Die Sprachlehrerin, eine gebürtige Ukrainerin, habe wissentlich ihre Befugnisse missbraucht und damit das Recht der Republik auf ordnungsgemäße Umsetzung der gesetzlichen Niederlassungs- und Aufenthaltsbestimmungen geschädigt, führte der Staatsanwalt aus.
Sprachlehrerin ließ Schüler angeblich schummeln
Mehrere Kandidaten hätten ohne entsprechende Deutschkenntnisse ein Visum bekommen, indem die gelernte Dolmetscherin bei schriftlichen Abschlussprüfungen minutenlang den Raum verließ und somit dem Schwindel Tür und Tor öffnete. In einigen Fällen soll die Frau sogar Fragen beantwortet haben, wenn die Prüflinge nicht weiter wussten.
Die Angeklagte stellte die Vorwürfe in Abrede. Sie sei bei den inkriminierten Prüfungen im Herbst 2012 immer nur dann aus dem Raum gegangen, wenn es draußen am Gang laut war oder sie Unterlagen holen musste. Manchmal habe sie auch ein dringendes Bedürfnis verspürt und das WC aufgesucht oder sich ein Glas Wasser geholt. Ganz sicher nicht habe sie bewusst Schummelei zugelassen oder gar Prüfungsfragen beantwortet.
Zeugen berichten, wie sie sich gegenseitig halfen
Einige Zeugen relativierten allerdings diese Angaben. “Es ist vorgekommen, dass sie ein paar Leuten geholfen hat. Manchmal hat sie auch die Lösung gesagt, wenn sie die Fragen nicht verstanden haben”, schilderte ein 46 Jahre alter Mazedonier. Als die Lehrerin den Raum verließ, “hat jeder versucht, Hilfe von den anderen zu bekommen. Für mich war die Prüfung nicht schwer”, gab der Zeuge zu Protokoll.
Ebenso wie seine Ehefrau (“Ich habe meine Freundinnen gefragt und sie haben mir geholfen”) hatte der Mann die Prüfung bestanden und in weiterer Titel eine Aufenthaltsgenehmigung erlangt.
Schüler brauchten bei Prozess Übersetzerin
Beide bedurften bei ihrer zeugenschaftlichen Befragung allerdings wie sämtliche weitere vernommenen Prüflinge einer Übersetzerin: Ihre Deutschkenntnisse reichten bei weitem nicht aus, um die – recht einfachen – Fragen von Richterin Nicole Rumpl zu beantworten.
Sprachkurs hatte Ruf der “leichten Deutsch-Prüfungen”
Teilweise waren die Visa-Werber sogar aus Oberösterreich angereist, um bei dem Wiener Institut den Sprachkurs zu absolvieren – dies deshalb, weil diesem der Ruf vorauseilte, dass dort die Prüfungen “leichter” seien, wie ein Zeuge unumwunden zugab.
Eine Vertreterin des Wiener Integrationsfonds berichtete dem Gericht, man sei wegen Meldungen über angeblich laxe Prüfungen mehrfach an das Institut herangetreten. Auf drei schriftliche Verwarnungen sei nicht reagiert worden. Daraufhin wurde im Februar 2013 der Vertrag mit dem Sprachinstitut gekündigt.
Amtsmissbrauch: Vorwurf “verfehlt”?
Verteidiger Rudolf Mayer betonte, gegen seine Mandantin sei ursprünglich nur wegen eines bezirksgerichtlichen Vergehens ermittelt worden. Erst der dritte, mit diesem Fall betraute Staatsanwalt habe eine Anklage wegen Amtsmissbrauchs eingebracht, obwohl man einer zweiten, unter Schwindel-Verdacht geratenen Sprachlehrerin auf Basis eines Strafantrags wegen falscher Beurkundung bereits eine Diversion zugebilligt hatte. Mayer hielt den Amtsmissbrauch-Vorwurf für “verfehlt”. Der Angeklagten sei zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen, als Beamtin gehandelt zu haben.
Die Verhandlung gegen die Sprachlehrerin wurde zur Befragung weiterer Zeugen auf Ende Februar vertagt.