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Sozialversicherungsreform wurde offiziell beschlossen

Alle Maßnahmen seien laut Hartinger-Klein verfassungskonform.
Alle Maßnahmen seien laut Hartinger-Klein verfassungskonform. ©APA/HERBERT NEUBAUER
"Es ist gelungen", frohlockte Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein, als am Mittwoch die Sozialversicherungs-Reform beschlossen wurde.

Der Ministerrat hat am Mittwoch die umstrittene Sozialversicherungs-Reform beschlossen. “Es ist gelungen”, frohlockte Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Die Regierung verteidigte die Reform auch einmal mehr gegen die vielfältige Kritik – die Diskussion darüber, ob man tatsächlich eine Milliarde einsparen kann, bewertete Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als “Versuch eines gewissen Ablenkungsmanövers”.

Sozialversicherungsreform offiziell beschlossen

Die Sozialversicherungsreform sei eines der zentralen Projekte der Regierung, betonte Kurz am Mittwoch im Pressefoyer, das diesmal ausnahmsweise vor der Regierungssitzung stattfand. Man habe nach der Begutachtung rund 40 Konkretisierungen vorgenommen, beim Ziel aber sei man “hartnäckig” geblieben. In den vergangenen Wochen habe es viel “Angst- und Panikmache” gegeben – nämlich “Falschbehauptungen”, dass Krankenhäuser geschlossen oder Leistungen für Patienten gekürzt würden.

Bisherige und neue Organisationsstruktur der Sozialversicherungen GRAFIK 0563-18, 88 x 172 mm
Bisherige und neue Organisationsstruktur der Sozialversicherungen GRAFIK 0563-18, 88 x 172 mm ©Bisherige und neue Organisationsstruktur der Sozialversicherungen GRAFIK 0563-18, 88 x 172 mm

Die Kritik werde auch nach den jüngsten Änderungen nicht verstummen, glaubt der Kanzler, “weil es Funktionäre gibt, die ihre Machtposition verlieren und die unglücklich darüber sind”. Man fühle sich aber der Bevölkerung verpflichtet “und nicht einigen wenigen Generaldirektoren”. Auch gebe es einige, die die Reform einfach aus Parteitaktik kritisieren müssten. Jene, die berechtigte Sorgen hätten, werde man weiter aufklären.

“Aus Verwaltungsmilliarde wollen wir Patientenmilliarde machen”

Freilich gab es auch harsche Kritik von unverdächtiger Seite: So hatte etwa Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker bemängelt, dass der Nachweis zum Einsparen der von der Regierung behaupteten Milliarde fehle. “Wir haben alles, was in unserer Macht steht möglich gemacht, damit das funktionieren kann”, versicherte Kurz. Es gehe um ein Bündel an Maßnahmen über mehrere Jahre, und es sei auch stets ein Zusammenwirken mit der Selbstverwaltung – “zumindest solange es die Selbstverwaltung gibt”, fügte der Kanzler hinzu.

Die Diskussion um die Milliarde sei überhaupt eine “interessante”, befand der Kanzler. Der entscheidende Punkt sei nicht, “ob es auf den Euro genau eine Milliarde ist”, findet er, sondern was mit dem Geld passiere. Es gehe um “in etwa eine Milliarde”, erklärte Kurz, “wenn es 900 Millionen werden, sind es noch immer 900 Millionen mehr als zuvor”. Ziel sei es, dass jeder eingesparte Euro den Patienten zugute komme.

“Aus einer Verwaltungsmilliarde wollen wir in Zukunft eine Patientenmilliarde machen”, versprach auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) neuerlich. Die Zusammenlegung der Sozialversicherungen von 21 auf fünf sei ein “überfälliger und notwendiger Schritt”, die Reform bringe eine “Verschlankung des Systems”. Er sei “stolz”, dass man diese gegen den Widerstand “der Funktionäre” zusammengebracht habe.

Schritt in Richtung Gesundheitsreform

“Dass manche Funktionäre aufschreien und Angst haben, ihre Macht zu verlieren, ist verständlich”, aber eigentlich nicht im Sinne der Versicherten, meinte auch die zuständige Ministerin Hartinger-Klein. Befürchtungen, Teile der Reform könnten gegen die Verfassung verstoßen, widersprach sie: Alle Maßnahmen seien verfassungskonform – das hätten ihr Experten versichert. Es gebe nun klare, effiziente Entscheidungsstrukturen, betonte sie. Mit der Strukturreform habe man einen Schritt in Richtung Gesundheitsreform gemacht.

