Nightline.cc: Das Thema Nummer 1 wenn es um dich geht, ist wohl zur Zeit deine Tätigkeit als Juror bei Popstars …
Sido: Findste? Schade, ich wäre lieber mit meiner Musik am berühmtesten …
Nightline.cc: Natürlich, aber das ist eben wohl die Geschichte, wo du zurzeit am Meisten präsent bist. Da meine Frage, wie das bislang lief, und wie sehr sich für dich dadurch deine Rolle in der Mediengesellschaft verändert hat?
Sido: Mein Leben hat sich insofern verändert, dass ich jetzt richtig viel zu tun habe. Dieses Fernseh-Business ist nun mal ganz anders als das Musik-Business. Wenn du im Fernsehen bist, musst du einfach von 8 Uhr morgens oder so bis 8 Uhr morgens am Start sein, und die ganze Zeit musst du frisch aussehen. Aber ansonsten würde ich sagen, mein Gesicht – also wie die Leute mich jetzt in der Medienwelt sehen -, ich denke schon dass andere Leute mich jetzt auch mögen. Und mich jetzt auch mal ohne Maske sehen, und merken dass ist ja doch ein ganz normaler Typ, obwohl er rappt, weißt du? Und im Grunde bin ich auch ein normaler Typ, ich komm nur aus einer anderen Gegend. Aber ich bin auch ein Mensch. Ich bin einer von allen. Hie und da sage ich Sachen anders, und ich denke über Sachen anders, meine Grenzen und meine Auffassungen von Ethik und Moral ist vielleicht eine andere. Aber trotzdem bin ich auch nur ein Mensch.
Nightline.cc: Und würdest du die Entscheidung, in die Jury zu gehen, nochmals treffen? Oder war es dir im Endeffekt zu viel Action?
Sido: Es war schon sehr, sehr viel Arbeit. Und ich bin eigentlich faul. Das hat einfach nichts mit Musik zu tun, und wenn es Sachen sind die mich wirklich einfach extrem interessieren, und es ist meine Musik, und es ist mein Business, dann arbeite ich sehr fleißig. Aber das ist eben mal nicht wirklich mein Business, das war so eine Sache in die ich mal reinschnuppern wollte, und ich fand das auch sehr interessant. Und ich sage, wenn ich nicht den dicken, fetten Patzen Kohle auf dem Tisch liegen habe beim nächsten Mal, dann mache ich es nicht mehr.
Nightline.cc: Alles klar. Wenn wir schon beim Patzen Kohle sind, du bist ja mit deinem jüngsten Album im Frühjahr gleich mal auf der Eins eingestiegen, als erstes deiner Alben überhaupt ganz oben in den Charts. Ist das jetzt die Messlatte für die nächsten Alben?
Sido: Naja, normalerweise müsste man ja sagen, man muss immer besser werden. Geht ja jetzt nicht mehr. Also, man kann froh sein, dass man mal eine Eins hatte. Und wenn es noch mal eine Eins wird, umso besser. Aber wenn es das nächste mal keine Eins wird, dann kann man sich sicher sein, dass es mein letztes Album war. Weil man soll immer aufhören, wenn es am Besten wird. Und da ist es dann sogar schon auf dem Weg nach unten, das ist dann sogar schon zu spät. Dann würde ich aufhören.
Nightline.cc: Gibt´s für dieses nächste Album schon Pläne, wann es rauskommen soll? Bist du im Studio?
Sido: Ich bin im Studio für den Soundtrack zu meinem Film. Das ist das einzige, woran ich gerade arbeite, das wird aber auch sehr Album-mäßig, sehr viele neue Songs. Also fast wie ein eigenes Album, nur eben als Soundtrack.
Nightline.cc: Und der Film ist schon im Kasten?
Sido: Nein, der Film ist noch nicht im Kasten.
Nightline.cc: Wenn wir auf deine, oder besser eure Labels, zu sprechen kommen, Sektenmuzik ist ja zum Beispiel noch relativ frisch am Start. Wie zufrieden bist du damit, wie läuft´s?
