Separatisten wollen Beitritt zu Russland beantragen

Nach Abschluss der Scheinreferenden in vier russisch besetzten Regionen der Ukraine haben die Separatisten in Luhansk und Cherson Russland um die Annexion dieser Gebiete gebeten. Der Separatisten-Anführer in Luhansk, Leonid Passetschnik, nannte Russland den "Heimathafen", in den die Bevölkerung zurückkehren wolle. Das russische Außenministerium verteidigte die Referenden als "im Einklang mit internationalem Recht".
Man werde bald Maßnahmen ergreifen, um den Wunsch der vier Regionen nach einem Anschluss an Russland zu erfüllen, hieß es in Moskau. Die Duma in Moskau will Anfang nächster Woche über die Annexionen entscheiden. Die Ukraine forderte unterdessen weitere Militärhilfen vom Westen.
"Die Bürger der Luhansker Volksrepublik haben eine leuchtende und blühende Zukunft gewählt", teilte der dortige Separatistenführer Leonid Passetschnik am Mittwoch auf Telegram mit. Auch die Region Saporischschja will sich noch am Mittwoch mit der Bitte um Aufnahme an Putin wenden.
Leonid Passetschnik, nannte Russland den "Heimathafen", in den die Bevölkerung zurückkehren wolle. Die Duma in Moskau will Anfang nächster Woche über die Annexionen entscheiden. Die Ukraine forderte unterdessen weitere Militärhilfen vom Westen.
Besatzungsverwaltungen sprachen von Zustimmung für Russland-Beitritt
Am Dienstag hatten die von Moskau eingesetzten Besatzungsverwaltungen auch in den Gebieten Donezk und Cherson nach den als Völkerrechtsbruch kritisierten Urnengängen von großer Zustimmung für einen Beitritt zu Russland gesprochen. Die Scheinreferenden, die seit vergangenem Freitag unter großem internationalen Protest insgesamt fünf Tage lang abgehalten worden waren, werden weltweit nicht anerkannt, weil sie unter Verletzung ukrainischer und internationaler Gesetze sowie ohne demokratische Mindeststandards abgehalten wurden.
Passetschnik hat Botschaft an Putin
Passetschnik erklärte in einer Botschaft an Putin, er bitte diesen, "die Frage eines Anschlusses der Volksrepublik Luhansk an Russland als Mitglied der Russischen Föderation zu prüfen". In der im Onlinedienst Telegram verbreiteten Erklärung führte Passetschnik aus: "Wir sind uns der historischen, kulturellen und spirituellen Verbindung zum multinationalen Volk Russlands bewusst." Die Bewohner seiner Region hätten den "Traum", in den "Heimathafen" Russland zurückzukehren. Er werde mit dem pro-russischen Anführer in der Region Donezk, Denis Puschilin, nach Moskau reisen, um den Anschluss an Russland zu formalisieren.
Saldo äußerte sich ähnlich wie Passetschnik
Ähnlich wie Passetschnik äußerte sich der Separatisten-Chef in Cherson, Wladimir Saldo. Die Bewohner in Cherson hätten eine "historische Entscheidung" getroffen und beschlossen, "Teil der multinationalen Bevölkerung der Russischen Föderation zu werden". Saldo sprach von einem "vollkommen legalen" Wahlprozess und berief sich auf das in der UN-Charta festgeschriebene Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Die beiden russischen Parlamentskammern wollen schon am Montag und Dienstag über die Annexionen entscheiden. Die Duma habe ihren Terminkalender geändert und komme an beiden Tagen zu Plenarsitzungen zusammen, sagte Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin. Zuvor hatte bereits die Vorsitzende des Föderationsrats, Valentina Matwijenko, erklärt, das Oberhaus des Parlaments könnte in seiner regulären Sitzung am Dienstag über den Beitritt der besetzten ukrainischen Gebiete zu Russland entscheiden.
Separatisten wollen Russland-Beitritt beantragen
Beobachter hatten in den vergangenen Tagen auf zahlreiche Fälle hingewiesen, in denen die Bewohner der besetzten Gebiete zur Abgabe ihrer Stimme gezwungen wurden. Nach Auszählung aller Stimmen hätten in Donezk 99,2 Prozent der Wähler zugestimmt, erklärte die dortige Besatzungsverwaltung. In Luhansk sollen es den russischen Angaben zufolge mehr als 98 Prozent, in Saporischschja mehr als 93 Prozent und in Cherson mehr als 87 Prozent gewesen sein.
Russland will Krieg in der Ukraine fortsetzen
Auch nach den Scheinreferenden will Russland den Krieg in der Ukraine jedenfalls bis zur Eroberung des gesamten Gebiets Donezk fortsetzen. Das sei das Mindestziel, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. Bisher kontrollieren die russischen Truppen und die Separatistenverbände rund 58 Prozent des ostukrainischen Gebiets Donezk. "Sie wissen ja, dass nicht das gesamte Territorium der Donezker Volksrepublik befreit ist", sagte Peskow. Das russische Verteidigungsministerium hatte eingeräumt, dort viel langsamer voranzukommen als geplant.
