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Schweres Beben erschüttert Himalaya-Region: Über 1100 Tote in Nepal

Fieberhafte Suche nach Verschütteten nach schwerem Beben in Nepal
Fieberhafte Suche nach Verschütteten nach schwerem Beben in Nepal ©EPA
Es ist eine Tragödie verheerenden Ausmaßes: Nach dem gewaltigen Himalaya-Erdbeben hat Nepal in den betroffenen Gebieten den Notstand ausgerufen. Die Zahl der Toten steigt und steigt - allein in Nepal auf mehr als 1000. Ganze Städte liegen in Trümmern. Auch Indien und Bangladesch berichten von Opfern. Österreich entsendet zwei Rot-Kreuz-Mitarbeiter ins Katastrophengebiet.

Um 11.56 Uhr bebt die Erde in Nepal – so heftig wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Das mächtige Himalajamassiv hebt und senkt sich, und Millionen von Menschen in Nepal, aber auch in Indien, China, Bangladesch und Pakistan spüren, wie sich der Boden unter ihren Füßen bewegt. Überall stürzen sie auf die Straßen.

“Eine nationale Tragödie”

Doch viele schaffen es nicht, ehe ihre Häuser und Geschäfte über ihren Köpfen zusammenfallen. Hunderte kommen ums Leben. Besonders schlimm trifft es am Samstag die Menschen in Nepals Hauptstadt Kathmandu und die der bei Touristen beliebte Stadt Pokhara. Das Zentrum des Bebens, das laut dem Geoforschungszentrum in Potsdam eine Stärke von 7,8 erreicht, liegt nur 80 Kilometer von Kathmandu entfernt. Zahlreiche alte Häuser und historische Stätten krachen zusammen. “Das ist eine nationale Tragödie”, sagt der Autor Kashish Das Shrestha.

Shrestha geht in die Altstadt Kathmandus – und sieht dort, dass mehrere Unesco-Weltkulturerbestätten aus den vergangenen Jahrhunderten quasi nur noch Schutt sind. “Alle Tempel sind zerstört”, sagt er niedergeschlagen. “In einem der denkmalgeschützten Gebäude wurde eine Blutspende-Aktion durchgeführt. Das Haus kollabierte und es scheint, als seien alle darin umgekommen.”

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Opferzahl steigt und steigt – über 1000 Tote in Nepal

Im Tagesverlauf stieg die Anzahl der Opfer immer weiter an. ach Angaben der nepalesischen Polizei beklagt allein Nepal zumindest 1.130 Tote. Aus dem die Hauptstadt Kathmandu umgebenden Tal werden 634 Todesopfer gemeldet, aus Kathmandu selbst etwa 300 weitere, sagte ein Polizeisprecher. Die Zahl der Opfer könnte mit Voranschreiten der Bergungsarbeiten weiter steigen.

Auch in Neu-Delhi bebte die Erde

Auch die Nachbarstaaten Indien und Bangladesch berichteten von Toten durch das Beben der Stärke 7,8 in geringer Tiefe, das bis nach Neu-Delhi zu spüren war. In Indien starben mindestens 34 Menschen, im chinesischen Tibet sechs Menschen und in Bangladesch eine Frau.  Es wird befürchtet, dass die Opferzahl noch weiter steigt.

In Kathmandu stürzten Gebäude ein, darunter ein Turm aus dem 19. Jahrhundert, von dem nur ein zehn Meter hoher Stumpf übrig blieb.

APTOPIX Nepal Earthquake
APTOPIX Nepal Earthquake

Weltkulturerbe im Tal von Kathmandu zerstört

Im Tal von Kathmandu befinden sich innerhalb weniger Kilometer sieben Weltkulturdenkmäler. Vier der sieben Unesco-Stätten sind kunstvoll gebaute Tempel. Die drei anderen sind Paläste, die einst von Königsfamilien bewohnt wurden – auf dem Durbar-Platz in Kathmandu, dem Durbar-Platz in Bhaktapur und Durbar-Platz in Patan.

