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Justizbudget verursacht Sorge bei Richtern

Richter hatten in Vergangenheit 200 zusätzliche Stellen gefordert.
Richter hatten in Vergangenheit 200 zusätzliche Stellen gefordert. ©APA/HARALD SCHNEIDER (Symbolbild)
Das Justizbudget hat eine negative Reaktion bei den Standesvertretungen der Richterinnen und Richter nach sich gezogen.
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Die Standesvertretungen der Richterinnen und Richter zeigen sich "tief besorgt" über die fehlende Planstellenaufstockung im Justizbudget. Trotz neuer gesetzlicher Aufgaben und massiv gestiegener Verfahrenszahlen sei eine entsprechende Reaktion der Politik ausgeblieben, so Richtervereinigung und GÖD-Sektion in einer gemeinsamen Aussendung. "Enttäuscht" sind auch die Staatsanwälte über die Nicht-Abdeckung des massiven Mehraufwands durch jüngste Gesetze.

Justizbudget ohne mehr Planstellen

Im Justizbudget ist vorgesehen, dass die Planstellen gleich bleiben sollen. Jüngst hatten die Richter 200 zusätzliche Stellen gefordert - mit dem Hinweis auf die Personalanforderungsrechung des Justizministeriums für Bezirks- und Landesgerichte sowie zahlreiche Gesetze der letzten Zeit. Darin wurde ein zusätzlicher Personalbedarf festgehalten, etwa bei der Neuregelung der Handy-Sicherstellung. Tatsächlich besetzt worden seien diese Stellen aber nicht.

Man nehme zur Kenntnis, dass in Zeiten wirtschaftlicher Herausforderungen und steigender Verschuldung Sparmaßnahmen notwendig seien und auch dem Justizbudget ein Beitrag abverlangt werde, so die Richter. "Aber Gerechtigkeit braucht entsprechende Ressourcen, und ohne ausreichendes Personal sind rasche Erledigungen nicht länger gewährleistet", meinte Richtervereinigung-Präsident Gernot Kanduth. Als Folge würde der Druck auf das Justizsystem weiter steigen und Verfahren länger dauern.

Staatsanwälte: "Enttäuschung"

Ähnlich die Staatsanwälte-Vereinigung. Auch für die Strafverfolger sei durch jüngste Maßnahmen wie das Strafprozessrechtsänderungsgesetz mit u.a. der neuen Handy-Sicherstellung ein "massiver Mehraufwand" geschaffen worden bzw. sei ein solcher auch durch geplante Initiativen wie die Strafbarkeit des Versendens von Penisbildern zu erwarten. Dass dies nun nicht auch mit mehr Stellen ausgeglichen werden, sei eine "Enttäuschung", heißt es in einem Informationsschreiben.

Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) hat durchaus Verständnis für die Forderung der Standesvertreter nach mehr Personal. Sie halte es aber für einen Erfolg, dass man im Justizsektor keine Einsparungen habe vornehmen müssen, meinte sie im Ö1-"Mittagsjournal". In der Justiz könne der Personalstand aufrechterhalten und frei werdende Planstellen nachbesetzt werden. Die Belastung der Bediensteten sollen durch diverse Reformschritte und mehr Digitalisierung abgefedert werden.

"Sehr kritisch" sehen das Justiz-Budget die Anwälte. Der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK), Armenak Utudjian, erinnerte gegenüber der APA an die Anhebung der Gerichtsgebühren um 23 Prozent mit Anfang April. Man habe damals davor gewarnt, dass dies den Zugang zum Recht erschwere. Wenn der Staat dies schon tue, sollte das Geld aber wiederum zumindest dem Justizbereich zugutekomme. "Jetzt ist es aber so, dass man die Mittel nimmt und nicht in die Justiz investiert, sondern dort spart und anderweitig Löcher im Budget stopft."

Dauer von "Gerichtsjahr" soll geändert werden

Die oft als "Gerichtsjahr" bezeichnete Gerichtspraxis als Vorbereitung für die klassischen Rechtsberufe soll von sieben auf fünf Monate verkürzt werden. Das sieht der Entwurf des Budgetbegleitgesetzes vor. Damit soll "ein Beitrag zur erforderlichen Budgetsanierung geleistet werden, wobei eine qualitätsvolle Berufsaus- und -vorbildung gesichert bleibt", heißt es in den Erläuterungen.

