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Spaltung der islamischen Welt seit über 1350 Jahren

Aktueller Konflikt: Schiitischer Geistlicher Nimr al-Nimr wurde in Saudi-Arabien exekutiert.
Aktueller Konflikt: Schiitischer Geistlicher Nimr al-Nimr wurde in Saudi-Arabien exekutiert. ©AFP
Der aktuelle Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran verläuft nicht zuletzt entlang der uralten Trennlinie zwischen Sunniten und Schiiten in der muslimischen Welt . Die Spaltung der Muslime in zwei rivalisierende Konfessionen reicht bis in die Frühzeit des Islams zurück.

Kufa im heutigen Südirak am 19. Ramadan 41 (24. Jänner 661 nach christl. Zeitrechnung): Abdul Rahman ibn Muldjam, der der Sekte der Kharidschiten angehörte, stieß Kalif Ali ibn Abu Talib, dem Vetter und Schwiegersohn von Prophet Mohammed auf dem Weg von seinem Palast in die nahegelegene Moschee einen Dolch in die Brust. Ali erlag zwei Tage später den Verletzungen. Mit dem Tod dieses vierten der “Khulafa rashidun” (rechtgeleiteten Kalifen) begann die Spaltung der Muslime in Sunniten und Schiiten, die bis heute nicht überwunden ist.

Arabische Halbinsel bei Tod Mohammeds vereinigt

Mohammed war am 28. Safar 11 (8. Juni 632) eher plötzlich gestorben. Seine 622 erfolgte Flucht von Mekka nach Yathrib (Medina) gemeinsam mit seinen Anhängern hatte entscheidende Bedeutung gehabt: aus einem religiösen Mahner war ein Politiker und Organisator eines Reiches geworden, das alle Araber umfassen sollte. Die Stämme verpflichteten sich, eine Umma (Gemeinde) zu bilden. Beim Tod Mohammeds war die ganze Arabische Halbinsel von Hadramaut im Süden bis zu den Grenzen der Reiche der Byzantiner und Perser im Norden vereinigt.

An Mohammes Totenbett rief der Überlieferung zufolge nach einigem Streit Omar ibn al-Khattab, einer der Schwiegerväter des Propheten (durch Tochter Hafsa), einen anderen Schwiegervater, Abu Bakr (durch Tochter Aisha) zum Khalifa (Nachfolger) aus, was Zustimmung beim einflussreichen Stamm der Kureish, aber auch bei den Mekkanern und Medinensern fand. Aber auch der mit Mohammeds Tochter Fatima verheiratete Vetter Ali ibn Abu Talib erhob Anspruch auf die Führerschaft der Muslime. Abu Bakr konnte einige nach Mohammeds Tod abgefallene Stämme wieder zum Gehorsam zwingen und arabische Feldzüge nach allen Seiten einleiten, er starb aber bereits 634.

Unruhen im Inneren des Reiches kamen auf

Er hatte Omar als Nachfolger eingesetzt, unter dem sich der Siegeszug gegen Byzantiner und Perser fortsetzte, der aber 644 der Privatrache eines persischen Sklaven zum Opfer fiel. Sein Nachfolger wurde der zur Omayaden-Sippe (die sich erst spät Mohammed angeschlossen hatte) gehörende Othman ibn Affan, unter dem die Redaktion des Koran abgeschlossen wurde. Während nach außen der arabische Siegeszug weiterging, kam es im Inneren des Reiches zu Unruhen. Revoltierende, mit Ali sympathisierende Angehörige der Ägypten-Armee und Rebellen aus Kufa ermordeten 656 den Kalifen, nachdem er wochenlang in Medina belagert worden war.

Omayaden-Gegner riefen in Mekka Ali zum Kalifen aus. Entscheidend war die Zugehörigkeit zu den Hashem, der Sippe des Religionsstifters und des engsten Kreises seiner Vertrauten. Als Kenner der Sunna (Gebräuche und echte bzw. angebliche Aussprüche des Propheten) genoss Ali hohes Ansehen, als Widersacher der omayadischen “Aristokratie” stand er den Städten und Beduinen näher als die Sippe Othmans. Doch fehlten Ali diplomatisches Gespür und Feldherrentalent.

