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Skandal um Bush und Enron-Pleite

US - Präsident Bushs Schmusekurs mit dem Boss des weltgrößten Energiehandelskonzerns wird nach dessen Milliardenpleite genau unter die Lupe genommen.

Es ist die größte Skandalgeschichte, die in der amerikanischen Kriegsberichterstattung weitgehend untergegangen ist: der Zusammenbruch des weltgrößten Energiehandelskonzerns Enron, der Anfang Dezember mit Milliardenschulden Gläubigerschutz beantragte. Pikant daran sind die engen Verbindungen von US-Präsident George W. Bush und seiner Ministerriege mit ihrem Duzfreund und Enron-Chef Kenneth Lay. Kommentatoren ziehen bereits Parallelen zu dem Whitewater-Skandal um dubiose Immobiliengeschäfte, der die Präsidentschaft von Bill Clinton jahrelang überschattete.

„Enron wird nicht Bushs Whitewater. Es wird viel schlimmer“, orakelt der Chefredakteur des Online-Dienstes CBS.MarketWatch.com, David Callaway. „Viele rechnen jetzt damit zu erfahren, wie man in Texas Geschäfte macht. Wie eine kleine Gruppe von Geschäftsleuten riesigen Einfluss auf Bush und sein Team ausübt und erreicht, dass die Regeln in ihrem Sinne abgeändert werden.“

Lay und Enron haben Politiker beider Parteien jahrelang mit großzügigen Spenden versorgt. Allein im Wahlkampf 2000 sollen 800.000 Dollar (896.760 Euro/12,34 Mill. S) geflossen sein. Bush soll für seinen Gouverneurswahlkampf in Texas und das Rennen um die Präsidentschaft mehr als 600.000 Dollar bekommen haben. Justizminister John Ashcroft, von Enron im Wahlkampf mit mehr als 25.000 Dollar bedacht, verabschiedete sich diese Woche wegen Befangenheit aus der Strafuntersuchung seines Ministeriums der Millionenpleite.

Nachdem der Bankrott, bei dem Investoren, Aktionäre und Angestellte Millionen Dollar verloren, lange kaum eine Rolle in den Medien spielte, muss Präsident Bush sich plötzlich unangenehme Fragen gefallen lassen. „Ich habe mit Herrn Lay niemals über die finanziellen Probleme seines Unternehmens gesprochen“, verteidigte sich Bush. Er selbst habe den texanischen Geschäftsmann im Frühjahr zuletzt gesehen. Bei seinem Vize Richard Cheney gingen Enron-Manager jedoch ein und aus. Insgesamt sechs Mal bis Mitte Oktober, berichtete das Weiße Haus. Cheney arbeitete an einem neuen Energiekonzept, und hatte – sehr zum Ärger zahlreicher Umweltschützer – stets ein offenes Ohr für Industrievertreter. Die finanzielle Lage des Unternehmens sei auch dabei nie zur Sprache gekommen.

Während Aktionäre und Angestellte, die ihre Pensionsansprüche auf Drängen Enrons fast ausschließlich in Form von unternehmenseigenen Aktien hielten, noch an den großen Erfolg des Unternehmens mit kometenhaftem Aufstieg glaubten, griff Lay im Oktober zum Telefon und sprach mit Finanzminister Paul O’Neill und Handelsminister Donald Evans. Sein 1985 gegründetes Unternehmen sei auf Bankrottkurs, sagte Lay. Ein reines Informationsgespräch mit „Ken“, wie O’Neill den Enron-Boss im Fernsehen vertraulich nannte. Hat Lay ihn um Hilfe gebeten? „Absolut nicht“, beteuerte der Minister.

Während mehrere Enron-Manager bei hohen Aktienkursen Papiere in Milliardenwert verkauft hatten, schauten bei dem Absturz des Unternehmens vor allem die 20.000 Angestellten in die Röhre: das Unternehmen untersagte ihnen im Herbst den Verkauf ihrer Anteile im Pensionsfonds. Tatenlos mussten sie dem Verfall des Enron-Kurses zusehen: von 85 Dollar vor einem Jahr auf jetzt rund 0,66 Dollar. Viele verloren ihre gesamten Ersparnisse für den Lebensabend.

Dass Bush oder seine Minister sich in der Enron-Pleite direkt etwas zu Schulden kommen ließen, halten Beobachter für unwahrscheinlich. Doch der Schmusekurs der Enron-Bosse mit der Bush-Regierung dürfte nach ihrer Ansicht noch manche Peinlichkeit über den Einfluss der Industriebosse auf die Regierungspolitik zu Tage fördern. Inzwischen beschäftigen sich mehrere Kongressausschüsse, die Börsenaufsicht, das Justiz- und das Arbeitsministerium mit der Millionenpleite. Untersucht wird, ob das Unternehmen Investoren, Aktionäre und Angestellten Informationen über die prekäre Finanzlage vorenthalten hat.

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