Wenn die sechsjährige Aylin ins Freie will, kurzer Blick aufs Schuhwerk. Wenn der 19-jährige HTL-Schüler geht, fragt er: Isch eh tankt?
Die Bandbreite einer siebenköpfigen Familie verläuft zwischen Tretroller und Mamas Auto. Ernestine Maunz ist Kinderdorfmutter. Seit 16 Jahren. Sie hat’s noch nie bereut. Setzen wir uns auf die Terrasse, sagt sie. Aylin und der fünfjährige Benjamin kommen mit.
Eigentlich sah die Lebensplanung der 48-Jährigen ja anders aus. Aber im Gastgewerbe wollte die ehemalige Bedienung und Köchin auch nicht in Pension gehen. Kriegen wir ein Eis?, fragt die 14-Jährige mit den schwarzen Haaren und holt sich prompt ein Später ab. Aylin und Benjamin entdecken derweil den Liegestuhl.
Neun Familien
Ernestine Maunz kam 1988 nach Dornbirn ins Kinderdorf. Ein Jahr Praxis und dann theoretische Ausbildung in München. In Dornbirn blieb sie dann. Das Kinderdorf mit seinen 17 Häusern hat mir gepasst. Heute leben hier neun Mütter mit ihren Familien und zwei Krisenfamilien.
So ein Liegestuhl ist doch etwas ganz Wunderbares. Benjamin hat ihn inzwischen umgedreht und klappt ihn mit Aylins Hilfe in die unglaublichsten Positionen. Nichts für zarte Nerven. Aber wer nur kleine Finger und schnappende Scharniere sieht, wird auch nicht Kinderdorfmutter.
Die meisten Kinder hier haben triste Herkunftsgeschichten. Da wird Ernestine Maunz ganz einsilbig. Das ist nichts für die Presse. Dass Aylin mit einem Herzfehler direkt aus dem Spital hierher kam, das sagt sie gerade noch. Fast alle nennen sie Mama. Es kommt auch selten vor, dass Kinder in ihre Ursprungsfamilien zurückfinden.
Urlaub in Sicht
Während sie das sagt, schiebt sie diskret einen Fuß nach vorn und blockiert damit die Lehne des Liegestuhls, die von Benjamin kräftig in Schwung gesetzt, schon mehrfach knapp an Aylins Kopf vorbeidonnerte. Im Sommer wird sie die Kleine wohl wieder mit auf Urlaub nehmen, nach Caldonazzo vielleicht, wo die SOS Kinderdörfer ihr Ferienlager haben. Hat sie denn Urlaub? Na klar, und eine Familienhelferin. Und den Hasen Lisa, den Aylin gerade anschleppt und ihren Kuscheltieren allemal vorzieht. Nur einen Vater gibt es hier nicht. In anderen Kinderdörfern leiten vereinzelt schon Eheleute die Familien. Aber dazu müsste der Mann schon sehr kinderlieb sein.
In der Regel also bleiben die Kinderdorfmütter mit der Betreuung der Kinder allein. Auch das ist so wie in vielen anderen Familien auch.
ZUR PERSON
Ernestine Maunz