Einige EU-Mitglieder seien der 2003 auf dem EU-Gipfel von Thessaloniki festgelegten europäischen Perspektive des Westbalkans nicht so günstig gesinnt, meinte Außenminister Spindelegger bei der Eröffnung des Seminars an der Diplomatischen Akademie. Die EU müsse aber “trotz der derzeitigen Probleme” mit ihren Plänen “auf Schiene bleiben”. In Einklang mit dem Vorgehen, dass der Annäherungsprozess von der Erfüllung von Verpflichtungen der einzelnen Bewerberstaaten abhänge, “müssen auch wir bereit sein, zu erfüllen, was wir versprochen haben”.
Spindelegger verwies neben Wohlstand und Stabilität für die Region auf die Wichtigkeit von Ländern wie Kroatien, Serbien oder Bosnien-Herzegowina für österreichische Investitionen und als Exportmärkte. Von verstärkten Annäherungsbemühungen vonseiten der EU und der Bewerberländer verspricht sich der Minister nicht zuletzt Wirtschaftsreformen auf dem Balkan: Auch dessen Wachstumsraten waren zuletzt von der globalen Wirtschaftskrise beeinträchtigt.
Österreich setzt sich seit einigen Monaten gemeinsam mit Griechenland für neuen Schwung im Erweiterungsprozess ein. Der stellvertretende griechische Außenminister Dimitris Droutsas sagte in Wien: “Wir müssen die Erweiterungsmüdigkeit bekämpfen”, die rund um grundlegende institutionelle Fragen der EU (Scheitern der EU-Verfassung; Anm.) und der Wirtschaftskrise aufgekommen sei. Eine Pause im Annäherungsprozess gefährde die Reformfortschritte auf dem Balkan. Droutsas sprach sich dafür aus, einen Fahrplan mit klareren Etappenzielen auf dem Weg der Westbalkan-Staaten bis hin zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu formulieren und gemeinsam mit der EU-Kommission den Rahmen des Erweiterungsprozesses womöglich auf den Prüfstand zu stellen.
Michael Leigh, Leiter der Generaldirektion “Erweiterung” der EU-Kommission, entgegnete, die EU stehe zum Prozess für die Westbalkan-Staaten und zum bisherigen Rahmen. Das Tempo der Annäherung hänge von den Reformen in den einzelnen Ländern ab. Politische Führer auf allen Ebenen hätten die “Verpflichtung”, der Bevölkerung sowohl in den Mitglieds- als auch den Bewerberstaaten die EU-Annäherung zu erklären.
Alle Westbalkan-Staaten streben in die EU. Kroatien könnte noch heuer seine Beitrittsverhandlungen abschließen. Mazedonien hat den Status eines Kandidaten, führt bisher aber noch keine Beitrittsverhandlungen. Montenegro, Albanien und Serbien haben die EU-Mitgliedschaft beantragt. Am wenigsten fortgeschritten auf dem Integrations-Pfad sind Bosnien-Herzegowina und der nicht von allen EU-Staaten anerkannte Kosovo. Anfang Juni findet in Sarajevo ein Außenministertreffen der EU mit den Balkan-Staaten speziell zur Erweiterung statt.
Spindelegger meinte in Richtung Bosnien, die “Unfähigkeit dortiger Politiker”, ein Denken und Handeln nach ethnischen Gesichtspunkten aufzugeben, führe zum “Risiko, dass Bosnien im Annäherungsprozess zurückbleibt”. Zum Kosovo sagte er, man erwarte sich von Serbien nicht, seine frühere Provinz bald anzuerkennen, allerdings sehr wohl in Sachfragen wie dem Grenzschutz zu Lösungen zu kommen.
Der griechische Vize-Außenminister ließ wissen, dass sein Erweiterungs-Engagement und die gleichzeitige Nicht-Anerkennung des Kosovo durch Athen sowie der langjährige Streit Griechenlands um den Staatsnamen seines Nachbarn Mazedonien “kein Widerspruch” seien. Im Gegenteil: Durch die verstärkte Annäherung der gesamten Region erwarte man sich zugleich auch die Lösung der offenen Konflikte, sagte Droutsas, denn “in einem neuen Europa ist kein Platz für alte Dispute”. Athen hat die NATO-Mitgliedschaft Mazedoniens wegen des Namensstreits blockiert, Skopje wartet deswegen auf die Beitrittsgespräche.