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Sechsfache Mutter keine Mörderin

Die 56-jährige Kärntner, die vor fast 30 Jahren ihr Kind nach der Geburt ertränkt hat, ist freigesprochen worden.

Vor mehr als einem Jahr kam eine Frau in Kärnten auf eine Polizeistation und gestand, vor fast 30 Jahren in Wien ihr Neugeborenes ertränkt und anschließend verbrannt zu haben. Nachdem die heute 56-Jährige bei den Beamten angab, sich damals als Schwangere länger mit der Tötungsabsicht beschäftigt und dazu Vorbereitungen getroffen zu haben, wurde sie wegen Mordes angeklagt.

Die acht Geschworenen verneinten nun jedoch einstimmig die Mordfrage. Sieben waren der Meinung, dass die Eventualfrage, der Ausnahmeparagraf 79 „Tötung eines Kindes bei der Geburt“, zu tragen käme. Das heißt, wenn eine Mutter ihr Kind während der Geburt – oder solange sie noch unter der Einwirkung des Geburtsvorganges steht – tötet, ist sie mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

Da die Tat vermutlich 1977 durchgeführt worden war, ist sie seit 1982 verjährt – und die Frau freizusprechen. Laut Urteil war die Frau bei der Tat zurechnungsfähig. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Rechtsmittel, der Richterspruch ist daher rechtskräftig. Hätte das Gericht sie wegen Mordes verurteilt, hätte sie mit einer Freiheitsstrafe von zehn bis 20 Jahren rechnen müssen. Denn Mord verjährt nicht.

Die Anklage beruhte ausschließlich auf den Angaben der 56-Jährigen, da es weder Tatzeugen noch Mitwisser gibt. „Es war keiner da gewesen, der mir geholfen hätte“, so die Beschuldigte zu Richter Peter Liebetreu. Die sechsfache Mutter wollte mit ihrem Geständnis „ihr Gewissen erleichtern“ und hoffte auch auf psychologische Hilfe.

Die Angeklagte war davon überzeugt, dass man ihr bei einem Krankenhausaufenthalt einen Chip eingepflanzt habe, der nicht nur Schmerzen verursacht, sondern auch ihre Gedanken lesen kann. Die 56-Jährige glaubt, von jemanden überwacht zu werden. „Ich war der Meinung, dass es (das Wissen über die Tötung des Kindes, Anm.) sowieso schon bei der Polizei aufliegt.“

Die Kärntnerin war 1968 mit ihrem Mann nach Wien gezogen und bekam zwei Kinder. Die Ehe scheiterte jedoch. Nach der Scheidung ging die Frau eine Affäre mit einem Studenten ein. Sie wurde erneut schwanger. Der Student war davon jedoch nicht begeistert: Er war verheiratet, ein außereheliches Kind kam für ihn nicht in Frage. Als er ihr Vorwürfe machte, brach für sie eine Welt zusammen. Ihrem Liebhaber sagte sie, dass die das Kind „in Ungarn wegmachen lasse“.

In ihrer Wohnung leitete sie den Geburtsvorgang ein. Laut Anklageschrift soll sie einen mit Wasser gefüllten Bottich bereitgestellt haben, um das Kind zu ertränken. In einen Abbrennofen wollte sie die Leiche danach verbrennen. Deshalb kam für Staatsanwältin Sabine Rudas-Tschinkel der Paragraf 79 nicht in Betracht: „Sie hat sich sehr gut überlegt, das Kind zu töten und sie hat Vorbereitungen getroffen.“

„Ich wollte es aber behalten“, sagte die Angeklagte mit leiser Stimme. Auch einen Namen hatte sie für das Mädchen. „Monika“, flüsterte die Angeklagte. Auf die Frage des Richters, warum sie einen Bottich mit Wasser hergerichtet hat, antwortete die 56-Jährige: „Weil es logisch ist, dass man ein Kind nach der Geburt wäscht.“

Durch mehrmaliges Eintauchen in den Bottich hat die Frau das Neugeborene schließlich getötet. Die Leiche verbrannte sie im Ofen, die Asche entsorgte sie im Hausmüll. Die Nachgeburt warf sie in ein Plumpsklo auf einer nahe gelegenen Baustelle. In den achtziger Jahren lernte sie einen neuen Partner kennen und brachte vier weitere gesunde Kinder gesund zur Welt, die heute bei ihrem Vater in Ägypten leben.

Dieser Fall war jedoch nicht die erste ungewollte Schwangerschaft. Neben ihren sieben Geburten, hat sie etwa sieben Abtreibungen hinter sich. Die Eingriffe hat die Frau stets selbst vorgenommen, indem sie mit spitzen Gegenstände durch die Scheide in die Plazenta fuhr. Die Abtreibungen dürfte sie eigenen Angaben nach im dritten bis vierten Monat durchgeführt haben, die Föten waren an die 20 Zentimeter groß. Zu einem Arzt sei die Frau nie gegangen.

Der gerichtspsychiatrische Gutachter bescheinigte, dass die Angeklagte mit der Zeit zwar eine paranoide Störung entwickelt habe, doch das habe keine Relevanz auf den Tatzeitpunkt. Der Gutachter hielt die Angaben für „schlüssig und nachvollziehbar“. Die Frau sei zum Tatzeitpunkt nicht geisteskrank oder schwachsinnig gewesen und habe keine anderen psychischen Störungen gehabt. Sie sei jedoch unter dem Einfluss des Geburtsvorganges und in großen sozialen Nöten gewesen. Die Angeklagte habe bis zuletzt geschwankt und dann spontan entschlossen, das Kind zu töten, meinte der Gutachter.

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