Zu den Attraktionen in der nepalesischen Hauptstadt gehört der neunstöckige Dharahara-Turm. Er fiel durch das Erdbeben in sich zusammen, nur noch wenige Meter ragt ein Gerüst in den Himmel. Auch auf dem Durbar-Platz in Kathmandu steht fast nichts mehr.

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Tote durch Lawine im Basislager am Mount Everest

Das Beben löste am Mount Everest Lawinen aus, bei denen mindestens zehn Menschen ums Leben kamen. Teile des Bergsteiger-Basislagers am höchsten Berg der Welt wurden verschüttet. Dort sollen sich den Behörden zufolge 1.000 Menschen aufgehalten haben, darunter 400 Ausländer.

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Österreicher Andy Holzer und Team in Sicherheit

Nicht betroffen war der blinde Österreicher Andy Holzer. Der Osttiroler und sein dreiköpfiges Begleitteam sind laut seiner Ehefrau Sabine Holzer in Sicherheit. “Andy und sein Team sind heute im ABC-Camp auf 6.400 Meter angekommen, es geht ihnen gut. Sie haben gemerkt, dass die Erde gebebt hat. Informationen über das Erdbeben haben sie aber nur, weil Sherpas mit Handys Nachrichten abgerufen haben”, sagte sie im Gespräch mit der APA. “Sie selber wissen nichts.”

“Blind Climber” Holzer hatte sich auch vor einem Jahr auf dem Everest befunden, als ein schweres Lawinenunglück sein erstmaliges Vorhaben, den höchsten Berg der Welt zu besteigen, beendete: Im April 2014 kamen 16 nepalesische Bergführer ums Leben, alle weiteren Besteigungsversuche wurden damals vorläufig abgesagt. Auch damals war er selbst nicht unmittelbar vom Unglück betroffen. Am Samstag befanden sich er und seine Begleiter im vorgeschobenen Basislager (ABC, advanced base camp).

Ein Sprecher des Fremdenverkehrsbüros in Kathmandu erklärte, am Basiscamp seien Krankenlager eingerichtet worden. Bergsteiger berichteten über Twitter, sie seien während des Bebens aus ihren Zelten gestürmt und um ihr Leben gerannt. Kollegen seien eingeschlossen worden. “Bitte betet für alle”, schrieb einer.

“Fast das ganze Land ist betroffen”

Das verarmte Nepal hat 28 Millionen Einwohner und ist etwas größer als Griechenland. “Fast das ganze Land ist betroffen”, sagte ein Sprecher der nepalesischen Botschaft in Neu-Delhi. Die Rettungsarbeiten in Kathmandu wurden durch einen Zusammenbruch der Kommunikationsleitungen behindert.

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“Wir sind gezwungen, die Leichen übereinanderzustapeln”

Bewohner bildeten Menschenketten, um für die Hilfsfahrzeuge die Trümmer von den Straßen zu räumen. Einem Polizisten zufolge wurden bis zu 200 Menschen verschüttet, als der historische Dharara-Turm zusammenstürzte. Eine indische Touristin berichtete am Telefon, wie sie dabei geholfen habe, Verletzte zu den Krankenwagen zu bringen und die Toten für den Abtransport zu bergen. “Wir sind gezwungen, die Leichen übereinanderzustapeln, damit sie hineinpassen”, sagte sie.

Einziger internationaler Flughafen Nepals geschlossen

Die meisten Toten wurden bislang in Kathmandu gemeldet. Dort stürzten laut Augenzeugen zahlreiche Häuser ein, darunter viele historische Gebäude. Straßen rissen auf, sodass der Verkehr zum Erliegen kam.  Der internationale Flughafen von Kathmandu erlitt Schäden und wurde geschlossen. Tausende Menschen saßen verängstigt vor ihren Häusern, da auch Stunden nach dem ersten Stoß die Erde weiter bebte.

Laut Schätzungen rund 250 Österreicher in Nepal

Schätzungsweise 300.000 Touristen halten sich zurzeit in Nepal auf, wo im Frühjahr die Wander- und Klettersaison begonnen hat. Den Erfahrungswerten zufolge dürften rund 250 Österreicher in der Region sein, sagte Außenministeriumssprecher Martin Weiss zur APA. Eine genauere Schätzung sei nicht möglich, da viele die Gegend als Individualtouristen bereisen.

