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"Sound of Europe": Uneinig über EU

Europäische Spitzenpolitiker haben sich bei der Salzburger EU-Konferenz "Sound of Europe"“ erneut uneinig über Zustand und Zukunft der Union gezeigt: "Ja, Europa durchläuft eine Krise".

Dies sagte der französische Ministerpräsident Dominique de Villepin. „Sprechen wir nicht von einer Krise. (…) Das ist das Letzte, was wir jetzt brauchen“, entgegnete sein niederländischer Amtskollege Jan Peter Balkenende. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) wies eine rein ökonomische Sichtweise der Union zurück.

Europa müsse einsehen, dass es sich in jüngster Zeit zu viel zugemutet habe, sagte Villepin in einem Grundsatzreferat zum Auftakt der Konferenz vor 300 hochkarätigen Politikern, Intellektuellen und Künstlern im Salzburger Kongresshaus. So sei die EU-Erweiterung im Jahr 2004 „politisch und wirtschaftlich nicht ausreichend vorbereitet“ gewesen. Bisher sei aber noch jede europäische Krise der „Startpunkt für einen positiven dynamischen Prozess“ gewesen.

Daher müsse nun eine Phase der „bewussten Vertiefung“ folgen, so der französische Premier. Die Franzosen hätten voriges Jahr auch deswegen gegen die EU-Verfassung gestimmt, weil sie sich gefragt hätten, ob Europa überhaupt in der Lage sei, ihren Erwartungen zu entsprechen. Villepin kritisierte die „Komplexität“ der EU-Gesetze und die „Trägheit“ des Entscheidungsprozesses auf Unionsebene.

Balkenende, dessen Bürger das Vertragswerk ebenfalls abgelehnt hatten, erteilte in der anschließenden Podiumsdiskussion einem neuen Anlauf zur Annahme der EU-Verfassung eine Absage. Statt einer abstrakten Diskussion müsse man die Bürger mit „konkreten Ergebnissen“ vor allem im ökonomischen Bereich, wieder stärker für die Union einnehmen. Die EU müsse sich auch die „Atmosphäre der Dynamik, der Zukunftsgerichtetheit“ zu Eigen machen, die in anderen Teilen der Welt herrsche. Balkenende wies zudem auf die Erfolge der Union in den vergangenen zehn Jahren hin, etwa die Abschaffung von Grenzkontrollen und die Einführung der Gemeinschaftswährung Euro.

Dagegen sprach Europaparlamentspräsident Josep Borrell gleich von einer dreifachen Krise in Europa: Eine Legitimitätskrise, eine politische Krise und eine Krise der Heterogenität. „Es fällt uns schwer, gemeinsam zu leben“, kritisierte der spanische Sozialist das nationale Gefeilsche um das EU-Budget und den Steuerwettbewerb der Mitgliedsstaaten. Die Lösung sei „mehr Demokratie auf allen Ebenen“. Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margot Wallström, kritisierte das „Europe-Bashing“ der nationalen Politiker, das „dramatische Spuren“ im europäischen Einigungsprozess hinterlasse. Auf EU-Ebene gebe es gute Reformrezepte, nur würden sie nicht umgesetzt.

„Europa darf nicht zu einer rein ökonomischen Idee werden, Europa muss mehr sein“, sagte Schüssel in seiner Eröffnungsrede. Er äußerte die Hoffnung, dass das Beispiel des „wahrhaft europäischen Künstlers“ Wolfgang Amadeus Mozart die EU-Politiker inspirieren möge. Der genau vor 250 Jahren in Salzburg geborene Komponist habe in einer Zeit gelebt, „die von dramatischen Veränderungen geprägt“ war. „Vieles von diesen Geburtsschmerzen, diesen Wachstumsschmerzen spüren wir auch heute.“

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner strich den vergangenen Erfolg Europas als Ursache für das derzeitige Unbehagen hervor. „Wir Europäer haben eigentlich keine großen Ziele mehr, und weil wir immer mehr den Individualismus pflegen, sind wir unserer Sache nicht mehr sicher.“ Der frühere EU-Agrarkommissar Franz Fischler, der am Rande der Konferenz sein neues Buch vorstellte, zeigte sich ebenfalls optimistisch. Ein Requiem für die Union anzustimmen, sei unangebracht, sagte er.

Die Konferenz wird am Freitagnachmittag mit einer Diskussionsrunde fortgesetzt, bei der EU-Chefdiplomat Javier Solana das Impulsreferat halten wird. Am Samstag wollten EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Bundespräsident Heinz Fischer zu den Teilnehmern des Kongresses, bei dem auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier erwartet wird, sprechen.

Der Veranstaltungsort wurde von der Polizei auch am Freitag hermetisch abgeschirmt, die Verkehrsbehinderungen hielten sich in Grenzen. Schaulustige bestaunten die in großer Anzahl geparkten Luxuskarossen, ein außerhalb der Festspielsaison in der Mozartstadt seltener Anblick. Im Kongresshaus selbst funktionierte die topmoderne Audio-Video-Präsentation zur Untermalung tadellos, bis auf eine Einspielung von Bürgermeinungen, bei der der Ton ausfiel.

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