AA

Sloweniens Präsident pfeift aufs Protokoll

Die Wandlung des slowenischen Staatspräsidenten Janez Drnovsek hätte grundlegender nicht ausfallen können. Er ist aufs Dorf gezogen, wo er sich als Bio-Bäcker zeigt.

Er hat fast alle seine Mitarbeiter entlassen und seiner Liberaldemokratischen Partei den Rücken gekehrt. Der 56-Jährige bekennt sich öffentlich zur buddhistischen Heilslehre und ist sich nicht zu schade, in einer Frauenzeitschrift als Lebensberater Tipps zu geben. „Die Umwandlung vom langweiligen Bürokraten zum Messias und Mystiker. Drnovsek zwischen Nirwana und Apokalypse“, analysierte die Zeitung „Novi list“ im Nachbarland Kroatien.

Vor 17 Jahren hatte er mit der überraschenden Wahl ins damals jugoslawische Staatspräsidium seine Blitzkarriere gestartet. Bis 2002 war er mit einer kurzen Unterbrechung zehn Jahre lang Regierungschef des dann unabhängigen Sloweniens. Seitdem steht er als Präsident an der Spitze dieses EU-Landes. Während der ganzen Zeit galt er als kalter Technokrat, der ohne Emotion jeden Schachzug genau geplant und die Öffentlichkeit tunlichst gemieden hatte. Auch seine Krebsdiagnose 1999 und die Entfernung einer Niere ein Jahr später wurde in diesem Stil „abgewickelt“: Ein schneller Eingriff unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Doch seit dem vergangenen Jahr ist nichts mehr, wie es einmal war. Sein Buch „Gedanken über Leben und Bewusstsein“, in dem er seine Landsleute zu einem bewussteren Leben samt fleischloser Ernährung und Kampf für die Tierrechte auffordert, war innerhalb von sieben Tagen vergriffen. Zur Gründung seiner „Bewegung für Gerechtigkeit und Entwicklung“ kamen mit 2.000 Menschen doppelt so viele wie erwartet. Drnovsek ließ sich mit einem Kranz aus Blumen und Blättern auf dem Kopf abbilden. Das öffentliche Geständnis des schon vor Jahren Geschiedenen, eine uneheliche 24-jährige Tochter zu haben, die in Dresden Musik studiert, brachte im landesweit Sympathien ein.

Für die Regierung Sloweniens wird Drnovsek aber immer mehr zum Albtraum. Ohne Absprachen bot er sich als Vermittler im sudanesischen Bürgerkrieg an oder machte Vorschläge für die südserbische Unruheprovinz Kosovo. Als einziger europäischer Staatsmann nahm er an der Amtseinführung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales teil, lobte die Vorzüge von Koka-Tee und zeigte sich in Indio-Outfit samt Mütze und Panflöte.

Ehemalige politische Freunde und vor allem alte Feinde sind unsicher, wie sie sich gegenüber dem „neuen Drnovsek“ verhalten sollen. Denn viele führen seine wundersame Wandlung auf eine neue Krebsdiagnose und den öffentlich gemachten Abschied von der Schulmedizin zurück. „Ich fühle mich gesund, also bin ich gesund“, antwortete der Staatschef vor kurzem auf die Frage nach seinem Befinden.

Andere Landsleute wollen aber auch einen politischen Hintergrund nicht ausschließen. Der von einigen schon als Guru bezeichnete Mann spreche mitten in der Krise heimischer Parteien viele Menschen an, die sich vom politischen Establishment nicht mehr vertreten fühlen. Sie könnten ihm bei der Wahl im kommenden Jahr noch einmal zu einem glänzenden Sieg verhelfen.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Sloweniens Präsident pfeift aufs Protokoll
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen