredith Kercher?
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Mordprozess gegen Amanda Knox
Der "Engel mit den Eisaugen"

In erster Instanz war die 24-Jährige noch wegen Mordes und sexueller Nötigung an ihrer britischen Mitbewohnerin Meredith Kercher zu 26 Jahren Haft verurteilt worden. Das Berufungsgericht sprach auch Knox‘ Ex-Freund Raffaele Sollecito frei, der in erster Instanz zu 25 Jahren Haft verurteilt worden war.

Drei Jahre Haft wegen Verleumdung

Wegen Verleumdung des kongolesischen Barmannes Patrick Lumumba, den Knox kurz nach ihrer Festnahme des Mordes beschuldigt hatte, wurde die US-Amerikanerin zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Gericht bestätigte somit das erstinstanzliche Urteil. Die Haftstrafe von drei Jahren hatte Knox aber bereits abgesessen.

Beide Angeklagten hatten ihre Unschuld betont. Das Pärchen war elf Monate wegen Vergewaltigung und Mordes an Kercher in der mittelitalienischen Universitätsstadt vor Gericht gestanden. Wegen desselben Verbrechens war 2008 bereits der Ivorer Rudy Guede in einem verkürzten Verfahren zu 30 Jahren Haft verurteilt worden, die später auf 16 Jahre reduziert worden war.

Staatsanwaltschaft beruft gegen Freispruch

Staatsanwalt Giuliano Mignini konnte das Urteil kaum glauben und schwor, es in höchster Instanz anzufechten. “Lassen Sie uns abwarten und sehen, wer recht hat: das erste Gericht oder das Berufungsgericht”, sagte er der Nachrichtenagentur AP. “Dieser Prozess fand unter unannehmbarem Druck der Medien statt. Die Entscheidung wurde fast sofort bekannt gegeben, das ist nicht normal.”

Hintergrund: Grausamer Mord an britischer Studentin

Kercher war Anfang November 2007 mit durchgeschnittener Kehle und Dutzenden Messerstichen übersät in dem Haus in Perugia gefunden worden, das die britische Austauschstudentin mit Knox bewohnte. Das Gericht erster Instanz hatte es als erwiesen angesehen, dass Knox und Sollecito die Britin unter Einfluss von Drogen und Alkohol getötet hatten, während ein ebenfalls berauschter Bekannter die Arme des Opfers festgehalten hatte.

“Ich habe niemanden umgebracht, vergewaltigt oder bestohlen”

In dem Berufungsverfahren äußerten unabhängige Experten ernsthafte Zweifel an den DNA-Tests, die zur Verurteilung von Knox und Sollecito geführt hatten. Die beiden Angeklagten beteuerten vor dem Urteilsspruch noch einmal ihre Unschuld: “Ich habe niemanden umgebracht, vergewaltigt oder bestohlen”, sagte Knox unter Tränen. “Ich war überhaupt nicht da.” Nach dem Freispruch brach die 24-Jährige in unkontrolliertes Schluchzen aus, ihre Eltern weinten. Ihre Schwester Deanna Knox sagte, für Amanda sei nun “ein Albtraum zu Ende”. “Sie hat vier Jahre lang für ein Verbrechen gelitten, das sie nicht begangen hat.”

Der Freispruch sei keiner aus Mangel an Beweisen, unterstrichen italienische Medien. Vollkommener könne ein Freispruch nicht sein. Die Suche nach dem Schuldigen müsse damit von vorne beginnen, hieß es in Kommentaren.

Tumulte vor dem Gericht

Vor dem Gerichtssaal spielten sich nach dem Urteilsspruch tumultartige Szenen ab. Für den Freispruch gab es Buh-Rufe und Jubel. Das Interesse an dem Prozess war enorm: Rund 400 Journalisten aus aller Welt waren angereist und hatten vor dem Gebäude ausgeharrt. Mehr als zehn Stunden berieten die zwei Richter und sechs Geschworenen, bevor sie das Urteil um etwa 22.00 Uhr verkündeten.

Nach dem Freispruch wurde Knox zunächst noch einmal in das Gefängnis bei Perugia gebracht, in dem sie seit ihrer Festnahme im November 2007 inhaftiert gewesen war. Kurz vor Mitternacht wurde sie in einem schwarzen Mercedes davongefahren. Sollecito seinerseits wurde von seinem Vater im Gefängnis abgeholt, sie machten sich auf den Weg in ihre süditalienische Heimat.

Knox: “Ich habe das Unerträgliche ertragen”

Knox will nach Angaben einer Anwältin mit ihrer Familie gleich am Dienstag in die USA fliegen. “Ich habe das Unerträgliche ertragen”, sagte die 24-Jährige nach Angaben von Corrado Maria Daclon, Generalsekretär einer amerikanisch-italienischen Stiftung, die sich in dem jahrelangen juristischen Tauziehen für Knox eingesetzt hatte. Sie wolle “einfach nur nach Hause, sich wieder mit ihrer Familie vereinen, ihr Leben wieder in Besitz nehmen und ihre Fröhlichkeit zurückgewinnen”, sagte Daclon, der die 24-Jährige auf der Fahrt aus dem Gefängnis begleitete, nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Das US-Außenministerium lobte unterdessen das italienische Rechtssystem: “Die USA erkennen die sorgsame Prüfung des Falles durch die italienische Justiz an”, erklärte Außenamtssprecherin Victoria Nuland.

Familie des Opfers geschockt

Die Familie des Opfers zeigte sich geschockt von dem neuen Urteil und beklagte, dass das Opfer bei all den Schlagzeilen über den Prozess vergessen worden sei. Nachdem die Mutter von Kercher das Urteil im Gerichtssaal reglos und stumm aufgenommen hatte, erklärte die Familie später: “Wir können es nicht verstehen, wie das erste Urteil komplett umgedreht werden kann. Wir wollen, dass die Wahrheit ein für alle Mal herausgefunden wird.”

Emotionale Szenen bei der Urteilsverkündung:

Wer war Meredith Kercher?

(APA)

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