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"Du musst in jedem Shift an und über die Grenzen gehen"

Benoit Gratton schont weder sich noch seine Gegner
Benoit Gratton schont weder sich noch seine Gegner ©vienna.at/sportsshooter.at
Für die Gegner ist er der Böse, für seine Fans der Beste. Im zweiten Teil des großen Vienna Online Interviews präzisiert Capitals-Center Benoit Gratton seine Rolle auf dem Eis.
Gratton-Interview, Teil 1

Vienna Online: Dir eilt der Ruf voraus, ein harter und emotionaler Spieler zu sein, der keiner Konfrontation aus dem Weg geht. Wie denkst Du darüber?
Benoit Gratton: Darüber mache ich mir ehrlich gesagt keine Gedanken. Ich versuche in jeden Shift auf das Eis zu gehen und meine Aufgabe für die Mannschaft zu erfüllen. Checks sind Teil des Spiels. Eishockey ist ein sehr physisches Spiel, dessen sind wir uns alle bewusst.

Vienna Online: Du hast auf dem Eis immer wieder – lass es mich vornehm formulieren – „Meinungsverschiedenheiten“. Wie denkst Du darüber und über Deine Gegner in solchen Duellen?
Benoit Gratton: Würden sie mit mir in der gleichen Mannschaft spielen, wären wir wohl beste Freunde. Wir machen beide unseren Job auf dem Eis. Ich respektiere jeden Spieler, egal wie alt oder von wo er kommt. Jeder hier hat seine Qualitäten. Wer einen Platz im Kader eines Teams in dieser Liga erreichen konnte ist wirklich gut.

Vienna Online: Wer Dich auf dem Eis erlebt sieht Dich als emotionalen Hitzkopf. Abseits der Eisfläche bist du ein bescheidener und umgänglicher Mensch. Wie kommt es so zu solchen Gegensätzen?
Benoit Gratton: (überlegt kurz) Das ist sehr schwierig zu beantworten. Ich denke so bin einfach. Es wird immer Personen geben, die aufgrund meiner Spielweise auf den Menschen Benoit Gratton Rückschlüsse ziehen. Wir spielen 60 Minuten Eishockey wo wir alle alles geben um zu gewinnen. Das ist unser Beruf und unsere Leidenschaft. Danach haben wir wieder alle unser Privatleben. Wir sind in der schönen Lage unser Hobby zum bezahlten Beruf gemacht zu haben.

Vienna Online: Stichwort Bezahlung. Spürst Du als Spieler die Wirtschaftskrise?
Benoit Gratton: Natürlich lese ich Nachrichten und verschließe die Augen nicht vor der Realität. Viele Menschen haben ihren Job verloren und damit verbunden sind Schicksale die schrecklich sind. Wahrscheinlich wird es den einen oder anderen geben, der sich auch die Eintrittskarten für Capitals-Spiele nicht mehr leisten kann. Gott sei Dank aber gibt es erste Anzeichen für einen Aufschwung. Ich persönlich spüre es nicht so stark wie andere. Die Capitals haben mir einen sehr fairen Vertrag gegeben mit dem ich absolut glücklich bin.

Vienna Online: Stichwort Wien. Was verbindest Du mit der Stadt?
Benoit Gratton: Viele sehr positive Menschen! Ich habe selten eine Stadt mit so vielen hilfsbereiten Menschen erlebt. Es passt hier einfach alles. Die Stadt ist wunderschön und bietet mir alles um mich sehr wohl zu fühlen. Jetzt mit dem beginnenden Umbau der Halle herrscht Euphorie in der Stadt und im Verein. Die neue Halle sieht auf dem Modell wirklich cool aus.

Vienna Online: Du sprichst die Zukunft an. Lass uns einen Blick auf den nächsten Heimspielgegner werfen. Die Graz 99ers kommen nach Wien. Ein Gegner mit dem Ihr noch eine Rechnung offen habt…
Benoit Gratton: Die Grazer haben unsere Siegesserie beendet. In diesem Spiel haben wir nicht unser bestes Niveau abliefern können und haben zu viele Strafen genommen. Die Niederlage war daher wohl in Ordnung. Wir wollen jedes Heimspiel gewinnen, dass ist völlig klar. Wir benötigen jeden Punkt in der Tabelle, denn die Liga ist einfach zu ausgeglichen.

Vienna Online: Heuer kann jeder jeden besiegen – einfache Siege gibt es praktisch keine! Wie siehst Du das als Spieler?
Benoit Gratton: Ehrlich gesagt ist das ein gigantischer Adrenalinkick. Du weißt, dass du in jedem Spiel immer das Beste geben musst weil du sonst verlierst. Du musst in jedem Shift immer an und über die Grenzen gehen. Das ist toll und so soll es sein. Denn nur durch diesen ständigen Wettkampf wirst du besser.

Vienna Online: Schwachpunkt des Teams ist heuer definitiv noch das Überzahl Spiel. Woran liegt es? Fehlt euch Juha Riihijärvi?
Benoit Gratton: Er war letztes Jahr ein wichtiger Spieler ist aber heuer nicht mehr beim Team. Ich glaube das Problem liegt in einen anderen Bereich. Wir versuchen unterbewusst alles zu perfekt zu machen. Ein schönes Tor zählt genauso viel wie ein Abstaubertor. Uns fehlt wahrscheinlich etwas an Lockerheit. Jede ungenützte Möglichkeit hat uns unterbewusst wohl etwas verkrampfen lassen. Eine Rolle spielen auch hier die Verletzungen. Es soll keine Ausrede sein, aber Lebeau oder Björnlie sind im Powerplay nur schwer zu ersetzen.

Vienna Online: Im Überzahlspiel habt ihr bei weitem nicht die Effektivität aus der Vorsaison. Ihr gewinnt aber trotzdem die Spiele. Das muss Dich als Spieler doch sehr glücklich machen, oder?
Benoit Gratton: Wir wollen gewinnen und Tore erzielen. Wie Du die Tore machst ist egal. Aber es beruhigt mich schon, dass wir im Überzahlspiel noch viel Luft für Verbesserungen haben. Irgendwann wird das Powerplay wieder ähnlich effektiv funktionieren wie im Vorjahr klappen, davon bin ich felsenfest überzeugt.

Vienna Online: Heuer sind seit der ersten Runde praktisch alle Spiele mit Play-Off-Intensität. Sind bei einem solchen Monsterprogramm über eine ganze Saison Verletzungen nicht wahrscheinlich?
Benoit Gratton: (überlegt) Eine schwierige Frage. Eishockey ist ein Sport wo Verletzungen immer passieren können. Ich hatte letztes Jahr leider auch mit dem Knie meine Probleme. Wir trainieren in der Vorbereitung sehr intensiv um diesen Rhythmus zu schaffen. Daher würde ich nicht sagen, dass Verletzungen vorprogrammiert sind.

 

Lesen Sie in Teil 1 des großen Gratton-Interviews:
“Wir sind heuer jünger, schneller und hungriger”

Das Gespräch führte Thomas Muck
In Kooperation mit sportreport.at

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