Sido: Sektenmuzik läuft dementsprechend. Also, wir verausgaben uns ja nicht, und wir verrechnen uns ja nicht. Wir wissen, wie viel Budget wir für jedes Release haben, wir wissen ungefähr wie viel man verkauft, also wir rechnen jetzt nicht mit 10.000 oder irgendwas, weißt du, also wir bleiben da bescheiden. WIr wissen, dass man ohne viel Geld vorher nicht viel Platten verkauft. Ohne viel Promo kannst du nicht viel Platten verkaufen. Und wir wollten das mit den Jungs genau so aufziehen, wie wir das damals gemacht haben. Die sollen sich selber erstmal bekannt machen, und sich selber erstmal einen Namen machen. Und nicht glauben, das erste Album ist das Album bei dem man gleich mal 100.000 Euro Promo investiert. Und dann funktioniert vielleicht mal ein Album, aber das ist noch gar nicht so gut, weil es eben das allererste Album von den Jungs war. Also die sollen alle erstmal eine Weile Musik machen, wir bieten denen jetzt eine Plattform, die Platten raus zu bringen. Und wenn wir der Meinung sind, die sind der Knaller, und die haben jetzt die Übersingle, und die haben jetzt genau das Ding, dann investieren wir auch. Wie Alpha Gun damals mit “Ich bin ein Ausländer” zum Beispiel, das Ding hat funktioniert. Das war ein Song der hat funktioniert, wir wussten, dazu machen wir ein Video was auch jeden Fall im Fernsehen laufen wird. Da können wir mehr Geld ausgeben, und für Alpha haben wir auch dick investiert. Bei den anderen warten wir eben auf den richtigen Song, und solange der nicht da ist, releasen wir eben mit kleinerem Budget.
Nightline.cc: Wie siehst du 2008 überhaupt den Status Quo von Rap in Deutschland, oder allgemein im deutschsprachigen Raum? Die Jahre davor ging´s ja steil bergauf, ist der Höhepunkt erreicht?
Sido: Ja, der Höhepunkt ist auch schon wieder vorbei, weiß du. Es hat sich herauskristallisiert, dass es 2 Leute sind, die gut Platten verkaufen, und der Rest muss sich mit höchstens 50.000 Verkauften zufrieden geben. Und die 50.000 verkaufen auch nur eine Hand voll. Und darunter kämpfen sie alle, dass sie mal 10.000 verkaufen.
Nightline.cc: Was fällt dir zu Rap in Österreich ein?
Sido: Ich bin da gerade eben mehr in der Schweiz als in Österreich.
Nightline.cc: Vor allem in Berlin gibt es bei Rappern und Rap-Bands immer wieder elektronische Einflüsse, Techno-Einflüsse. Ist das speziell wegen Berlin und der Rolle Berlins als Techno-Hauptstadt?
Sido: Ich weiß, dass viele von den Hip Hop-Jungs auch gerne mal auf eine Techno-Party gehen. Und sich dann die einschlägigen Drogen reinpfeifen und so, ich glaube sowas bleibt einfach hängen. Man hat da auch soviel Spass, und Berlin ist einfach geprägt von Electro und Techno. Irgendwie nach Detroit und so ist Berlin die zweite Stadt gewesen, wo es Techno groß gab. Wo Techno etwas Besonderes war, und wo es auch herkommt. Und deswegen muss ich schon sagen, dass wir geprägt sind von diesem Techno-Ding. Wir sind viel auf Techno-Partys, wir schämen uns auch nicht Techno zu hören, weißt du, wir sind alle stolz, dass wir Techno haben. Das einzige Stück deutscher Kultur das wir haben, was die Jugendkultur betrifft. Wir haben natürlich auch Schlagermusik, und Volksmusik und so Sachen, das ist auch deutsche Kultur, aber Techno ist die einzige deutsche Jugendkultur, die wir haben. Und wir Deutschen tun uns immer ein bisschen schwer mit einer eigenen Kultur, wir sind nicht wie die Franzosen oder die Engländer, oder die Amis die jede Woche eine neue Sache erfinden, weißt du. Das bisschen, was wir da gemacht haben, das soll man uns bitte auch nicht nehmen. Und deswegen sind wir da so stolz drauf.
Nightline.cc: Was sagst du dazu, dass in Berlin immer mehr Clubs zusperren müssen, weil dort gebaut wird, wie etwa bei der Bar25? Was sagst du generell zur Berliner Club-Szene?
Sido: Diese Clubs sind oft in Gegenden, wo es nicht so viel Geld gibt. Wo viele Touris sind, also nicht Touris selbst, sondern eher Studenten und so, die nach Berlin gekommen sind und die es sich natürlich auch einteilen müssen. Für diese Szene gibt´s einfach kein Geld. Die Leute, die Geld haben, gehen in diese Clubs die auf Dächern aufmachen. Diese ganzen Clubs, und die laufen auch wirklich gut, da steht man Schlange, und da will man unbedingt rein. Ich weiß nicht, ob du das kennst, diese ganzen Penthouse-Dinger, so oben, mit dem Fahrstuhl hoch in den obersten Stock, diese Dinger laufen echt wie die Hölle, weißt du. Die ganzen kleinen Dinger, für die es kein Geld gibt, wo man wirklich so die Bionade für 2 Euro verkaufen muss, weil die Leute nicht mehr Geld haben, da kannst du leider auch nicht lange offen haben, das geht nicht.
Nightline.cc: Wäre es für dich eigentlich vorstellbar, aus Berlin fortzuziehen, oder bist du da so verwurzelt, dass das für dich nie in Frage käme?
Sido: Für mich würde es schon in Frage kommen, irgendwann mal von Berlin wegzuziehen, ich bin da jetzt nicht so .. natürlich ist es meine Heimat, und ich würde immer sagen ich bin Berliner, egal wo ich wohnen würde. Aber grundsätzlich, wenn sich irgendwo etwas Wunderschönes anbietet, was so richtig Spießiges, dann würde ich das auch in Kauf nehmen.
Nightline.cc: Die USA wären kein Thema?
Sido: Nein, nein. Ich hasse Amerika, weißt du. Also ich bin da ganz gerne mal zu Besuch, und wenn der Dollar gerade Scheiße ist, gehe ich auch ganz gerne mal dort einkaufen, aber ansonsten könnte ich dort nicht wohnen. Die Menschen sind einfach ganz anders, eine ganz andere Welt.
Nightline.cc: Gibt es für dich als Vater eine Message an junge Mütter, junge Väter?
Sido: Wenn man jung Kinder bekommt, dann hat man das Problem, dass man irgendwann merkt: man hat sein Leben nicht gelebt, weißt du? Und das kann ein großes Problem sein. Aber man muss immer kucken, dass man mit den Konsequenzen lebt. Und man die paar Jahre hat, wo man sich jetzt zusammen reißen muss, weil das Kind natürlich auch schreit, und man nicht auf Partys gehen kann. Und vielleicht unterstützt einen auch keiner, oder was auch immer. Man soll einfach die paar Jahre überstehen. Wenn man ein Kind hat, wird es die schönste Zeit, und man wird auch schneller erwachsen. Man soll es einfach als Wink des Schicksals nehmen, dass man schneller erwachsen wird. Wer weiß, was passiert wäre, wenn du dein jugendliches Leben einfach weitergelebt hättest. Vielleicht wärst du irgendwo auf der Toilette geendet oder so. Vielleicht ist es ein guter Wink des Schicksals.
Nightline.cc: Ist im Hinterkopf bei dir auch noch Nachwuchs in Planung?
Sido: Also, im Moment plane ich so was nicht. Nicht dass ich sage, es würde nicht in Frage kommen, aber ich glaube es eher nicht.
Nightline.cc: Danke für das Interview!
