Selenskyj-Besuch in Wien war Streitthema im Nationalrat

Die Freiheitlichen haben am Montag im Nationalrat eine "Dringliche Anfrage" an Kanzler Christian Stocker (ÖVP) zum Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gerichtet. Weil Stocker selbst wegen des Treffens verhindert war, beantwortete stattdessen Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) die Fragen. Die FPÖ kritisierte den Staatsbesuch scharf, auch weil er parallel zur Budgetdebatte stattfand.
Kritik an Selenskyj-Besuch - "Ablenkmanöver" vom Budget
Die Budgetdebatte sei eine der wichtigsten Plenarsitzungen. Parallel dazu einen Staatsbesuch zu organisieren, der mediales Interesse auf sich zieht, sei für die Bundesregierung zwar praktisch, um vom Budgetdesaster abzulenken, zeuge aber von mangelndem Respekt, sagte die Abgeordnete Susanne Fürst, die für die Freiheitlichen die "Dringliche Anfrage" begründete: "Man hat das Gefühl, unsere Politiker sind mehr für die Ukraine da als für unsere Bürger." Während man hier Sparmaßnahmen setze, "sitzen bei der Ukraine die Millionen locker", kritisierte Fürst. Dabei wisse man nicht, was mit dem Geld passiere. Es gebe de facto keine Kontrolle der Korruption.
Die Neutralität wäre eigentlich "klarer außenpolitischer Kompass", so Fürst: "Aber sie haben die Neutralität totgetrampelt." Man könne nicht seine Solidarität mit einer Kriegspartei erklären und den Präsidenten einer Kriegspartei zum "gefährlichsten Zeitpunkt des Krieges" einladen. Fürst kritisierte die "politmediale Inszenierung, die dem Eigennutz dient, aber nicht Österreich". Die Freiheitlichen stellten während der Anfrage Schilder mit den Slogans "Zeit für Frieden" und "Zeit für Neutralität" auf.
Staatssekretär Pröll sprang für Kanzler Stocker ein
Statt Stocker beantwortete Staatssekretär Pröll die Fragen. Er schickte voraus, dass Russland einen "brutalen Angriffskrieg" gegen die Ukraine führe. Österreich stehe seit dem ersten Tag als "verlässlicher Partner" an der Seite der Ukraine. "Wir alle wollen ein Ende des Krieges", betonte Pröll: "Österreich unterstützt alle Bemühungen." Russland lehne aber einen bedingungslosen Waffenstillstand ab. Daher werde man den Druck auf allen Ebenen erhöhen. Pröll warnte vor einer Täter-Opfer-Umkehr der Freiheitlichen. Zudem stehe die österreichische Neutralität nicht einer politischen und humanitären Unterstützung der Ukraine entgegen.
Selenskyj sei als Gast von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Österreich. Der Besuch erfolgte auf Basis einer entsprechenden Einladung aus dem Jahr 2022 und laufe nach den protokollarischen Standards ab. Im Rahmen des Besuchs sei auch ein Treffen mit dem Bundeskanzler und anderen Regierungsmitgliedern geplant. Zudem seien auch Vertreter der Wirtschaft zum Thema Wiederaufbau eingeladen. Ziel sei es, die österreichische Wirtschaft für den Wiederaufbau zu positionieren, erklärte Pröll. Der Wiederaufbau biete großes Potenzial für die heimische Wirtschaft. Die Kosten des Besuchs konnte Pröll nicht beziffern und verwies auf die Zuständigkeit der Präsidentschaftskanzlei und des Außenministeriums. Derzeit seien keine weiteren Besuche hochrangiger ukrainischer Politiker geplant, ebenso auch keine Reise von Stocker in die Ukraine.
FPÖ wird "russische Propaganda" vorgeworfen
In der folgenden Debatte ging es hitzig zu. Für den ÖVP-Abgeordneten Andreas Minnich (ÖVP) klang die von der FPÖ vorgebrachte Kritik wie "direkt aus Radio Moskau". Die russische Verantwortung für den Angriffskrieg auf die Ukraine und russische Kriegsverbrechen würden dagegen nicht angesprochen, kritisierte er.
Als "vollkommen verrückt" bezeichnete die außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Petra Bayr, die Argumentation der FPÖ. Auch die neutrale Schweiz habe den ukrainischen Präsidenten empfangen, ohne dass deren Neutralität zusammengebrochen sei. Gerade als neutraler Staat sei es wichtig, Debatten zu ermöglichen, meinte Bayr.
Auch NEOS-Klubobmann Yannick Shetty warf den freiheitlichen Abgeordneten vor, "russische Propaganda vom Feinsten" zu verbreiten. Die Dringliche Anfrage kritisierte er als "durchsichtiges populistisches Manöver", mit dem Ziel, die Gesellschaft zu spalten, an einem Tag der Einigkeit im Gedenken an die Opfer des Amoklaufs in Graz.
Der Grüne Klubobmann Werner Kogler bezeichnete Vorwurf der FPÖ, mit dem Selenskyj-Besuch nur von der Budgetdebatte ablenken zu wollen, als absurden "großen Verschwörungstopfen". In der Ukraine brauche es Frieden, meinte er in Bezug auf die FPÖ-Forderung, "aber einen gerechten Frieden und keinen Diktatfrieden." "Es muss Schluss sein mit dieser Täter-Opfer-Umkehr", so Kogler in Richtung FPÖ.
Aufregung um Zwischenruf von Belakowitsch
Für Aufregung sorgte ein Zwischenruf von FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch. Laut dem vom Zweiten Nationalratspräsidenten Peter Haubner (ÖVP) verlesenen Protokoll kommentierte sie einen Bericht Shettys über dessen Besuch der Massengräber in Butscha mit den Worten: "Da habt ihr viel Spaß gehabt, gell?" und kassierte dafür einen Ordnungsruf.
Der Grüne Klubobmann Werner Kogler nannte den Zwischenruf "unfassbar" und "unterirdisch". Den Vorwurf der FPÖ, mit dem Selenskyj-Besuch nur von der Budgetdebatte ablenken zu wollen, bezeichnete Kogler als absurden "großen Verschwörungstopfen". In der Ukraine brauche es Frieden, meinte er in Bezug auf die FPÖ-Forderung, "aber einen gerechten Frieden und keinen Diktatfrieden." "Es muss Schluss sein mit dieser Täter-Opfer-Umkehr", so Kogler in Richtung FPÖ.
NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos bezeichnete den Zwischenruf als "Skandal" und forderte in einer Aussendung Konsequenzen von Belakowitsch und der FPÖ. "Wer eine solche Geisteshaltung an den Tag legt, hat im Hohen Haus und in der Politik nichts verloren", legte er der Abgeordneten einen Rückzug nahe und forderte FPÖ-Chef Herbert Kickl zudem auf, "sich öffentlich im Namen der FPÖ zu entschuldigen".
NEOS fordern Rücktritt von Belakowitsch wegen Sager
Die NEOS fordern den Rücktritt von Belakowitsch nach ihrem Nationalrat-Sager. "Wer Massaker verharmlost, hat keinen Platz in der österreichischen Innenpolitik", findet die stellvertretende NEOS-Klubobfrau Martina Künsberg Sarre. Solche Entgleisungen beschädigten das Ansehen Österreichs und verhöhnten die Opfer des russischen Angriffskriegs.
(APA/Red)