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Serbische Parteien ringen um Wählergunst

Knapp drei Wochen vor der vorgezogenen Parlamentswahl in Serbien sind die politischen Parteien und Bündnisse intensiv bemüht, die Konkurrenz durch Wahlversprechen zu schlagen.

Die für die serbische politische Szene seit 1990 typischen Wahlkämpfe, die sich auf die wahren oder auch erfundenen Affären bei der Konkurrenz konzentrierten, blieben dieses Mal so gut wie aus. Der einigermaßen überraschende Erfolg der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei bei der (gescheiterten) Präsidentenwahl im letzten November, bei der ihr Kandidat Tomislav Nikolic mit 1,2 Millionen Stimmen auf den ersten Platz vordrang, führte offensichtlich zur Ernüchterung im demokratischen Parteienblock.

Um weitere unnötige Einbußen zu verhindern, entschlossen sich die führenden demokratisch ausgerichteten politischen Parteien, sich im Wahlkampf so gut wie nicht gegenseitig anzugreifen. Eine eher seltene Ausnahme stellen dabei die anhaltenden Beteuerungen von Politikern der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) dar, die samt Parteichef Vojislav Kostunica eine Regierungskoalition mit der Demokratischen Partei, die bei der Wahl von Boris Tadic angeführt wird, völlig ausschließen. Die Partei Kostunicas steht bei den meisten Umfragen zusammen mit den Ultranationalisten in Führung. Kostunica wirft dem früheren wichtigsten Bündnispartner aus der bisher regierenden Demokratischen Opposition Serbiens (DOS) vor, die größte Verantwortung für die grassierende Korruption, Gesetzesdeutung nach Belieben und die Zerstörung des Ansehens der staatlichen Institutionen zu tragen.

Im Großen und Ganzen sind aber die politischen Parteien und Bündnisse – inzwischen sind schon mehr als ein Dutzend im Rennen – bemüht, mit häufig völlig wirklichkeitsfremden Wahlversprechen um die Wählergunst zu ringen. Den Rekord halten zur Zeit noch immer die Ultranationalisten, deren Spitzenkandidat Vojislav Seselj aus dem Gefängnis des UNO-Kriegsverbrechertribunals ebenfalls um einen Abgeordnetensitz bemüht ist. Die Serbische Radikale Partei hatte bereits im Wahlkampf für die Präsidentenwahl die sofortige Senkung des Brotpreises von derzeit 30 auf drei Dinar versprochen, soviel wie das Brot in den späten neunziger Jahren gekostet hatte, als sie zusammen mit den Sozialisten des jugoslawischen Ex-Staatschefs Slobodan Milosevic an der Macht waren. Nikolic kündigte gegenüber einem lokalen TV-Sender in Novi Sad erneut auch den Einsatz für ein „Groß-Serbien“ mit Staatsgrenzen in West-Kroatien an, um nach negativen Reaktionen schleunigst auf eine Fehldeutung seiner Aussage hinzuweisen.

Das Topthema des Wahlkampfes sind neue Arbeitsplätze. Angesichts der hohen Arbeitslosenzahl, die nach offiziellen Angaben knapp unter einer Million liegt, ist dies keineswegs überraschend. Als erste hatte die Expertenpartei G17plus angekündigt, in der bis jetzt stark vernachlässigten Textil- und Lederbranche 150.000 neue Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Die Partei befürwortet dabei eine aktive Staatshilfe für die arbeitsintensiven Branchen.

Die Konkurrenz reagierte prompt. Ex-Staatschef Milosevic, einer der bis jetzt vier oder fünf Haager Angeklagten auf den Kandidatenlisten, hatte in einer Telefonansprache an seine Sozialistischen Partei gleich eine Million Arbeitsplätze in Aussicht gestellt. Auch die Demokratische Partei des ermordeten Regierungschefs Zoran Djindjic wollte nicht zurückbleiben. Sie will 500.000 Arbeitsplätze schaffen, zum Teil auch durch die Legalisierung der Schwarzarbeit.

Der ehemalige langjährige Oppositionsführer Vuk Draskovic, dessen Serbische Erneuerungsbewegung gute Aussichten hat, im Bündnis mit dem kleinen Neuen Serbien von Velimir Ilic die Fünf-Prozent-Hürde knapp zu überspringen, will in populistischer Manier alljährlich zwischen 80.000 und 100.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Bei heiklen Themen, zu denen etwa die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal für Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien oder auch die Statusfrage der mehrheitlich von Albanern bewohnten und derzeit von der UNO verwalteten südserbischen Provinz Kosovo gehört, geben führende Politiker meist unpräzise Antworten, um mit dem Hinweis auf die internationalen Verpflichtungen Belgrads potenzielle Wähler nicht zur Konkurrenz zu treiben.

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