Um Richter, Staatsanwältin, Rechtsanwalt oder Notarin zu werden, ist in Österreich neben dem Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums auch die Absolvierung einer Gerichtspraxis nötig. Jus-Absolventen haben dabei einen Rechtsanspruch auf Zulassung zum sogenannten "Gerichtsjahr", in dem sie den Gerichtsbetrieb kennenlernen sollen. In diesem Zeitraum werden sie auch bezahlt (derzeit knapp 1.800 Euro pro Monat).

Schon in den vergangenen Jahrzehnten wurde die Praxiszeit immer wieder verkürzt oder verlängert. Mit dem Sparpaket 2011 wurde sie etwa von neun auf fünf Monate gesenkt. 2017 wurde sie dann zur Sicherung der Ausbildungsqualität wieder auf sieben Monate erhöht.

Kritik kommt vom Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK), Armenak Utudjian. Die letzte Erhöhung der Ausbildungsdauer von fünf auf sieben Monate habe ja einen Grund gehabt: "Man ist draufgekommen, dass man ein Qualitätsproblem hat." Auch jetzt fürchtete er gegenüber der APA negative Konsequenzen - einerseits für die Justiz, die ja auf die Rechtspraktikanten im täglichen Betrieb angewiesen sei und andererseits für die Notare und Anwälte, die die fehlende Ausbildungszeit von sich aus wettmachen müssten.

Mehr Erwachsenenvertretungen für Anwälte und Notare

Anwälte und Notare müssen wieder mehr Erwachsenenvertretungen übernehmen. Das sieht der Entwurf des Budgetbegleitgesetzes vor, in dessen Erläuterungen von einer "Notmaßnahme" die Rede ist. Ansonsten würde das System der gerichtlichen Erwachsenenvertretung (früher: Sachwalterschaft) zusammenbrechen. Der Bedarf an Erwachsenenvertretung sei ungebrochen groß, gleichzeitig mangle es an geeigneten Vertretern.

Mit einer großen Reform 2018 wurde aus dem Sachwalter der Erwachsenenvertreter. Eines der Ziele damals war, dass Anwälte und Notare nicht mehr so viele Sachwalterschaften übernehmen sollten - diese mussten einspringen, wenn etwa keine Angehörigen vorhanden waren, die sich um die betroffene Person kümmern konnten. Unter anderem wurde damals daher die generelle Verpflichtung der beiden Berufsgruppen zur Übernahme gerichtlicher Erwachsenenvertretungen abgeschafft. Sie mussten damit nur mehr in jenen Fällen als Vertreter fungieren, wenn für die Besorgung der Angelegenheiten Rechtskenntnisse erforderlich waren. Alle anderen sollten bei einem Mangel an geeigneten Angehörigen von Erwachsenenschutzvereinen abgewickelt werden.

Dieser Plan ist nun gescheitert, gesteht man in den Erläuterungen ein. "Dadurch wurde der Mangel an geeigneten Erwachsenenvertretern für Personen, die keine ('geeigneten' und zur Übernahme bereiten) Angehörigen haben, insofern verschärft, als eine gleichzeitig dringend erforderliche Kapazitätserhöhung bei den Erwachsenenschutzvereinen bislang noch nicht realisiert werden konnte und aufgrund der erforderlichen Budgetkonsolidierung auch in absehbarer Zukunft nicht umsetzbar ist."

"Müssen jetzt Maßnahmen ergreifen"

Künftig kehrt man daher wieder de facto zur alten Rechtslage zurück. Notare und Anwälte müssen die Vertretung übernehmen, auch wenn zur Besorgung der Angelegenheiten nicht vorwiegend Rechtskenntnisse erforderlich sind. "Die grundlegende Reform der Erwachsenenvertretung war ein Erfolg, der es vielen Menschen ermöglicht, länger selbstbestimmt zu leben", so Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) in einer Aussendung. "Aber das System läuft am Anschlag der Kapazitätsgrenze. Wir müssen jetzt Maßnahmen ergreifen, um eine qualitätsvolle gerichtliche Erwachsenenvertretung weiter gewährleisten zu können."

(APA/Red)

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