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Serbien: Vierter Wahlgang

In Serbien findet am Sonntag die bereits vierte Präsidentenwahl seit September 2002 statt. Die Republik wird wohl einen Nachfolger des Präsidenten Milan Milutinovic bekommen.

Eine Entscheidung wird erst in der Stichwahl am 27. Juni erwartet – nicht zuletzt wegen der großen Anzahl von Kandidaten. Insgesamt bewerben sich 15 Kandidaten, wobei sich zwei Favoriten heraus kristallisierten: Der Spitzenkandidat der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), Tomislav Nikolic, und der Vorsitzende der oppositionellen Demokratischen Partei (DS), Boris Tadic.

Die drei vergangenen Urnengänge waren an der zu geringen Wahlbeteiligung gescheitert. Das in der Ära von Ex-Präsident Slobodan Milosevic erlassene Gesetz schrieb eine Beteiligung von mindestens 50 Prozent sowohl im ersten Wahlgang als auch in der Stichwahl vor. Diese Bestimmung wurde nach der ersten gescheiterten Wahl zwar teilweise abgeändert, doch die Wirkung war gleich Null, weil die 50-Prozent-Hürde nach wie vor für den ersten Wahlgang galt. Erst im Februar dieses Jahres wurde die Bestimmung über die Mindestbeteiligung gestrichen.

„Opfer“ des alten Wahlgesetz war der erste demokratische Präsident Jugoslawiens, der derzeitige serbische Ministerpräsident Vojislav Kostunica. Trotz überzeugender Siege erlangen die Wahlen wegen der zu niedrigen Beteiligung keine Gültigkeit. Aus dem selben Grund scheiterte ein Mal auch der Ultranationalist Nikolic.

Für das Präsidentenamt kandidieren 15 Personen, die höchste Anzahl von Kandidaten seit der ersten Mehrparteienwahl 1990, als sich neben Milosevic 31 Außenseiter um das höchste Staatsamt bemühten. Die hohe Kandidatenzahl wird nicht nur mit der erprobten Parteientaktik erklärt, den Sieg eines Oppositionskandidaten im ersten Urnengang zu verhindern. Sie dürfte auch an den für die serbischen Verhältnisse üppigen Geldern liegen, die dem Wahlsieger, aber auch anderen Kandidaten zukommen werden. Aus dem Regierungsbudget wurden für die Präsidentenwahl 228 Millionen Dinar (3,2 Mio. Euro) bereitgestellt. Der Sieger erhält 80 Prozent davon.

Laut allen Umfragen sind Nikolic und Tadic die beiden großen Favoriten. Kleinere Chancen, in die Stichwahl einzuziehen, haben noch der Präsidentschaftskandidat der Regierungskoalition, Dragan Marsicanin, sowie einer der reichsten serbischen Unternehmer, Bogoljub Karic. Der Chef der Unternehmerfamilie hat inzwischen auch eine eigene Partei, die Kraft Serbiens (Snaga Srbije), gegründet. Den restlichen elf Präsidentschaftskandidaten, darunter auch die Kusine des Thronprätendenten Alexander Karadjordjevic, Elisabeth, die Mutter der US-Schauspielerin Catherine Oxenberg, werden keine Chancen eingeräumt.

Zum ersten Mal werden an der serbischen Präsidentenwahl auch Auslandsserben teilnehmen können. Das Interesse ist aber äußerst gering. In 58 Staaten ließen sich nur 10.020 Bürger Serbiens registrieren, in Österreich weniger als 1.000 Personen. Im Ausland leben mehrere Hunderttausend Serben. Eine Wahl wird nun nur in 18 Staaten, wo sich mehr als 100 Wähler registrieren ließen, stattfinden. Davon erfasst sind etwa 8.000 Personen.

Wahlberechtigt sind insgesamt 6.531.549 Bürger Serbiens, 90.000 davon im Kosovo. Die 8.596 Wahllokale haben von 07.00 Uhr bis 20:00 Uhr geöffnet. Die ersten inoffiziellen Wahlergebnisse werden vom nichtstaatlichen Zentrum für Freie Wahlen und Demokratie (CESID), das mit seinen Wahlbeobachtern den Wahlverlauf sowohl im Land wie auch im Ausland verfolgen wird, gegen 22:00 Uhr mitgeteilt. Die offiziellen Endergebnisse werden spätestens bis 17. Juni 20:00 Uhr vorliegen.

Eine potenzielle Wahlbombe wird am 10. Juni erwartet, wenn vor dem Belgrader Gericht der Hauptangeklagte im Mordfall Djindjic, der Ex-Kommandant der Spezial-Polizeieinheit „Rote Barette“, Milorad Lukovic (Ulemek) „Legija“, aussagen wird. Da aber in Serbien der Wahlkampf 48 Stunden vor dem Urnengang endet, werden Tadic und seine Partei kaum noch eine Möglichkeit haben, Stellung zu den Behauptungen von Lukovic zu nehmen.

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