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Son Of Saul - Trailer und Kritik zum Film

"Los, Bewegung!" Der Schrei gellt durch die Baracke. Die Männer stehen auf, reihen sich ein, laufen nach draußen. Der nächste Transport ist da, bereit zur "Behandlung", wie es heißt.

Regisseur Laszlo Nemes holt den Betrachter in seinem Oscar-prämierten Debüt mitten ins Geschehen des Konzentrationslagers Auschwitz: “Son of Saul” ist beklemmend, aufwühlend und lässt nicht los. Ab Freitag im Kino.

Son Of Saul – Die Geschichte

Der ungarische Regisseur, der gemeinsam mit Clara Royer auch das Drehbuch verfasste, rückt den Juden Saul Ausländer (Geza Röhrig) in den Mittelpunkt. Als Teil eines Sonderkommandos im KZ führt er Neuankömmlinge in die Gebäude, hilft ihnen beim Ausziehen und muss tatenlos zusehen, wie sie in die Gaskammern gebracht werden. Heftiges Schlagen an die Türen, die Todesschreie – für ihn ist dies ein sich stetig wiederholender Alltag. Danach müssen die Leichen verbrannt und die Kammern gereinigt werden. “Schnell, schnell!”, wie man immer wieder im Hintergrund hört.

Doch dann ändert sich für Saul alles: In einem toten Buben glaubt er, seinen eigenen Sohn zu erkennen. Er setzt sofort alles daran, die Leiche zu verstecken, um sie vor dem Verbrennen zu bewahren und ordentlich zu bestatten. Dafür benötigt er aber einen Rabbi, der das traditionelle Kaddisch-Gebet spricht. Während um ihn herum das Töten weitergeht und von anderen Lagerinsassen ein Aufstand geplant wird, entwickelt Saul zusehends einen Tunnelblick: sein eigenes Leben, das der Mitgefangenen, es scheint ihm egal.

Son of Saul – Die Kritik

Nemes gelingt aber nicht nur durch diese Verschiebung der Wertigkeit in dieser Hölle Beeindruckendes. Allen voran die Art und Weise, wie er sich mit Kameramann Matyas Erdely sprichwörtlich an die Fersen seines Protagonisten heftet und ihm im Nacken sitzt, lässt einem immer wieder den Atem stocken. Im beinahe quadratischen Filmformat ist man stets ganz nah dran an Saul, sieht sich seinem oft ausdruckslosen und resignierten Blick gegenüber, während im Hintergrund alles verschwimmt. Der bildliche Fokus, er spiegelt die Geräuschkulisse wieder: Zig Stimmen in unterschiedlichen Sprachen, Maschinengewehre, ohnmächtige Geschäftigkeit schälen sich immer wieder heraus, während Saul nur das Nötigste spricht.

Die Gräuel des KZ, die unzähligen Leichen, die unglaubliche Brutalität – all das ist natürlich Bestandteil von “Son of Saul”, bildet aber eigentlich nur den Rahmen für ein Vorhaben, das unmöglich scheint. Immer wieder glaubt man, dass es für Saul zu Ende ist, dass er einen Schritt zu weit gegangen ist bei seiner Suche nach einem Rabbi. “Du hast die Lebenden für die Toten verraten”, wirft ihm Abraham (Levente Molnar) an den Kopf. Er ist einer von vielen, der in diesem furchtbaren Kaleidoskop an Sauls Seite auftaucht, von diesem aber wie alle anderen zusehends abgelehnt oder ignoriert wird. Bis zum Äußersten entschlossen wirkt er, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was seine Handlungen für andere bedeuten könnten.

Nemes, der einst Assistent bei Regielegende Bela Tarr war, hat ein wirklich ungewöhnliches Werk geschaffen. In den großteils sehr langen Einstellungen begleitet man Saul zwei Tage, in denen er eigentlich – ausgerechnet im Vernichtungslager – seine Menschlichkeit wieder entdeckt. Mit aller Kraft klammert er sich an diesen Buben, an diese Aufgabe, wie auch eine der berührendsten Szenen des Films zeigt: Nur mit viel Glück konnte Saul den Leichnam aus dem Autopsieraum entführen und wäscht ihn liebevoll.

Nach dem Großen Preis der Jury bei den Filmfestspielen von Cannes, wo der Film aufgrund der extremen Darstellung und Umsetzung für etliche Diskussionen sorgte, konnte Nemes auch bei den Academy Awards reüssieren: “Son of Saul” erhielt heuer den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film. Eine Entscheidung, die man nachvollziehen und durchaus als mutig titulieren kann. Denn der ungarische Filmemacher lässt die Zuschauer eigentlich alleine. Keine Kommentierung, keine Bewertung passiert hier. Man muss sich, ebenso wie Saul, durch den Horror von Auschwitz kämpfen. Und den wird man kaum vergessen.

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