Zwölf Österreicher aktuell nicht erreichbar

Im Ministerium in Wien gingen bereits zahlreiche Anrufe von Angehörigen von Nepal-Urlaubern ein. Daraus resultierte laut Weiss eine Liste von bisher zwölf nicht erreichbaren Personen. Auch aus Nepal meldeten sich bereits mehrere Österreicher, die aufgrund des Erdbebens gestrandet waren. Sie sagten, dass es ihnen gut gehe, berichtete Weiss am Nachmittag. Das Außenministerium stand mit dem Honorarkonsulat in Kathmandu und lokalen Behörden in Kontakt, um den Betroffenen zu helfen.

Erdbebenzone Himalaya

Nepal und die ganze Himalayaregion sind ein stark durch Erdstöße gefährdetes Gebiet. Beben entstehen, wenn sich Gesteinsschollen im tieferen Bereich der Erdkruste ruckartig verschieben. Experten sprechen von “Subduktion”. Weltweit treiben bis zu 20 größere Platten auf zähflüssigem Material des Erdmantels. An ihren Grenzen entstehen starke Spannungen, die sich schlagartig in Beben entladen können. Dabei wird hohe Energie mit verheerenden Folgen frei. Am Himalaya drückt die Indische Platte von Süden gegen Afghanistan und Tibet auf der die Eurasischen Platte. An der Nahtstelle von Pakistan über Nepal bis Myanmar bebt häufig die Erde.

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Österreich entsendet zwei Rot-Kreuz-Mitarbeiter

Unterdessen läuft die internationale Hilfe an. Das Österreichische Rote Kreuz entsendet die Katastrophenhelfer Andrea Reisinger und Georg Ecker Sonntagfrüh nach Kathmandu. Sie sollen ihre Rotkreuz-Kollegen nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal bei Sofortmaßnahmen unterstützen.

Reisinger: “Jetzt geht es ums Leben retten”

“In den ersten Stunden geht es vor allem ums Leben retten. Menschen müssen aus den Trümmer geborgen und verarztet werden”, so Reisinger. “Danach ist es wichtig, die Betroffenen mit Wasser und Nahrung zu versorgen und Obdachlosen Unterkünfte zu geben.” Das Rote Kreuz in Nepal sei zwar gut auf solche Katastrophen vorbereitet. Internationaler Unterstützung sei bei einem Erdbeben dieses Ausmaßes allerdings trotzdem notwendig, meint Reisinger. Und meint abschließend: “Katmandu liegt in einer sehr erdbebengefährdeten Region. Wir haben schon lange befürchtet, dass ein großes Beben bevorsteht. Jetzt müssen wir rasch helfen.” (Spendenkonto des Österreichischen Roten Kreuzes: IBAN: AT57 2011 1400 1440 0144 – BIC: GIBAATWWXXX – Kennwort: Erdbeben Nepal, oder roteskreuz.at/spende)

Weltweit schwerste Erdbeben seit 1900:

– Stärke 9,5 in Chile, Mai 1960, 1655 Tote.
– Stärke 9,2 in Alaska (USA), März 1964, 125 Tote
– Stärke 9,1 vor Sumatra (Indonesien), Dezember 2004, mit Tsunami etwa 230 000 Tote
– Stärke 9,0 vor der Ostküste Japans, März 2011, mit Tsunami rund 15 800 Tote
– Stärke 9,0 in Kamtschatka (Russland), November 1952, keine Toten
– Stärke 8,8 in Chile, Februar 2010, 524 Tote
– Stärke 8,8 in Kolumbien und Ecuador, Januar 1906, 1000 Tote
– Stärke 8,7 in Alaska (USA), Februar 1965, keine Toten
– Stärke 8,6 in Assam (Indien), August 1950, 1526 Tote
– Stärke 8,6 auf Sumatra (Indonesien), März 2005, 1313 Tote
– Stärke 8,6 auf Sumatra (Indonesien), April 2012, keine Toten
– Stärke 8,6 in Alaska (USA), März 1957, keine Toten.

(APA/red)

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