AA

Schwierige Versöhnung

Der deutsche Aussenminister Fischer bietet in Washington keine Soldaten für den Irak an. Ein neues UN-Mandat würde deutsche Regierung in Bredouille bringen.

In der Pose des Besserwissers wollte Joschka Fischer in Washington nicht auftreten. Die vergebliche Suche nach den Massenvernichtungswaffen im Irak, die Überfälle auf die Besatzungstruppen, die unklare politische Zukunft des Landes – all dies wollte der deutsche Außenminister nicht zum Anlass nehmen, um rechthaberisch auf die deutschen Warnungen vor dem Krieg zu verweisen. Stattdessen lautete seine Devise: Europäer und Amerikaner müssten jetzt an einem Strang ziehen, „um den Frieden zu gewinnen“. Doch Versöhnungsgeschenke hatte Fischer nicht im Gepäck – eine Entsendung deutscher Soldaten in den Irak würde die deutsche Bundesregierung am liebsten vermeiden.

Auf seiner ersten Reise in die USA nach dem Krieg wollte Fischer vor allem die Rückkehr zur Normalität in den Beziehungen demonstrieren. Am Mittwoch traf er den Kollegen Colin Powell und die Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, am Donnerstag sollte er von Vizepräsident Dick Cheney empfangen werden. Damit konnte der Außenminister diesmal ein wesentlich hochkarätigeres Programm vorweisen als noch bei seinem vorherigen Besuch in Washington im Oktober, als er inmitten der Irak-Kontroverse lediglich einen Termin mit Powell bekommen hatte. Es gehe nicht mehr darum, „die Debatten von gestern zu führen“, suchte Fischer denn auch das beispiellose Zerwürfnis abzuhaken, das die deutsche Bundesregierung mit ihrem Nein zum Krieg in den Beziehungen ausgelöst hatte.

Trotz der Bemühungen des deutschen Außenministers wurde allerdings deutlich, dass längst nicht alles im Lot ist im deutsch-amerikanischen Verhältnis. Nicht nur, dass sich weiterhin kein bilaterales Treffen zwischen US-Präsident George W. Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder am Horizont abzeichnet. Auch die Debatte um den deutschen Beitrag zum Wiederaufbau zeigt, wie schwer es beiden Seiten fällt, nach dem Clinch um den Krieg den Schulterschluss für den Frieden zu üben. So bot Fischer zwar humanitäre Hilfe an und übermittelte die Bereitschaft der deutscher Wirtschaft, sich im Irak zu engagieren. Doch auf das offenbar wachsende Interesse der USA an deutschen Soldaten ging er nicht ein.

Stattdessen hielt Fischer an der Linie fest, dass an einen Bundeswehreinsatz im Irak nicht einmal zu denken sei, solange es dafür kein neues Mandat der UNO gebe. Die Resolution 1483 des Weltsicherheitsrats vom 22. Mai, die den Kriegsherren im Irak die Verantwortung für die Neuordnung des Landes zuweist, deckt nach Ansicht der deutschen Bundesregierung die Entsendung von Truppen aus anderen Staaten nicht ab – eine Deutung, die etwa auch Frankreich und Indien teilen. Die USA sehen dies anders. Eine neue Resolution ist nach ihrer Ansicht nicht nötig, um weitere internationale Truppen einzusetzen.

Angesichts der stetig steigenden Opferzahl unter den US-Truppen und den enormen Kosten der Besatzung steht die US-Regierung unter wachsendem Druck, den Militäreinsatz weiter zu internationalisieren. So ist nicht auszuschließen, dass die USA sich früher oder später darauf einlassen, ein neues Mandat der UNO anzustreben und damit die Rolle der Weltorganisation im Irak zu stärken. Powell deutete denn auch ein Entgegenkommen an. Mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan und einer Reihe von Regierungen habe er bereits über eine mögliche „stärkere Mandatierung“ der Stabilisierungsaufgabe gesprochen, teilte er mit.

Sollten die Diskussionen tatsächlich in ein neues UNO-Mandat münden, würde dies bei der deutschen Bundesregierung freilich alles andere als Begeisterung auslösen. Denn dann käme sie nicht mehr darum herum, konkret über die Entsendung von Soldaten in den Irak nachzudenken – heftige innenpolitische Turbulenzen wären wohl unvermeidbar. Denn nicht nur, dass die Bundeswehr schon mit ihren bisherigen Einsätzen auf dem Balkan, in Afghanistan und am Horn von Afrika stark strapaziert ist. Auch könnte sich die Bundesregierung dem Vorwurf aussetzen, mit dem Militäreinsatz nachträglich einen Krieg zu legitimieren, den sie vormals verdammt hatte.

So konnte Fischer richtig froh sein, dass er bei diesem Besuch in Washington noch nicht mit einer konkreten Anfrage nach Truppen konfrontiert wurde: Hinsichtlich des deutschen Beitrags sei er mit dem Kollegen „nicht ins Detail gegangen“, sagte Powell.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Schwierige Versöhnung
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.