AA

Slowenien: Eine Stichwahl mit zwei Siegern

Selten gibt es bei einer Stichwahl zwei Sieger. Bei der slowenischen Präsidentenwahl am Sonntag schien dies der Fall gewesen sein.

Der Favorit, Ministerpräsident Janez Drnovsek (52), siegte mit gut 56 Prozent der Stimmen zwar klar, seine von der konservativen Opposition unterstützte Kontrahentin, Oberstaatsanwältin Barbara Brezigar (49), verhalf jedoch der bei den Parlamentswahlen vor zwei Jahren vernichtend geschlagenen Rechten zu ihrem besten Resultat bei slowenischen Präsidentenwahlen überhaupt. In Slowenien rätselt man nun, wie Brezigar ihr großes politisches Kapital künftig einsetzen will.

Der Sieg des liberaldemokratischen Ministerpräsidenten war für Beobachter keine Überraschung. Er fiel genauso hoch aus, wie ihn die Meinungsforscher prophezeit hatten. Eigentlich war das Rennen um das slowenische Präsidentenamt bereits in jenem Augenblick entschieden gewesen, in dem sich der amtierende Regierungschef nach langem Zögern zur Kandidatur entschloss. Neben dem scheidenden Präsidenten Milan Kucan ist er nämlich der beliebteste slowenische Politiker und genießt im In- und Ausland hohe Anerkennung.

Während der zehn Jahre an der Spitze der slowenischen Regierung machte er keinen Fehler, der ihm im Kampf um den Präsidentenposten wirklich hätte schaden können. Das relativ gute Abschneiden Brezigars im ersten Wahlgang am 10. November (fast 31 Prozent der Stimmen) weckte zwar Hoffnungen auf einen Sieg der konservativen Kandidatin, spornte aber auch die mitunter lethargische Liberaldemokratische Partei (LDS) und ihre Sympathisanten zu größerer Aktivität an.

Die stärkste politische Partei des Landes wird den Abgang ihres erfahrenen und populären Parteichefs erst einmal verkraften müssen, der ihren Stimmenanteil von 14 Prozent (1992) auf mehr als 36 Prozent (2000) mehr als verdoppelt hat. Ob die LDS bei den Parlamentswahlen im Jahr 2004 ein ähnlich gutes Ergebnis erzielen wird, bleibt vor allem nach dem guten Abschneiden Brezigars offen.

Die politische Fast-Quereinsteigerin Brezigar – sie war im Jahr 2000 einige Monate lang Justizministerin in der konservativen Übergangsregierung gewesen – will am Montag ihre Arbeit als Oberstaatsanwältin wieder aufnehmen. Politiker der slowenischen Rechten drängten sie aber am Wahlabend mehr oder weniger offen, auch künftig politisch tätig zu sein. Der christdemokratische Ex-Ministerpräsident Lojze Peterle deutete den Erfolg Brezigars als Beweis dafür, „wie viele Leute in Slowenien erkannt haben, dass Veränderungen notwendig sind.“ Oppositionsführer Janez Jansa bezeichnete Brezigar gar als „moralische Siegerin“.

„Brezigar hat gezeigt, dass die Rechte in diesem Land eine bedeutendere Rolle spielen könnte, wenn sie mit den richtigen Leuten antritt“, kommentierte die Laibacher Tageszeitung „Delo“ (Montagsausgabe). In der Tat hat sie als erste Vertreterin der Rechtsparteien im Wahlkampf nicht auf aggressive anti-kommunistische Rhetorik gesetzt. Vielmehr machte sie sich das Erfolgsrezept Drnovseks zu Eigen, vermied Festlegungen in ideologisch heiklen Fragen, und beteuerte unentwegt, die Menschen „verbinden“ und für mehr „Mitgefühl“ in der Politik sorgen zu wollen.

Der künftige Staatspräsident hinterlässt unterdessen geordnete politische Verhältnisse. Zu seinem Nachfolger hat er den als farblos, aber kompetent, geltenden Finanzminister Tone Rop (42) erkoren. Als Finanzminister dürfte Rop Medienberichten zufolge der äußerst populäre parteifreie EU-Chefverhandler und Europaminister Janez Potocnik nachfolgen.

An einem reibungslosen Verlauf der Regierungsbildung zweifelt in Laibach niemand, auch dazu gleich zwei Parlamentsabstimmungen (über den Ministerpräsidenten sowie über sein Kabinett) notwendig sind. Selbst die konservative Slowenische Volkspartei zeigt nämlich nach ihrem relativ guten Abschneiden bei den Lokalwahlen keinen Wunsch, die Mitte-Links-Koalition zu verlassen. Die beiden konservativen Oppositionsparteien Neues Slowenien (NSi) und Sozialdemokratische Partei (SDS) hatten nämlich bei den Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen am 10. November deutliche Einbußen hinnehmen müssen.

Ungewiss ist lediglich, wie die von Drnovsek eingefädelte Wachablöse vom starken linken Flügel der LDS aufgenommen wird. Die „Ideologen“ in der LDS sind nämlich bestrebt, nach dem Abgang des „Pragmatikers“ Drnovsek die soziale Komponente wieder in den Vordergrund zu schieben und angesichts der brennenden sozialen Probleme die „total kapitalistische“ Wirtschaftspolitik im Land zu korrigieren. Schließlich hatte auch Brezigar im Wahlkampf die sozialpolitische Bilanz der slowenischen Regierung frontal angegriffen.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Slowenien: Eine Stichwahl mit zwei Siegern
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.