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"Sniper" verteidigt sich selbst

Der als Heckenschütze von Washington angeklagte John Allen Muhammad tritt im Prozess überraschend als sein eigener Verteidiger auf.

Nicht sein bisheriger leitender Rechtsvertreter Peter Greenspun hielt am Montag vor einem Gericht in Virginia Beach (Virginia) das Eröffnungsplädoyer für die Verteidigung, sondern Muhammad selbst.

Es gebe zwei verschiedene Darstellungen der Ereignisse, sagte der 42-Jährige nach Angaben des Nachrichtensenders CNN mit Blick auf das voraus gegangene Plädoyer der Anklage. „Eine Seite lügt.“ Er wolle dazu beitragen, die Wahrheit zu finden und zeigen, dass er die ihm zur Last gelegten Verbrechen nicht begangen habe. CNN zufolge sprach Muhammad, der sich zum Prozessauftakt in der vergangenen Woche „nicht schuldig“ bekannt hatte, in einem ruhigen, höflichen Ton.

Der Golfkriegsveteran wird beschuldigt, zusammen mit dem inzwischen 18-jährigen Lee Boyd Malvo vor einem Jahr im Laufe von drei Wochen zehn Menschen aus dem Hinterhalt erschossen zu haben. In dem Verfahren geht es zunächst nur um einen der Morde: die Schüsse auf den Ingenieur Dean Meyers, der tödlich getroffen wurde, während er sein Auto betankte. Malvo soll wegen eines anderen der „Sniper“-Morde im November vor Gericht gestellt werden. Beiden droht im Fall eines Schuldspruchs die Todesstrafe.

Minuten vor dem Beginn der Eröffnungsplädoyers hatte Muhammad bei Richter LeRoy Millette den Antrag gestellt, sich selbst verteidigen zu dürfen. Der Richter warnte ihn, dass dies ein Fehler sei, gab dem Ersuchen dann aber statt. Das bisherige Verteidiger-Team wird in Bereitschaft bleiben, um dem Angeklagten auf Wunsch mit Rat zur Seite zu stehen. Rechtsexperten spekulierten, dass die Rechtsvertreter Muhammads ihren Mandanten im Prozess als geistig gestört darstellen wollten, um die Todesstrafe zu verhindern. Das könne Muhammad dazu bewogen haben, als sein eigener Verteidiger aufzutreten.

Zunächst hatte Staatsanwalt James Willett für die Anklage das Eröffnungsplädoyer gehalten. Zu Beginn öffnete er eine schwarze Tasche und zog Teile des Bushmaster-Gewehres heraus, das bei der Festnahme am 24. Oktober 2002 im Fahrzeug von Muhammad und Malvo gefunden worden war und als Tatwaffe gilt. Langsam baute er die Teile zusammen und errichtete ein dazu gehöriges Stativ. Willett zählte dann vor den Geschworenen die Morde auf, die den Männern vorgeworfen werden, und sprach von einem Berg von Beweisen für die Schuld des Angeklagten, die er im Prozess vorlegen werde. Den 24. Oktober nannte er den Tag, „an dem sich die Wolke der Furcht, die uns einschloss, langsam zu lüften begann“.

Der Prozess wird nach Schätzungen fünf Wochen dauern. Am Freitag war nach einer viertägigen Prozedur die Geschworenen-Auswahl abgeschlossen worden. Malvo war eigens für den Muhammad-Prozess nach Virginia Beach gebracht worden. Er soll im Verfahren wahrscheinlich aber nicht aussagen, sondern auf Antrag der Anklage im Gerichtssaal sitzen, damit ihn Zeugen als Mittäter identifizieren können.

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