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Slowakei: Regierungsbildung unter Zeitdruck

Fünf Parteien müssen sich innerhalb eines Monats einigen - die Beitritts-Entscheidungen zu EU und NATO finden nur wenige Wochen nach der Wahl statt.

Die Regierungsbildung nach den Parlamentswahlen in der Slowakei am 20. und 21. September wird unter erhöhtem Zeitdruck stehen. Wenige Wochen nach der Wahl treffen nämlich EU und NATO die Entscheidungen über die Beitrittsgesuche der Slowakei. Bis dahin will man in Preßburg klar stellen, dass der wegen seiner Amtsführung umstrittene Ex-Premier Vladimir Meciar und seine Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) nicht der kommenden Regierung angehören werden. Unter Meciar war die Slowakei in internationale Isolation geraten.

Nach der Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses werden die Sieger kaum Zeit zum Feiern haben. Die Regierungsbildung verspricht nämlich äußerst schwierig zu werden. Letzten Umfragen zufolge werden sich mindestens fünf Parteien auf ein gemeinsames Regierungsprogramm einigen müssen. EU- und NATO-Beitritt sind für alle Parteien, die voraussichtlich an der Bildung der neuen Regierung teilnehmen werden, vorrangige Ziele. Deshalb ist zu erwarten, dass sie rasch einen gemeinsamen Nenner finden.

Schon Mitte Oktober will die Europäische Kommission ihre jährlichen Fortschrittsberichte zu den EU-Beitrittskandidaten vorstellen. Es wird erwartet, dass sie darin auch grünes Licht für einen Beitritt der Slowakei im Jahr 2004 geben wird. Wenige Tage später soll diese Entscheidung beim EU-Gipfel in Brüssel (24. und 25. Oktober) bestätigt werden. Die NATO wird bei ihrem Gipfel am 21. und 22. November in Prag Einladungen an künftige Mitglieder aussprechen, zu denen auch die Slowakei gehören möchte.

Präsident Rudolf Schuster hat schon mehrmals erklärt, er werde eine Persönlichkeit beauftragen, die die Chance habe, möglichst rasch eine handlungsfähige Regierung zu bilden. Dies wird als klare Absage an Meciar gedeutet, dessen HZDS zwar stärkste Partei werden dürfte, aber ohne Koalitionspartner dasteht.

In Betracht kommen somit Robert Fico als Vorsitzender der zweitstärksten Partei Smer (Richtung), der Vorsitzende der Allianz des neuen Bürgers (ANO), Pavol Rusko sowie EU-Chefverhandler Jan Figel von den Christdemokraten (KDH). Der Konsenspolitiker Figel könnte eine integrierende Rolle bei der Bildung der künftigen Regierung spielen. Außerdem fühlt er sich in Brüssel wie zu Hause, was in der Schlussphase der EU-Beitrittsverhandlungen von Vorteil wäre.

Allem Anschein nach werden die slowakischen Politiker innerhalb eines Monats fähig sein, eine Koalitionsregierung zu bilden. Eine Einigung bis zum Brüsseler Gipfel hat auch bereits der EU-Botschafter in der Slowakei, Eric van der Linden, gefordert. Die Probleme bei der längerfristigen „Koexistenz“ der neuen Koalitionspartner werden aber bis dahin nicht gelöst werden können. Problematisch wäre vor allem die Kooperation der vier Mitte-Rechts-Parteien mit der linkspopulistischen Smer. Fico ist bisher einen klaren Konfrontationskurs zu seinen möglichen künftigen Regierungspartnern gefahren. Offen ist, ob er auch zur Kooperation fähig ist.

Ein zweites Problem ist die Ungarnpartei (SMK), die bisher der Stabilitätsfaktor in der slowakischen Regierung war. Sie hat offenbar genug davon, Zugeständnisse zu machen. Niemand weiß, wie KDH, ANO und die Slowakische Demokratische und Christliche Union (SDKU) des amtierenden Ministerpräsidenten Mikulas Dzurinda reagieren werden, wenn die SMK auf einer neuen territorialen Gliederung des Landes – mit einer mehrheitlich von Ungarn bewohnten Region – beharren sollte.

Außerdem ist die wirtschaftliche und soziale Lage der Slowakei alles andere als gut. Die hohe Arbeitslosigkeit (18 Prozent), das Budgetdefizit, die wachsenden regionalen Differenzen, und die Probleme der Roma werden die künftige Regierungskoalition auf eine harte Probe stellen. Allerdings könnte der Druck auch heilsame Auswirkungen auf die oft zu Hysterie neigenden Politiker des Landes haben. Über die Konsequenzen eines eventuellen Scheiterns bei den Verhandlungen mit EU und NATO wagt nämlich kein slowakischer Politiker nachzudenken.

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