ÖVP-Klubchef August Wöginger frohlockte über die “größte Strukturreform der Sozialversicherung in Österreich” und appellierte an alle, die dort tätig sind, diese auch mitzutragen und umzusetzen.

Kassenreform bleibt umstritten: Kritik von der Opposition

SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner beschränkte sich vorerst darauf, zu erklären, warum die SPÖ der neuen Sozialversicherungsstruktur nicht zustimmt: Diese Reform “verbessert die Situation der Menschen in diesem Land nicht”. Ihr Ergebnis werde nicht sein, dass der burgenländische Bauarbeiter die gleichen Leistungen bekommt wie die Politiker im Parlament – oder dass die Leistungen für alle Menschen besser, die Probleme etwa der Wartezeiten geringer werden oder mehr Prävention geboten wird. “Sie wissen nicht ganz genau, warum und für wen Sie hier reformieren”, hielt sie der Regierung vor.

Viel angriffiger war NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger: Die Behauptung, dass die Reform eine Milliarde bringe, sei “Hokuspokus”. Die Regierung habe wieder nur “Verpackung und Schleifchen” in den Vordergrund gestellt und “den Menschen Sand in die Augen gestreut”. Scharf kritisierte sie auch, dass die FPÖ “den Rechnungshof diffamiert”, weil dieser die Einsparungen bezweifelte: Solche Angriffe auf Institutionen der Republik “lassen wir nicht durchgehen”.

Die Liste Pilz-Abgeordneten Daniela Holzinger kritisierte, dass eine solche Reform “im stillen Kämmerlein alleine im Ministerium erarbeitet wurde”. Weder die Krankenkassen-Beschäftigten, noch die Wissenschafter seien einbezogen worden – sodass sich jetzt die Experten an die Opposition wenden würden mit der Bitte, “diesen Wahnsinn zu stoppen”. Scharf kritisierte sie auch die “Entmachtung der Versicherten” in der Selbstverwaltung – mit dem einzigen Zweck, die Macht der Regierung auszuweiten. “Bitte zurück an den Start”, appellierte sie an die Regierung.

Gemeinsame Prüfbehörde PLAB kommt

Die Bundesregierung hat im Ministerrat am Mittwoch beschlossen, dass die Prüfungsorganisationen der Finanz und der Sozialversicherung per 1. Jänner 2020 zusammengeführt werden. Diese Behörde soll Prüfdienst für lohnabhängige Abgaben und Beiträge, kurz PLAB, heißen, erklärte Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) im Pressefoyer. Als nächster Schritt komme dann die einheitliche Dienstgeberabgabe.

Fuchs zeigte sich über die Vereinfachung erfreut, denn anstelle mehrerer Gebietskrankenkassen und des Finanzamts gebe es künftig nur noch eine Prüfung aus einer Hand. Auch die einheitliche Rechtsauslegung und Rechtsanwendung verspreche mehr Verständlichkeit. Die Zusammenführung der Prüforganisationen kommt nun im Zuge der Sozialversicherungsreform, war aber ohnehin auf der Agenda, hieß es aus dem Staatssekretariat.

Als zweiter Schritt ist, wie im Regierungsprogramm festgehalten, die Zusammenführung sämtlicher lohnabhängiger Abgaben in Form einer einheitlichen Dienstgeberabgabe vorgesehen. “Das heißt, es wird in Hinkunft nur noch einen Prozentsatz geben”, verwies Fuchs etwa auf die Kommunalsteuer, die Sozialversicherungsbeiträge oder den Dienstgeberbeitrag zum FLAF. Unternehmer werden sich somit einiges an Arbeit und Steuerberatungskosten sparen, zeigte sich Fuchs – er war selbst als Steuerberater tätig – überzeugt. Durch die organisatorischen Änderungen werde es künftig nur noch die Bundesabgabenordnung sowie als einzige Rechtsmittelinstanz das Bundesfinanzgericht geben.

(APA/Red)

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