Ali: Durch “Kamelschlacht” an die Macht

Die meisten Gouverneure und Armeeführer gehörten zur omayadischen Partei. Von Mohammeds Lieblingsfrau und langjähriger Feindin Alis, Aisha, unterstützt, erhoben zwei mekkanische Adelige, Talha und Al-Zubair, die Fahne des Aufruhrs, der sich die Besatzung von Basra anschloss. Ali konnte die Armee von Kufa, das er als neue Hauptstadt seines Reiches ausersehen hatte, für sich gewinnen, so gelang ihm die Niederschlagung des Aufstands in der “Kamelschlacht” (benannt nach Aishas Reittier). Die gefangen genommene Aisha wurde unter strenger Bewachung nach Medina zurückgeführt, wo sie 674 im Alter von 64 Jahren starb.

Als “Stellvertreter Mohammeds” verlangte Ali Gehorsam. Im Sommer 657 traf das Heer Alis und jenes des Beherrschers von Syrien, Muawiya, bei Siffin am mittleren Euphrat aufeinander. Es ging nicht nur um die Entscheidung, wer Kalif sein sollte, sondern auch, ob das dem Mittelmeer zugewandte Syrien oder das der persischen Tradition verbundene Mesopotamien Reichsmittelpunkt sein sollten. Im Kampf der beiden Heere schien Ali gesiegt zu haben, als eine Kriegslist seinen Gegnern eine Atempause verschafft haben soll: Muawiyas Feldherr Amr ibn al-As (der Eroberer Ägyptens 640-44) soll den Truppen befohlen haben, Koranblätter auf die Lanzenspitzen zu heften, “da nur Allah ein Urteil im Streit zwischen Gläubigen zustehe”. Alis Truppen wichen daraufhin zurück, die Syrer überzeugten ihre Gegner von der Notwendigkeit einer Friedenslösung, Ali wurde von seinen Anhängern gezwungen, auf den Vorschlag eines Schiedsgerichts einzugehen, dessen Zusammensetzung aber weitgehend Muawiyas Wünschen entsprach.

Einige vertraten die Ansicht, falls Ali sein Kalifat der Entscheidung eines Schiedsgerichts anheimstelle, sei er nicht der wahre Repräsentant Allahs auf Erden. Da Ali die Wiederaufnahme des Kampfes verweigerte, trennten sich etwa 12.000 Mann als “Kharidschiten” (“Wegziehende”) von ihm, bildeten eine eigene islamische Sekte, die heute noch Einfluss ausübt, so im Sultanat Oman. 660 ließ sich Muawiya von den Syrern zum Kalifen ausrufen und gewann den Westen des Reiches, vor allem Ägypten, Mekka und Medina für sich, er begründete die Kalifendynastie der Omayaden. Ali, der sich nur auf Mesopotamien verlassen konnte, beschloss vor einer Entscheidungsschlacht die Vernichtung der Kharidschiten.

Zwar wurde ihre Militärmacht weitgehend zerschlagen, sein Aufruf zu weiteren Kämpfen gegen Muawiya blieb aber weitgehend ungehört. In dieser Zeit der Gewalt und Rechtlosigkeit verschworen sich drei kharidschitische Männer, angeführt von Abdul Rahman ibn Muldjam, gegen Ali und Muawiya. Während das Attentat auf Muawiya 661 misslang, wurde Ali in Kufa von Ibn Muldjam ermordet. Der Mörder wurde auf Befehl von Alis Tochter Umm Kulthum auf grausame Weise umgebracht. Über den Tod des vierten “rechtgeleiteten Kalifen” herrschte in Mesopotamien tiefe Trauer.

Endgültige Trennung der Muslime in Sunniten und Schiiten

Alis Tod öffnete den Omayaden-Kalifen den Weg zur Herrschaft, im Arabischen Reich bis 750, auf der Iberischen Halbinsel bis nach 1000 n. Chr. Seinem Ansehen verlieh Muawiya durch Bestechungen Nachdruck: er “kaufte” auch die Führer der Heere Alis. So trat Alis ältester Sohn Hassan, der ein behagliches Leben führte und Kriege scheute, seine Rechte gegen Gegenleistungen an Muawiya ab. Nach Hassans Tod galt dessen jüngerer Bruder Hussein den Gegnern der Omayaden als der allein zur Herrschaft Berechtigte. Sein Schlachtentod am 10. Oktober 680 bei Kerbela (südlich von Bagdad) gegen die Omayaden bedeutete die endgültige Trennung der Muslime in Sunniten und Schiiten.

(APA)

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