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So hoch ist die Blackout-Gefahr in Österreich

E-Control und APG sehen keine Blackout-Gefahr bei Strom.
E-Control und APG sehen keine Blackout-Gefahr bei Strom. ©APA/BARBARA GINDL
E-Control und APG sehen keine Indikatoren, dass es in Österreich zu einem länger andauernden Blackout kommen könnte. "Das passiert nicht", so die Fachleute.
Blackout-Vorsorge in Österreich
Nur knapp Blackout entgangen

Bei der Energieregulierungsbehörde E-Control und dem Übertragungsnetzbetreiber APG sieht man keine Gefahr eines Blackout in der Stromversorgung - man scheut sich sogar, dieses Wort zu verwenden. "Einen überregionalen Ausfall über längere Zeit hatten wir noch nicht. Wir sehen auch keine Indikatoren, dass das einmal eintritt", sagte E-Control-Vorstand Alfons Haber am Donnerstag. Auch APG-Operator Tahir Kapetanovic wollte das Wort "gar nicht erwähnen, denn das passiert nicht".

E-Control und APG sehen keine Blackout-Gefahr bei Strom

Obwohl die Fachleute keine Anzeichen für großflächige, länger andauernde Stromausfälle sehen würden, sollte eine Beschleunigung von Infrastrukturprojekten ermöglicht werden, sagte Haber bei einer virtuellen E-Control-Tagung. Denn der Netzinfrastrukturausbau sei wesentlich für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit - wie auch ausreichend Kraftwerke und Speicher vorhanden sein müssten. Darauf verwies auch die E-Control-Expertin Christine Materazzi-Wagner, die derzeit Vorsitzende der Electricity Working Group von ACER ist, der Agentur der europäischen Regulierungsbehörden.

Zentrale Voraussetzung für eine sichere Versorgung sei "eine adäquate, ausreichende Netzinfrastruktur", unterstrich Kapetanovic, der Leiter des Kontrollcenters der Austrian Power Grid (APG). Wie fast alle Länder habe auch Österreich eine unzureichende Infrastruktur - und die Genehmigungsdauer sei "extrem lang", bei der Steiermark-Leitung mehr als ein Vierteljahrhundert, bei der Salzburg-Leitung über 15 Jahre. Unverzichtbar für die Betriebs- und Versorgungssicherheit seien thermische Kraftwerke mit einer abrufbaren Leistung. In ganz Europa sei hier ein neues Marktdesign nötig, denn eine "fehlende Marktperspektive erfordert die Absicherung ausreichender Kraftwerkspotenziale mittels Netzreserve". Der Techniker ist zudem Vorsitzender des System Operation Committee, des höchsten Netzbetriebs-Entscheidungsgremiums der Vereinigung europäischer Netzbetreiber ENTSO-E.

Der beschleunigte Erneuerbaren-Ausbau stellt die Übertragungsnetzbetreiber vor neue Herausforderungen, verwies Christoph Schneiders von der deutschen Amprion, einem der vier Player im Nachbarland, auf die Pläne der neuen deutschen Regierung bzw. von Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck. Noch ohne neue politische Zielvorgaben müsse Amprion mit 29 Mio. Menschen im Versorgungsgebiet über 24 Mrd. Euro in den nächsten zehn Jahren investieren. Auch auf den vorgezogenen Kohlestrom-Ausstieg habe man sich eingestellt und einen 10-Punkte-Plan entwickelt, um dies bewältigen zu können. "Die Führung des Netzes wird immer komplexer", sagte der Hauptabteilungsleiter für Netzführung und Systemsteuerung bei Amprion. Weil man nicht nur die eigene Regelzone mit einem Drittel des Verbrauchs in Deutschland technisch observieren müsse, verfüge man in Bruweiler bei Köln über einen 108 m2 großen Bildschirm, den größten in Europa und den drittgrößten weltweit, nach der NASA und der China State Grid.

Ursachen für Stromausfälle liegen meist nicht in Übertragungsnetzen

TU-Graz-Professor Herwig Renner sagte, die meisten Ausfälle gebe es in den Verteilnetzen - etwa durch Blitzschlag, Baumfall oder Baggerarbeiten. Nur sehr selten lägen die Ursachen in den Übertragungsnetzen. Aber selbst gegen die meist kleinen Ausfälle, die kein Stabilitätsproblem in der Versorgungssicherheit darstellen würden, lasse sich noch mehr tun. So könne mehr Ausfallsicherheit etwa durch mehr Erdkabel im Verteilnetz erreicht werden. Auf das Übertragungsnetz lasse sich das nicht übertragen, betonte der Experte vom Institut für Elektrische Anlagen an der Technischen Universität Graz. Gegen das Risiko Cybercrime sieht er die Netze gefeit: Sie seien ganz gut getrennt und von außen nicht zugänglich. Zudem plädierte auch er für einen "adäquaten Netzausbau".

In Österreich werden Stromerzeugung und -verbrauch auch in einem Jahrzehnt ungefähr gleich hoch sein, eher wird sogar leicht die Produktionsmenge überwiegen, sagte der Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der E-Control, Johannes Mayer. Für 2030 liege die Verbrauchsprognose für 2030 bei 85 Terawattstunden (TWh) jährlich, eher sogar mit einem Risiko nach oben. Denn es könnte mehr Strom aus der dann stärksten Erzeugungstechnologie Photovoltaik zur Verfügung stehen, weil viele PV-Anlagen schon eher 1.100 Stunden im Jahr arbeiten würden und nicht nur 1.000 Stunden, bei Windrädern sind es 2.200 bis 2.300 Stunden, während ein Jahr 8.760 Stunden hat. Aktuell liege der Stromverbrauch jährlich bei circa 73 bis 77 TWh, inklusive Wärmepumpen, Netzverlusten und dem Eigenbedarf von Kraftwerken; bereinigt um diese Faktoren sind es über 60 TWh energetischer Strom-Endverbrauch.

Die zentrale Kenngröße für die Versorgung in Österreich sei die Speicherreichweite, also wie lange die Wasservorräte in den Speicherkraftwerken reichen, so Mayer. In den letzten Jahren seien das drei, vier Wochen gewesen, künftig kämen hier wohl auch Wasserstoff oder große Batterien dazu. Aber schon eine mehr als 3- bis 4-wöchige "Dunkelflaute" ohne PV- und Windstrom sei unwahrscheinlich. Die im Kraftwerkspark installierte Leistung sollte bis 2030 von 24 Gigawatt (GW) um gut 17 GW auf 41 GW wachsen, großteils durch PV und Wind, in geringen Ausmaß durch Speicher- und Laufkraftwerke. Trotz der Überdeckung im System übers Jahr gesehen werde Österreich aber auch dann noch Strom importieren müssen, in einzelnen Stunden und saisonal bedingt: "Im Winter produzieren wir um einiges weniger als wir brauchen." Eine Unterdeckung sei wegen des E-Auto-Aufladens etwa in den Abendspitzen zu erwarten, unterm Strich werde man aber "eher das Problem von zu viel Energie lösen" müssen.

"Finstere Blackout-Prognosen" sollen Angst erzeugen

E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch ließ in seinem Statement mit Kritik aufhorchen. Er meinte, es gebe Netzbetreiber, die die Versorgungssicherheit nicht an der Dauer von Ausfällen messen würden, sondern an der Höhe der Rentabilitätskennzahl WACC (Weighted Average Cost of Capital) nach dem Motto: "Wenn der WAAC hoch ist, dann ist die Versorgungssicherheit hoch." Natürlich würden die Netzbetreiber eine angemessene Vergütung erhalten, so Urbantschitsch.

Auch würden manche Energieanbieter in ihrer Akquise "mit finsteren Blackout-Prognosen" arbeiten, um Kunden anzuwerben. "Man sollte aber keine Ängste erzeugen", betonte Urbantschitsch. Der Ausbau der Erneuerbaren und Versorgungssicherheit würden einander nicht ausschließen, nötig seien Investitionen in die Infrastruktur, die Erzeugungsstruktur und die Flexibilität.

(APA/Red)

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