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Smashing Pumpkins in Wien: Rock der Sonderklasse

Billy Corgan hat seine Band zurück - mit dem Publikum aber tut er sich noch ein bisschen schwer. Beim ersten regulären Österreich-Auftritt der Smashing Pumpkins nach der Wiedervereinigung war gestern, Donnerstag, die Wiener Stadthalle um einige Nummern zu groß für die Besucherzahl.

Doch Corgan hat mit zweieinhalb Stunden unverwechselbarer Show, mehr als zwei Dutzend Songs und der (willkommenen) Missachtung von heutigen Standard-Konzertklischees eines klar gemacht: Seine Pumpkins sind auch heute noch eine Ausnahmeerscheinung. Rock der Sonderklasse.

Und damit ist nicht jener silberne Rock gemeint, in dem Corgan auf die Bühne kam, im Schlepptau jene Musiker, die nun (da fast keine Originalmitglieder mehr dabei sind) als Smashing Pumpkins-Darsteller hinter dem Mastermind auftreten dürfen. Sondern jene trotz Härte filigrane, sich immer von Bruch zu Bruch hangelnde Musik, die so ist wie Corgans kehlig-gepresster Gesang: Ständig gefahrlaufend, an einer Wegkreuzung zu versanden, abzubrechen oder in die falsche Richtung weiterzustolpern, zögerlich, hart und intelligent zugleich.

Die Pumpkins transportieren, trotz Gitarrengedröhne, jenen Zweifel, jene Komplexität und jene Verlorenheit in der Musik, die sowohl dem als gediegen großkopfert verschrieenen Corgan persönlich als auch den dünnbeinigen, dafür von ihren musikalischen Simplizismen umso überzeugteren aktuellen Britpop-Lieblingen fehlen. Das geht erfrischend gegen den “Zeitgeist”, wie die Pumpkins ihr Comeback-Album benannt haben. Allein deshalb – willkommen zurück, wenn auch die am 15.2. erscheinende EP “American Gothic” beim ersten Reinhören nicht überzeugte.

Nach durchgängigen Klagen der Fans über miesen Sound auf der US-Tournee haben die Pumpkins auch beim – nach Prag – zweiten Europakonzert in Wien sich in einem Klanggewand präsentiert, das keineswegs glasklar war. Ganz im Gegenteil, es drückte sich derart viel im Mittenbereich herum, dass zuweilen kaum etwas an Feinheiten zu entziffern war. Doch wahrscheinlich darf man wegen der Konsequenz, mit der dieser Klang auf der Tour erzeugt wird, und in der Distanz zum Publikum, die dadurch geschaffen wurde, wohl ein Konzept der Band vermuten.

Eine Dosis Sperrigkeit gehörte ja seit jeher zur Band, und auch gestern wurde nicht nur im Klang das Publikum gefordert: Corgans Truppe absolvierte früh Hitnummern wie das fantastische “Tonight, Tonight” und einschmeichelnde Akustikgitarren-Einschübe, um dann zu einer nicht eben überwältigenden Lichtshow immer mehr ins musikalisch Abstruse abzudriften: Lange, amorphe Improvisations-Eskapaden in 70er-Jahre-Rock, psychedelische Klangexperimente und, zuletzt, eine mit den Zähnen gespielte, beklemmend traurige US-Bundeshymne (bei “United States”) können sowohl das heutige Emo-Kind als auch seine Ex-Gruftie-Mama im Publikum gehörig aus dem Hüpfen und ins Staunen bringen. Und gleichzeitig jene euphorisch machen, die von einem Rockkonzert mehr wollen als müde Wadeln, blaue Flecken von den sich vom Schulstress austobenden Kindern im Publikum und eine Saufvorlage. Rumstehen? Zuhören? Mitdenken? Das gibt’s bei Rockkonzerten? Ja, und danke für die Erinnerung daran.

Nach dem ersten Österreich-Gig beim Nova Rock-Festival im Vorjahr war das nunmehr erste vollständige Konzert der Pumpkins ganz großes Theater – ein Rock-Ball am Tage des Opernballs. Das Society-Event dürfte sich zu Corgan herumgesprochen haben: “Wir gehen jetzt zurück ins Hotelzimmer und hören uns ein bisschen Strauß an”, so Corgan vor dem letzten Song, im Hintergrund eine Walzer-Parodie am Schlagzeug. Und dann, nach 23 Uhr und der pathetischen Versicherung, dass die Pumpkins sich nicht wieder trennen werden, das Finish mit “Cherub Rock” – und die Gewissheit: Im Konzertjahr 2008 werden die Pumpkins einen der Spitzenplätze einnehmen.

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