Spekulationen über "Papabili" - Gute Chancen für Italiener

Da seit 1978, der Wahl von Johannes Paul II., Ausländer für das Amt des Bischofs von Rom zum Zug gekommen sind, fragen sich Vatikan-Insider, ob nicht jetzt wieder die Stunde eines italienischen Kirchenoberhauptes schlagen könnte.
Pizzaballa: Diplomatischer Dialogpartner in Nahost
Als Rising Star unter den italienischen "Papabili" gilt Pierbattista Pizzaballa, der erste Patriarch von Jerusalem, der es ins Kardinalskollegium geschafft hat. Im Minenfeld Nahost beweist sich der am gestrigen Todestag Franziskus' 60 Jahre alt gewordene Pizzaballa seit Jahren als geschickter Diplomat und Dialogpartner. Seit 2020 ist der norditalienische Franziskaner Lateinischer Patriarch von Jerusalem. Sein Stil ist unkonventionell. Er gilt als ausgezeichneter Kenner der komplexen, konfliktträchtigen Realitäten in der Nahost-Region. So steht er sowohl mit jüdischen und islamischen Religionsführern als auch mit Orthodoxen in einem guten Dialog. All das wäre von Vorteil für ihn beim bevorstehenden Konklave.

Am 21. April 1965 in Cologno al Serio in der Diözese Bergamo geboren, studierte Pizzaballa in Bologna Theologie und Philosophie. Nach seiner Priesterweihe 1990 kam er nach Jerusalem, wo er nach dem Abschluss seiner Studien biblisches Hebräisch an der Franziskanerhochschule lehrte. 2001 übernahm Pizzaballa, der fließend Hebräisch spricht und gute Kontakte zur israelischen Gesellschaft unterhält, im Auftrag seines Ordens die Seelsorge für die hebräischsprachigen Christen in Jerusalem. Bei seiner Wahl zum Kustos 2004 war er 38 Jahre alt. Somit war er der Zweitjüngste in der jahrhundertelangen Geschichte der Kustodie. Das Amt hatte er zwölf Jahre inne.
In seinem Amt als Patriarch steht er einem Kirchenbezirk vor, der neben Israel und den Palästinenser-Gebieten auch Jordanien und Zypern umfasst. Nach vatikanischen Angaben zählt das Bistum 321.500 lateinische Katholiken in 71 Pfarreien. Nach der jüngsten Eskalation des Konflikts im Nahen Osten 2023 informierte Pizzaballa Papst Franziskus regelmäßig über die Entwicklungen. Der Papst telefonierte fast täglich mit der Pfarre in Gaza, um seine Nähe zu den Christen in der Region zu bekunden.
Zuppi: Episkopatschef und Diplomat für den Frieden
Zu den italienischen Favoriten zählt auch der 69-jährige Erzbischof von Bologna, Matteo Zuppi. Der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz ist bekannt für sein diplomatisches Geschick und seine Bemühungen um den Frieden. Er ist besonders eng mit der Stadt Rom verbunden, von Kindesbeinen an: Am 11. Oktober 1955 dort geboren, absolvierte er seine Zeit als Kaplan in der Basilika Santa Maria in Trastevere und wurde dort Pfarrer, insgesamt für 29 Jahre.

Die Basilika ist zugleich Sitz der Gemeinschaft Sant'Egidio, die sich für humanitäre Belange und Randgruppen einsetzt. Zuppi war von 2000 bis 2012 ihr geistlicher Assistent; das Profil von Sant'Egidio nahm er mit nach Bologna, wo er, nach drei Jahren als Weihbischof in Rom, 2015 die Leitung des Erzbistums übernahm. Seither machte Zuppi immer wieder mit seinem Eintreten für eine humanere Migrationspolitik und für die Volksgruppe der Roma landesweit von sich reden.
Zuppi war ein enger Verbündeter von Papst Franziskus, der ihn 2019 zum Kardinal ernannte. Seit 2022 leitet er die italienische Bischofskonferenz. Aktuell ist er zudem Sondergesandter des Papstes für Frieden in der Ukraine. Er hat das Land seit dem umfassenden Angriff Russlands vor drei Jahren öfters besucht.
Parolin: "Regierungschef" von Franziskus
Als Alternative zu Zuppi kommt unter den Italienern der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in Frage. Er ist derzeit der höchste Kurienkardinal und für seine Rolle in der internationalen Politik besonders geschätzt. Er bevorzugt leise Töne, was offenbar Anklang findet: Bekannt wurde der 70-Jährige für seine diplomatische Arbeit für die Beziehungen des Vatikan zu China sowie für seine Bemühungen um den interreligiösen Dialog und Friedensprozesse. Immer wieder schickte Franziskus seinen Kardinalstaatssekretär an diplomatisch hochbrisante Orte. In der Ukraine sprach der Kardinal etwa mit Präsident Wolodymyr Selenskyj. Im persönlichen Umgang wirkt Parolin moderat, offen und freundlich. Der gewieft-diskrete Kommunikator neigt weder zu Arroganz noch zu hohlen Phrasen.

Der am 17. Jänner 1955 in Schiavon in der norditalienischen Provinz Vicenza geborene Parolin wurde dort 1980 zum Priester geweiht. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie besuchte er ab 1984 die Päpstliche Diplomatenakademie. 1986 trat der Doktor des Kanonischen Rechts in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls. 2002 wurde er stellvertretender Außenminister des Vatikan. 2009 machte ihn Papst Benedikt XVI. zum Apostolischen Nuntius in Venezuela und weihte ihn im Petersdom zum Bischof. 2013 ernannte ihn Papst Franziskus zum Kardinalstaatssekretär und berief ihn im Juli 2014 in die Kardinalskommission, die ihn bei der Kurienreform unterstützte.
Schon länger wird Parolin als "papabile", also als tauglich für das Amt des Papstes, gehandelt. Der erfahrene Kirchenmann ist noch jung genug, ist diplomatisch mit allen Wassern gewaschen, unter den Kardinälen bekannt und in vielen Themen zu Hause. Dass er nie Bischof einer Diözese war und kaum pastorale Erfahrung hat, sehen manche als Mangel. Eine Schwachstelle ist auch, dass er als Aushängeschild des Franziskus-Pontifikats gilt. Sollten sich die Papst-Wähler für einen radikalen Kurswechsel nach der Zeit des Argentiniers entscheiden, hätte Parolin wenig Erfolgsaussichten.
(APA)