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Sri Lanka: Droht neuer Bürgerkrieg?

Offiziell ist der Waffenstillstand weder von der Regierung Sri Lankas noch von den Tamilen-Rebellen der LTTE aufgekündigt worden, doch tatsächlich existiert er nur noch auf dem Papier.

Artilleriegefechte, Luftangriffe, Kämpfe auf See – der Konflikt gleicht inzwischen einem nicht erklärten Krieg, der sich ausweitet. Am Mittwoch starben nach Angaben der Regierung mehr als 50 Rebellen, nach Darstellung der LTTE sind Tausende Tamilen auf der Flucht vor den Armeeangriffen. „Unser geliebtes Waffenstillstandsabkommen ist hirntot“, kommentierte die Zeitung „The Island“. „Es wird nur noch künstlich ernährt.“

Der Konflikt auf der tropischen Urlaubsinsel eskaliert seit Monaten, doch nun dreht sich die Spirale der Gewalt immer schneller. Auslöser der bislang heftigsten Kämpfe seit Vereinbarung der Waffenruhe vor viereinhalb Jahren ist, dass die LTTE in einem tamilisch dominierten Gebiet im Osten des Landes die Schleuse eines Wasserreservoirs schloss – von dem 15.000 singhalesische Siedler abhängig sind. Die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) behaupten, auf Druck der tamilischen Bevölkerung zu handeln, die den Bau eines Bewässerungssystems auch für die benachbarte, von der LTTE kontrollierte Region erzwingen wolle.

Analytiker vermuteten hinter der Tat allerdings eher die Absicht, Angehörige der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit aus dem tamilisch beherrschten Gebiet zu vertreiben – langfristiges Ziel der LTTE ist ein eigener Tamilen-Staat, den die Regierung ablehnt. Colombo wertete das Schließen der Schleuse als Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung und ließ sich nicht auf Verhandlungen ein. Die Antwort der Armee fiel harsch aus. Es folgten Luftangriffe auf LTTE-Stellungen, mit einer Bodenoffensive sollte die Schleuse unter Regierungskontrolle gebracht werden – bislang erfolglos.

Der regionale LTTE-Anführer im betroffenen Distrikt Trincomalee, S Elilan, sagte, die Angriffe kämen einer Kriegserklärung Colombos gleich, das Waffenstillstandsabkommen sei „null und nichtig“. Die Spitze der straff hierarchisch organisierten LTTE widersprach dem Regionalfunktionär nicht. Doch die LTTE sparte nicht mit Gegengewalt. Rebellen griffen mehrfach die Marinebasis in der Stadt Trincomalee an und überfielen am Mittwoch Armeecamps. Sie marschierten außerdem in den Ort Muttu nahe Trincomalee ein.

Die nordische Beobachtermission zur Überwachung der Waffenruhe (SLMM) wirft beiden Konfliktparteien schwere Verstöße gegen das Abkommen vor – ihre verzweifelten Appelle zur Mäßigung verhallen aber ungehört. Wenig hilfreich in der verheerenden Lage ist, dass die ohnehin schon überforderte SLMM weiter geschwächt wird. Nachdem die EU die LTTE auf die Liste terroristischer Gruppen setzte, verlangten die Rebellen den Abzug der Beobachter aus EU-Staaten. Dänemark, Finnland und Schweden ziehen nun ihr Personal ab, auch der schwedische Chef der Mission muss gehen. Zurück bleiben nur Norweger und Isländer, deren Länder nicht EU-Mitglieder sind.

Nicht nur für die SLMM dürfte es wie Hohn wirken, dass die Regierung und die Rebellen „humanitäre Gründe“ als Rechtfertigung für die Gewalt ins Feld führen. Die Regierung argumentiert, sie müsse dafür Sorge tragen, dass die Bevölkerung wieder Wasser bekomme. Sobald die Schleuse offen sei, werde die Armeeoperation „binnen zehn Minuten enden“, sagte ein©Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch. Der „Militärsprecher“ der LTTE, I. Ilanthirayan, konterte, die Operationen der LTTE gegen die Armee dienten nur dazu, deren „wahllose Angriffe gegen tamilische Zivilisten“ zu stoppen – die LTTE handle aus „dringender humanitärer Not“.

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