Fluchtbewegung aus betroffenen Gebieten in der Ukraine
Wie auch im Falle der ukrainischen Krim bleiben die Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson souveräne Territorien der Ukraine", betonte hingegen Kiew am Mittwoch. Die Ukraine habe das volle Recht, ihre territoriale Integrität mit militärischen und diplomatischen Methoden wiederherzustellen. "Die Ukraine wird niemals irgendwelchen Ultimaten Russlands zustimmen", hieß es weiter.
Ehemaligen Einwohnern zufolge haben die Referenden zu einer Fluchtbewegung aus den betroffenen Gebieten geführt. Die größte Angst sei, dass dort sofort mit der Einberufung von Männern in die russische Armee begonnen werde, sobald die Regionen zu russischem Territorium erklärt würde, erklärte ein 43-jähriger Mann aus Dorf Golo Pristan in Cherson, der mit seiner Familie geflüchtet war. "Viele Leute lassen einfach alles hinter sich. Es gibt Orte, die komplett verlassen sind." Zudem herrsche in den besetzten Gebieten Gesetzlosigkeit. "Ganze Dörfer brechen auf."
Vorgehen Moskaus könnte völkerrechtlich nicht anerkannt werden
Zu erwarten ist, dass ähnlich wie im Fall der von Russland 2014 annektierten ukrainischen Halbinsel Krim das Vorgehen Moskaus auch jetzt völkerrechtlich nicht anerkannt wird. Die Europäische Union betonte bereits, den Ausgang der Scheinreferenden nicht anzuerkennen. "Die EU verurteilt die Abhaltung illegaler "Referenden" und deren gefälschte Ergebnisse", schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch auf Twitter. "Das ist eine weitere Verletzung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine, die mit systematischen Menschenrechtsverletzungen einhergeht."
Beispiellose Annexionswelle wird erwartet
Es wird erwartet, dass nun eine beispiellose Annexionswelle beginnt. Putin hatte vor Beginn der Scheinreferenden betont, dass die Gebiete nach der Einverleibung komplett unter dem Schutz der Atommacht stünden. Es gehe um den Schutz von Millionen Menschen, hatte Putin gesagt. Er drohte der Ukraine mit dem Einsatz "aller verfügbaren Mittel", um Angriffe abzuwehren. Der ukrainische Präsident Wolodymyr verurteilte die Scheinreferenden als "Farce". Er kündigte an, die besetzten Gebiete zu befreien. Dabei setzt er auf schwere Waffen des Westens.
Österreich verurteilt Scheinreferenden in Ukraine
Österreich verurteilt die Abhaltung der Scheinreferenden zur Rechtfertigung der Annexion ukrainischer Gebiete durch die Russische Föderation "aufs Schärfste". "Sie sind ein weiterer, schwerwiegender Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine", schreibt das Außenministerium in einer Stellungnahme von Mittwoch. Österreich erkenne daher selbstverständlich weder die völkerrechtswidrigen Scheinreferenden noch eine Annexion ukrainischer Gebiete an.
Wien Ministerium: Russland eskaliere Angriffskrieg immer weiter
"Mit dem gewaltvollen Versuch der Russifizierung der Ukraine, den inakzeptablen nuklearen Drohungen und der letzte Woche verkündeten Teilmobilisierung" eskaliere Russland ihren Angriffskrieg immer weiter, schreibt das Ministerium in Wien. Lebensmittelknappheit und weltweit steigende Energiepreise seien direkte Folgen des russischen Angriffskriegs und "werden durch das verantwortungslose und zynische Handeln der Russischen Föderation bewusst verstärkt".
Österreich appelliert an Führung Russlands
Österreich appelliere daher an die Führung Russlands, "ihrer Verantwortung als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gerecht zu werden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren".
Russische Regierung fordert mehr militärische Unterstützung
Die ukrainische Regierung forderte als Reaktion auf die "Referenden" vom Westen eine "bedeutende" Verstärkung seiner militärischen Unterstützung. Konkret forderte das ukrainische Außenministerium Kampfjets, Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie mit hoher Reichweite sowie Ausrüstung zur Luft- und Raketenabwehr.
Amnesty International sprach Referenden jegliche Legitimität ab
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach den "so genannten "Referenden" jegliche Legitimität" ab. Das ganze Verfahren, das nach internationalem Recht illegal sei, sei "nichts anderes als ein weiterer bedauerlicher Akt in Russlands Aggressionsstrategie gegen die Ukraine", sagte Denis Krivosheev, stellvertretender Direktor von Amnesty International für Osteuropa und Zentralasien.
(APA/Red)