Sprachförderung: Schulreife soll stärker von Deutschkenntnis abhängen
Ziel des Modells ist es, die Bildungschancen von Kindern mit Sprachproblemen zu verbessern, denn: “Dass wir besser werden müssen, ist für mich keine Frage, sondern ein Faktum”, so Schmied.
Wien. Vorgesehen ist unter anderem ein Informationsaustausch von Kindergarten und Volksschule über die Deutschkenntnisse des Kindes. Die Entscheidung, ob ein Kind mit Sprachproblemen dann in einer eigenen Vorschulklasse, einer zeitlich befristeten Sprachfördergruppe oder in einem Mischmodell sein Deutsch verbessern soll, trifft der jeweilige Schulleiter, der dazu vom Unterrichtsministerium Diagnoseinstrumente erhält. Auch das von den Grünen forcierte Modell, Kindern für die ersten zwei Volksschulklassen öfter als derzeit bis zu drei Jahre Zeit zu geben, befürwortet Schmied als Wahlmöglichkeit.
Modellregionen geplant
Nach dem Schulpflichtgesetz gehören derzeit nur jene Kinder in die Vorschule, die dem Unterricht in der 1. Klasse vermutlich nicht folgen können, “ohne körperlich oder geistig überfordert zu werden”. Der angekündigte Erlass besagt allerdings, dass künftig die Unterrichtssprache Deutsch besonders berücksichtigt werden muss. Für Kinder und Jugendliche mit ausreichender “geistiger Reife”, die Deutschprobleme haben, gibt es derzeit den Status des außerordentlichen Schülers: Sie werden nicht in allen Fächern benotet und erhalten spezielle Sprachförderung. Laut dem präsentierten Konzept soll auch bei solchen Schülern künftig “unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation am Standort” entschieden werden, in welcher Form sie am besten gefördert werden können.
Ab dem Schuljahr 2013/14 sollen zudem in Modellregionen “unterschiedlichste” Sprachfördersysteme erprobt werden, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung sollen Grundlage für eine allfällige Gesetzesänderung in der nächsten Legislaturperiode sein. Außerdem sollen Modelle zur Intensivförderung für die rund 7.000 Quereinsteiger – also Kinder, die während des Schuljahrs nach Österreich kommen – pro Jahr in eigenen Gruppen, auch vor der Schulpflicht und in der unterrichtsfreien Zeit, entwickelt werden.
Kein zusätzliches Geld
Zusätzliches Geld gibt es weder für die Modellprojekte, bei denen Pädagogische Hochschulen (PH), (Übungs-)Kindergärten und Schulen sowie die Schulaufsicht kooperieren sollen, noch für die anderen kurzfristig geplanten Maßnahmen. “Man kann viel an Kosten sparen, wenn man das Geld richtig investiert”, begründete Kurz. Sollten Modellprojekte in der Folge ab 2015/16 allerdings flächendeckend ausgerollt werden, werde das zusätzliches Geld kosten, betonte Schmied.
Mit zehn müssen Kinder Deutsch können
Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (V) und Unterrichtsministerin Claudia Schmied (S) wollen mit dem Sprachfördermodell erreichen, dass “Kinder spätestens mit zehn Jahren die deutsche Sprache entsprechend beherrschen”, so die Ministerin. Derzeit, beklagte Kurz, entscheide nämlich viel zu oft die Herkunft und viel zu selten die Begabung über die Bildungsbiografie. So ist in Österreich der Unterschied beim Bildungserfolg so groß wie in fast keinem anderen Land der OECD.
Neben einer stärkeren Berücksichtigung der Sprachkenntnisse beim Schuleintritt, Informationsaustausch mit Kindergärten, Angeboten für Quereinsteiger und den Modellprojekten soll Sprachförderung verknüpft mit Leseförderung laut Schmied zum durchgängigen Prinzip an Schulen werden, wobei der Schwerpunkt auf Schülern mit Sprachproblemen und -entwicklungsstörungen liegen soll. Deshalb sollen Lehrer sowie Kindergartenpädagogen in Aus- und Weiterbildung spezielle Schulungen in diesem Bereich erhalten.
Flexible Grundstufe skizziert
Lediglich als “Skizzen” vorgenommen haben Schmied und Kurz sich den Ausbau der flexiblen Grundstufe – bei der Schüler für die ersten zwei Klassen drei Jahre Zeit bekommen -, stärkere Autonomie für Volksschulen und zusätzliche Mittel für Schulen mit vielen Schülern aus finanziell schwachen oder bildungsfernen Familien. Diese mittelfristigen Pläne hätten nämlich Auswirkungen auf das Budget der kommenden Regierung.
Ebenfalls erst für die Zukunft haben Kurz und Schmied ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr auf die Agenda gesetzt . “Das muss auf jeden Fall ein Fixpunkt im nächsten Regierungsprogramm sein”, betonte Kurz und erntete Zustimmung von Schmied. Die Ministerin will allerdings zusätzlich auch auf ganztägige Schulformen setzen.
Ergebnis als Kompromiss
Auch wenn Ministerin und Staatssekretär die Zusammenarbeit bei der Sprachförderung – vor allem in Vorwahlkampfzeiten – lobten, handelt es sich beim Endergebnis laut Kurz doch nur um einen Kompromiss. “Wir sind nicht mit dem Rennwagen unterwegs.” So hatte Kurz gefordert, dass Deutsch als Voraussetzung für den Schulbesuch gesetzlich verankert wird. Mit einem Erlass sei er aber auch zufrieden, denn auch dieser sei verbindlich. Kein Standort könne künftig so tun, als wäre es egal, wenn ein Kind kein Deutsch spricht.
Schmied hatte ihrerseits eigene Klassen für Kinder mit Deutschproblemen zunächst als “Ghettoklassen” abgelehnt, zeigte sich am Donnerstag aber mit Verweis auf die Kompetenz der Schulleiter versöhnlicher. Wenn ein Schulstandort das für pädagogisch sinnvoll erachte, werde sie nicht vom Minoritenplatz aus dagegenreden.
Ursprünglich wollte das Unterrichtsministerium bereits bis März ein Maßnahmenpaket vorlegen, Schmied hatte extra den ehemaligen Vorarlberger Schullandesrat und Landesschulratspräsidenten Siegi Stemer (V) als Berater hinzugezogen. Zuletzt hatten sich Kurz und Schmied allerdings zum Thema Sprachförderung vor allem einen medialen Schlagabtausch geliefert.