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Selbst- und ferngesteuert

©VN/Matt
Günter Seewald zählt zu den seltenen Piloten, die derzeit abheben.

„Achtung“ ruft die ewig junge Frauenstimme in die leere Abfertigungshalle: „Achten Sie darauf, dass ihre Gepäckstücke nicht unbeaufsichtigt bleiben.“ Aber es sind ja keine da. So beschaulich lag der Airport Friedrichshafen noch nie. Es fliegt an diesem Vormittag überhaupt nur eine Airline, und das ist Intersky. Während der Touristenbomber der Hamburg International Richtung Sharm el Sheikh in der Früh gleich wieder einpacken konnte, hob die Dash DHC-8-300 pünktlich ab und entschwebte gen Wien. Den ersten Flug trotz Aschenwolke bewältigte Gerry Müller, den zweiten zu Mittag flog Günter Seewald. Und, bleibt da nicht doch ein mulmiges Gefühl?

Nicht die Spur von Asche

„Aber nein.“ Die Flugzeugwetterwarnung wegen Vulkanasche lässt ihn ziemlich unberührt. Seewald hat noch den Bericht seines Kollegen mit 30 Jahren Flugerfahrung im Ohr. Der hat von einem prächtigen Flug erzählt. Flugzeugmechaniker Manfred Wäger hat nachher auch nichts gefunden. Kein Kratzer im Lack, kein Aschenpartikel im Filter. Nein, Seewald blickt vergnüglich zum Himmel, der ihm tiefblau ent­gegenstrahlt. Das werden 85 prächtige Flugminuten werden. Und falls er irgendwas vermisst, dann am ehesten noch die Beweglichkeit, die er Fluggeräten ansonsten im Kunstflug abverlangt. Günter Seewald fliegt, seit er denken kann. Eigentlich früher noch: „Ich war schon mit drei Monaten im Flugzeug unterwegs. Und zwar auf dem Schoß eines Passagiers. Mutter musste ja fliegen.“ Dass der Sohn von Brigitte und Rolf Seewald erblich vorbelastet sein würde, war klar. Und doch nahm Günter Seewald erst einmal einen anderen Weg. Leitete das Catering der Rheintalflug. Und entfernte sich doch nur kurz vom Cockpit. Seit 1997 fliegt er selber. Nicht einmal der tragische Tod der Mutter beim Flugzeugabsturz 1989 konnte ihn davon abhalten.

Kunstflug vom Boden aus

Weil er ja selbst dann noch in die Luft geht, wenn er am Boden bleibt. Günter Seewald hat‘s nämlich als Modellbau-Kunstflugpilot zu beachtlichem Erfolg gebracht. Vize-Landesmeister im Programm Kunstflug ist er. Eine „Edge 540“ treibt er in seiner Freizeit vom Looping zur Rolle und kann dann endlich „all das tun, was ich im Passagierflugzeug nicht darf“. Hat ihn von Berufs wegen nie ein größeres Flugzeug gereizt, etwa der mondäne A 380? Aber dann müsste er ja weg vom Bodensee und hätte meinetwegen „eine Homebase in Frankfurt oder Wien“, und das käme ihm nicht in den Sinn. Nein, wenn schon was anderes, dann am liebsten mal eine DHC Beaver. „So ein Wasserflugzeug würd ich gern privat ausprobieren.“ Nun, bis es soweit ist, kann Seewald in Flugpausen ja zum Nachbarn rüberschauen. Einen Hangar weiter im Dorniermuseum wird die Wiege der Wasserflugzeuge gewürdigt. Und tatsächlich „war ich schon dort“, bestätigt er, streift seine Pilotenjacke über und versteckt das bubenhafte Lachen kein bisschen hinter der obligaten Ray-Ban-Brille. Hat der doch gar nicht nötig!

zur Person

Günter Seewald flog gestern als Pilot der Intersky von Friedrichshafen nach Wien und retour. Geboren: 3. Mai 1977 Ausbildung: Hotelfachschule, Pilotenausbildung in Wien Laufbahn: Catering der Rheintalflug, Betriebsleiter bei VIP-Air, seit 2002 als Pilot im Liniendienst unterwegs Familie: ledig

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