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Spanien: Massenprozess gegen ETA-Umfeld

Sind Menschen, die nie getötet haben, Terroristen? Diese Fragen stellen sich nun die spanischen Richter beim Madrider Massenprozess gegen 56 Angeklagte aus dem Umfeld der Terrororganisation ETA.

Von dem Verfahren werden Urteile von grundsätzlicher Bedeutung erwartet. Es fällt auch von den Ausmaßen her aus dem Rahmen. Noch nie hatten in der spanischen Justizgeschichte so viele Beschuldigten auf der Anklagebank Platz nehmen müssen.

Der Untersuchungsrichter Baltasar Garzon, der die Ermittlungen geleitet hatte, vertritt die Theorie: „Eine Terrororganisation besteht nicht nur aus einer Bande von Gewalttätern, die Bomben zünden und mit Waffen hantieren. Zu ihr gehört auch ein verzweigtes Netz von Helfern und Geldbeschaffern.“ Diese Ansicht machte sich die Staatsanwaltschaft zu eigen. Sie verlangt in der Anklageschrift Haftstrafen von bis zu 51 Jahren.

Den Angeklagten wird zur Last gelegt, für Organisationen aus dem Umfeld der ETA gearbeitet zu haben. Dazu gehörten erstens die zerschlagene Dachorganisation KAS, die den Kampf für die Unabhängigkeit des Baskenlands koordiniert und die Beschaffung von Geldern organisiert hatte. Zweitens die Gruppe Xaki, die Kontakte ins Ausland knüpfte und als „Außenministerium der ETA“ galt. Drittens die verbotene ETA-nahe Zeitung „Egin“ und viertens die Zubalaba-Stiftung, die Kampagnen des „zivilen Ungehorsams“ im Baskenland organisierte.

Die Ankläger wollen im Prozess nachweisen, dass diese Gruppierungen dem Kommando der ETA unterstanden und einen Teil des „ETA-Geflechts“ bildeten. Die konservative Zeitung „ABC“ bezeichnete das Verfahren gar als den „Nürnberger Prozess der ETA“: „In Nürnberg standen vor 60 Jahren Mitglieder der Nazi-Führung vor Gericht, die behaupteten mit Deportationen, Konzentrationslagern und Massenmorden nichts zu tun gehabt zu haben.“

Die These der Anklage ist keineswegs unumstritten. Im Frühjahr hatte ein Madrider Gericht die Mitglieder einer radikalen baskischen Jugendorganisation vom Vorwurf des Terrors freigesprochen mit der Begründung, die junge Leute hätten bei ihren Randalierereien keine Waffen eingesetzt. Die Verteidigung sieht im jetzigen Massenprozess ein „politisches Verfahren“.

Die baskisch-separatistische Linke solle mundtot gemacht werden, meint der Anwalt Txema Montero. „Die frühere spanische Regierung von Ministerpräsident Jose Maria Aznar wollte die ETA um jeden Preis ausschalten. Sie ließ, um den Fisch zu fangen, den ganzen See trocken legen. Dieser See ist die separatistische Linke.“

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