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Schweizer entscheiden wieder über Direktwahl der Regierung

Christoph Blocher selbst habe das Initiativprojekt einige Jahre zuvor lanciert.
Christoph Blocher selbst habe das Initiativprojekt einige Jahre zuvor lanciert. ©AP
Dank der direkten Demokratie können die Eidgenossen bei politischen Sachfragen mitreden. Verwehrt bleibt ihnen hingegen die direkte Wahl der Regierung (Bundesrat). Dies ist Angelegenheit des Parlaments. Vor über 70 Jahren haben die Stimmbürger das letzte Mal ein solches Begehren abgelehnt, und erst heuer im Juni befinden sie wieder über eine Volksinitiative zur Einführung der direkten Bundesratswahl.

Mit der populistischen Forderung nach einer Volkswahl der obersten Exekutive hätten Parteien aller Couleur regelmäßig ihren Ausschluss von der Macht demonstriert, schrieb die renommierte “Neue Zürcher Zeitung” (NZZ) kürzlich. 1942 waren es die Sozialdemokraten, die mit ihrem Volksbegehren scheiterten. Doch seit sie wenig später auch ohne Volkswahl den Einzug in den Bundesrat schafften, sei das Thema für sie vom Tisch.

Volkspartei startet Initiativprojekt

Nun versucht die nationalkonservative Volkspartei (SVP) ihr Glück. Sie leckt nach wie vor die Wunden, die sie 2007 bei der Abwahl ihrer Ikone Christoph Blocher aus der Landesregierung erlitten hatte und zog das Initiativprojekt aus dem Aktenschrank hervor. Blocher selbst hatte es laut dem Blatt einige Jahre zuvor lanciert, um seinen eigenen Weg in den Bundesrat zu ebnen. Der Coup glückte ihm 2003.

Lücke soll geschlossen werden

Die Volkspartei argumentiert, dass sie mit ihrer Initiative für die Direktwahl des Bundesrats “eine Lücke im direktdemokratischen System der Schweiz schließen” wolle und das Prinzip der Volkssouveränität auch auf Bundesebene verwirklicht wird. Bundesratswahlen würden zudem “ehrlicher, fairer und transparenter”, wenn das Volk zu befinden hätte. “Parlamentarische Ränkespiele” und “Hintertreppen-Absprachen”, von der SVP gerne als Ursache der Blocher-Abwahl ins Feld geführt, hätten ausgedient.

Dauerwahlkampf befürchtet

Demgegenüber stehen Befürchtungen, dass sich die Bundesräte (Minister) bei einer Wahl durch das Volk im Dauerwahlkampf befänden. Justizministerin Simonetta Sommaruga (Sozialdemokraten/SP) betonte kürzlich, das Regieren würde so auch schwieriger. So könnten die Regierungsmitglieder im Ringen um Popularität ihre Geschäfte stets danach beurteilen, ob sie die Chancen auf Wiederwahl erhöhten oder minderten.

51 Prozent lehnen Volksbegehren ab

Nach einer am Wochenende publizierten Umfrage des Instituts Isopublic im Auftrag des “Sonntagsblicks” hat die Initiative einen schweren Stand. 51 Prozent der Befragten lehnten das Volksbegehren ab. Und mehr noch: Ausgerechnet der einzige Bundesrat der wählerstimmenstärksten Partei, Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP), wäre zusammen mit Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Amman (Freisinnig-Liberale / FDP) zugunsten von zwei bekannten Frauen aus den Reihen der SP und der FDP abgewählt worden. Dass die SVP-Exponenten mit ihren bisweilen provokativen Einstellungen mehrheitsfähig wären, wird von vielen Experten ohnehin bezweifelt.

Direktwahl bereits zwei mal abgelehnt

Bei der Gründung des Schweizer Bundesstaats 1848 unterlag die Volkswahl dem Modell der Wahl durch die Bundesversammlung nur knapp. Laut dem sozialdemokratischen Nationalrat und Politologen Andreas Gross haben die Schweizer Gründerväter 1848 das Parlament ganz bewusst zum Wahlgremium gemacht: Man habe keine Annäherung an die Monarchie oder an ein Präsidialsystem gewollt, sondern die Unterordnung der vollziehenden Behörde, der Exekutive, unter die oberste gesetzgebende Gewalt. Seither kamen erst zwei Initiativen zur Direktwahl der Regierung an die Urne. 1900 von den Linken und 1942 von den Sozialdemokraten. Beide wurden deutlich abgelehnt. (APA)

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