Untergebracht war die überdachte Attraktion in der aufgelassenen Bahnhofshalle des damaligen Nordwestbahnhofs. Dank Holzgerüst schaffte man das nötige Gefälle. Neben einer Piste – zwei Wellen inklusive – lockten eine Sprungschanze mit Weiten von bis zu 20 Metern und eine Rodelbahn mit elektrischer Beförderungsanlage. Talwärts wurde auf Kunstschnee, basierend auf Soda, gekurvt.
Diese illustre Geschichte des “Schneepalastes” beim Tabor ist im Buch “Es begann in Wien – Eine Spurensuche im Schnee” nachzulesen, das anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Wiener Skiverbands – 1913 als Zusammenschluss von acht Vereinen gegründet – die historische Vorreiterrolle der Kaiserstadt und ihrer Umgebung detailreich bejubelt. Wobei der “Erste Wiener Skiclub” bereits am 31. Oktober 1891 aus der Taufe gehoben wurde. Einige Jahre zuvor hatten Berichte über die Grönland-Expedition von Fridtjof Nansen die Kunde von zwei an Beinen befestigten Holzbrettern den Weg von Norwegen in die K.-u.-k.-Monarchie geschafft.
Geschichte des Skiports in Wien
Erste Rennen mit den noch ungewöhnlichen Geräten wurden schon bald an Wiens Peripherie veranstaltet, beispielsweise auf der Michaelerwiese in Pötzleinsdorf. Der Cobenzl lud zum “Skiübungsplatz mit täglichem Unterricht”, in der Stadt sprossen einschlägige Geschäfte aus dem Boden, die etwa “Spezialitäten von in Christiania (heute Oslo, Anm.) selbst ausgesuchten Skibrettern” anpriesen. Vorbehalten war das Pistenvergnügen freilich die erste Zeit nur der Hautevolee. Anfang der 1920er-Jahre erreichte das Phänomen dann langsam breite Schichten – und zwar nicht nur dank der Errichtung einer Seilbahn am Wiener Hausberg Rax (1926), sondern auch infolge populärer Filme mit klingenden Titeln a la “Das Wunder des Schneeschuhs”.
Neben Wien spielte in den Anfangsjahren der Skifahrerei auch das niederösterreichische Lilienfeld eine wesentliche Rolle. Nicht nur, dass 1905 am nahegelegenen Muckenkogel der erste Torlauf der Geschichte stattfand, erfand dort ein gewisser Mathias Zdarsky gewissermaßen die alpine Skilauftechnik, indem er die Bretter kürzte, Stemmbögen fuhr und einen Stock einsetzte. Dem darauffolgenden, an Skurrilitäten nicht armen Ideologiekrieg zwischen “Norwegern” und “Alpinen” ist im Buch ausführlich Platz gewidmet.
Wien verlor “Ski-Prestige”
Zäsuren gab es aber nicht nur aufgrund abfahrtstechnischer Revolutionen. Die beiden Weltkriege hatten freilich auch Auswirkungen auf den Skisport im Allgemeinen und die Vereinskultur im Besonderen. So wurden aufgrund des “Arierparagraphen” jüdische Sportler aus Verbänden ausgeschlossen – ein dunkles Kapitel der heimischen Sportgeschichte, das durchaus eine intensivere Beleuchtung der beiden Autoren Josef Metzger, Sportjournalist, und Hermann Gruber, Präsident des Wiener Skiverbands, vertragen hätte. Stattdessen rückt das Duo vorrangig frühere Größen der aus Wien und Umgebung stammenden Skifahrerriege in den Mittelpunkt.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verblasste der Glanz Wiens im internationalen Skizirkus zusehends. Zwar feierte man 1966 auf der Hohe-Wand-Wiese in Mauerbach noch das erste Fluglichtrennen der Geschichte, doch das Remmidemmi um die weiße Pracht war längst woanders hingezogen. Daran konnte auch die Skisprungschanzen in Hadersdorf-Weidlingau, am Cobenzl und gegenüber dem Bahnhof Hütteldorf – letztere war bis Ende der 1970er-Jahre in Betrieb – nichts ändern.
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(APA)