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Schwere Schlappe für Arafat

Palästinenserpräsident Yasser Arafat hat seine bisher schwerste innenpolitische Niederlage einstecken müssen. Die Regierung tritt zurück um Misstrauensvotum zuvorzukommen.

Die palästinensische Regierung ist am Mittwoch in Ramallah zurücktreten, um einem Misstrauensvotum des Parlaments zuvorzukommen. Präsident Yasser Arafat nahm die Demission des Kabinetts an, das er im Juni unter massivem Druck der USA umgebildet hatte. Dabei hatte er an die Spitze eines neu geschaffenen Innenministeriums mit ausgedehnten Kompetenzen General Abdel Razzek Yahia berufen, den die israelische Führung ebenso wie den neuen Finanzminister Salam Fayed als Unterhändler akzeptiert hatte.

Eine Gruppe von Mitgliedern des Legislativrates hatte gedroht, der Kabinettsumbildung die Zustimmung zu verweigern. Sie forderte die Entfernung mehrerer Minister, gegen welche Korruptionsvorwürfe erhoben worden waren. Parlamentspräsident Ahmed Korei (Abu Ala) kündigte anschließend an, das Parlament werde in zwei Wochen erneut zusammentreten, um über die Regierung abzustimmen.

Palästinensische Beobachter in Ramallah sprachen von einer offenen Revolte gegen Arafat. Viele Abgeordnete warfen seiner Regierung Ineffizienz, Korruption und Versagen vor. Nur wenige ergriffen offen Partei für den 73-Jährigen. Sie begründeten dies damit, dass „jede Stimme gegen Arafat eine Stimme für (den israelischen Ministerpräsidenten Ariel) Sharon“ sei. Israel hatte 14 der 88 Abgeordneten die Teilnahme an der Parlamentssitzung in Ramallah verweigert.

Nach dem Rücktritt der Regierung sprach der Abgeordnete Hassan Khoreish aus Tulkarem von einer „Kampfansage an Arafats Ein-Mann-Herrschaft“. Der Präsident solle „diese Lektion lernen“. Der Abgeordnete Mohammed Hourani aus Hebron bezeichnete die Sitzung als „Wiedergeburt des Parlaments“, das 1996 im Westjordanland und Gaza-Streifen gewählt worden war. Der Legislativrat habe bewiesen, dass er zubeißen könne, sagte der Deputierte Kadura Fares aus Ramallah. Kommunalminister Saeb Erekat sprach seinerseits von einem „Sieg für das Volk“.

Arafat hatte den 20. Jänner als Termin für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen festgesetzt und den Standpunkt eingenommen, das von ihm im Juni umgebildete Kabinett sei bis dahin automatisch die Übergangsregierung und nicht gebunden an eine Bestätigung durch das Parlament. US-Präsident George W. Bush und Israels Premier Sharon haben grundlegende Reformen in der Palästinenserführung gefordert und deshalb für eine weitere Verschiebung des Wahltermins plädiert. Aus Sicht von Arafats Sonderberater Nabil Abu Rudeina will die US-Regierung damit mehr Zeit gewinnen, um die derzeitige Führung zu zerschlagen.

Israelische Truppen drangen inzwischen mit Dutzenden gepanzerten Fahrzeugen in die Stadt Beit Hanun im Norden des Gaza-Streifens ein. Die Soldaten durchsuchten am Mittwoch Moscheen und Wohnhäuser mutmaßlicher Extremisten. Es kam zu zahlreichen Feuergefechten, bevor sich die Streitkräfte nach rund sechs Stunden zurückzogen. Israel meldete vier Festnahmen. Berichte über Verletzte gab es nicht.

Israel müsse jetzt konstruktiv zu einem Neuanfang in Palästina beitragen, erklärte der Leiter der SPÖ-Delegation im Europäischen Parlament, Hannes Swoboda, in einer ersten Reaktion auf die Meldungen über den Rücktritt der palästinensischen Regierung. „Es ist ein gutes Zeichen, dass es zu Neuwahlen in Palästina kommt; klar ist aber auch, dass echte Alternativen zur Wahl stehen müssen. Dafür sind freie und geheime Wahlen notwendig – die Voraussetzung dafür ist die Kooperation Israels“, betonte der österreichische Politiker.

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