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So viel Entlastung soll das Ende der Kalten Progression bringen

Bis 2026 sollen sich die Menschen 18 Milliarden Euro ersparen, so Finanzminister Magnus Brunner
Bis 2026 sollen sich die Menschen 18 Milliarden Euro ersparen, so Finanzminister Magnus Brunner ©APA/TOBIAS STEINMAURER
Durch die Abschaffung der Kalten Progression ab 1. Jänner 2023 sollen sich die Österreicherinnen und Österreicher bis 2026 18 Milliarden Euro ersparen.
Meinl-Reisinger kritisiert Anti-Teuerungspaket

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sei "zwar kein Freund von Superlativen", das Gesetz sei jedoch ein historisches. Im kommenden Jahr sei mit Entlastungen von 1,8 Milliarden Euro zu rechnen, zwei Drittel davon sollen direkt und automatisch an die Steuerzahler zurückgegeben werden.

Abschaffung der Kalten Progression soll am Freitag in Begutachtung gehen

Die Abschaffung der kalten Progression sei der zweite Schritt im Kampf gegen die Teuerung. Mit Soforthilfen im Sommer sollen die ersten Auswirkungen der hohen Inflation abgebremst werden, lösen könne man die Situation aber nur mit strukturellen Maßnahmen, betonte Brunner bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Die Abschaffung der kalten Progression sei seit Jahrzehnten diskutiert worden, mit dem neuen Gesetz werde sie "zu 100 Prozent abgeschafft", wie Brunner mehrfach betonte. Das entsprechende Gesetz wird am Freitag in Begutachtung gehen. Brunner hoffe dabei auf große Zustimmung im Parlament.

Zwei Drittel sollen direkt zurück zu Steuerzahlern gehen

Zwei Drittel der Entlastungen sollen künftig direkt und automatisch an die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen zurückgegeben werden. Das weitere Drittel, also rund 600 Millionen Euro im Jahr 2023, soll besonders Erwerbstätige und Pensionistinnen entlasten. "Für den Finanzminister wäre es bequemer, die kalte Progression nicht abzuschaffen. Aber in der aktuellen Situation gibt es keine Bequemlichkeit", so Brunner.

Das Entlastungspaket der Bundesregierung sei "schnell, treffsicher und lenkend", so der grüne Klubobfrau-Stellvertreter Jakob Schwarz. Die 500 Euro Absatzbetrag würden für Selbstständige bereits ab September gelten. Sofortmaßnahmen wie jene können aber nur in Begleitung struktureller Maßnahmen funktionieren, so Schwarz.

Die Wirtschaftsinstitute WIFO und IHS haben die Berechnungen durchgeführt, die zu der Entscheidung des zwei Drittel Ausgleiches geführt haben. Dabei wurde die Inflation sowie die Verteilung der Einkommen prognostiziert. Verglichen wurden Szenarien, in denen der volle Betrag, gar nichts, oder eben zwei Drittel davon direkt wieder zurückbezahlt werden.

Inflation soll auch in den kommenden Jahren hoch bleiben

Je höher die Inflation, desto höher die Entlastung durch das neue Gesetz, sagte IHS-Direktor Klaus Neusser. Derzeit gehe man von einer Inflation von knapp 8 Prozent aus, und da sei ein möglicher Gaslieferstopp noch nicht eingespeist, so WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr. Die Inflationsrate werde auch in den nächsten Jahren hoch bleiben, die Effekte der Abschaffung der kalten Progression damit noch stärker. In geringem Maß sei davon auszugehen, dass sich das Gesetz kurzfristig inflationssteigernd auswirke. Das sei jedoch ein "Preis, den es Wert ist zu zahlen", so Felbermayr. Er betonte, dass die "Mitte der Bevölkerung" von der Abschaffung der kalten Progression am meisten profitieren werde. Für das Jahr 2023 rechnet das WIFO mit Nettolohnsteigerungen von 5,3 Prozent, während die Bruttolöhne nur um 1,3 Prozent steigen sollen.

Kritik von Opposition an Plänen der Regierung

Die NEOS sind von der Zwei-Drittel-Lösung nicht begeistert. "Momentan sieht die Rechnung nämlich wie folgt aus: Der Finanzminister nimmt Person A 100 Euro aus der Geldbörse und gibt ihr nur 67 Euro wieder zurück. Den Rest bekommt Person B. Das ist nicht gerecht und vor allem ist es keine 100-prozentige Abschaffung, wie es die Regierung den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern immer vorgaukelt", kritisierte Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker am Donnerstag in einer Aussendung. Zum wiederholten Male fordert er auch rückwirkende Abschaffung der kalten Progression, beginnend mit dem 1. Jänner 2022.

Auch die FPÖ fordert die rückwirkende Abschaffung. Zusätzlich brauche es jedoch auch kurzfristige, strukturelle Maßnahmen, die der Bevölkerung sofort helfen könnten wie etwa eine Senkung der Lohnnebenkosten. Das Zwei-Drittel-Modell stößt auch bei der FPÖ nicht auf Begeisterung. "Dass sich der Finanzminister von der Kalten Progression zukünftig ein Drittel zur spezifischen Verteilung wie ein Körberlgeld einbehält, ist etwas, das wohl bekannt war, in den nächsten Wochen innerhalb der Begutachtungsfrist des Gesetzesentwurfes aber dennoch nochmals abgeklärt werden muss", kündigte der FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer an.

Laut SPÖ sei das angestrebte Modell der Bundesregierung völlig ungeeignet. "Was die Regierung macht, hat eine schlechte Verteilungswirkung, weil 30 Prozent des Volumens der Steuersenkung automatisch an die oberen 20 Prozent der Einkommen gehen. Diese Änderung aber noch dazu als Maßnahme gegen die Teuerung zu verkaufen, ist reine Augenauswischerei", so der Finanzsprecher Jan Krainer.

AK & ÖGB fordern weitere Maßnahmen

Die Arbeiterkammer (AK) fordert schon seit Jahren die Abschaffung der kalten Progression und begrüßt, dass diese nun kommen soll. Bei der Umsetzung seien allerdings noch ein paar Fragen offen. Aus Sicht der AK sei es notwendig, dass bei Absetzbeträgen und Negativsteuern eine vollständige automatische Inflationsanpassung erfolge, da die Entlastung der Menschen mit niedrigen Einkommen besonders wichtig sei. "Was im Entlastungspaket der Bundesregierung fehlt, sind wirksame Maßnahmen, um den Sozialstaat armutsfest zu machen. Die hier geplanten Einmalzahlungen sind wenig nachhaltig, weil die Inflationsraten auch die nächsten Jahre hoch bleiben werden" kritisierte AK-Präsidentin Renate Anderl. Sie fordert, dass Interessensvertretungen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in die politischen Entscheidungen zur Verteilung des "politischen Drittels" einbezogen werden, da Arbeitnehmer den Großteil der kalten Progression einzahlen. Zustimmung bekam Anderl für diese Forderung von Ingrid Reischl, leitende Sekretärin des ÖGB.

(APA/Red)

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