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Schweiz-Wahl: Experte relativiert möglichen Rechtsrutsch

Ladner: Nationale Politik zumindest kurzfristig nicht verändert.
Ladner: Nationale Politik zumindest kurzfristig nicht verändert. ©AP
Einen Rechtsrutsch diagnostizieren viele Schweizer Medien bei den Nationalratswahlen am morgigen Sonntag. Der renommierte Politologe Andreas Ladner relativiert dies im Gespräch mit der APA: "Es ist ja nicht so, dass eine Partei die absolute Mehrheit kriegt."

Im Schweizer “Konkordanzsystem” sind die vier größten Parteien im siebenköpfigen Bundesrat (Kollegialregierung) vertreten. Derzeit stellen die Sozialdemokraten (SPS), die Freisinnig-Liberalen (FDP) und die Christdemokraten (CVP) jeweils zwei, die nationalkonservative Schweizer Volkspartei (SVP) und die BDP (Bürgerlich-Demokratische Partei) jeweils einen Sitz in der Kollegialregierung. Die BDP ist eine Abspaltung der SVP.

Keine Mehrheit für “Mitte-Links-Koalition”?

Der Politologe rechnet mit Verschiebungen von allenfalls zwei oder drei Prozent, was für Schweizer Verhältnisse aber durchaus beachtlich ist. “Doch damit wird sich die nationale Politik zumindest kurzfristig nicht ändern”, betont Ladner. Eine solche Verschiebung könnte unter Umständen aber dazu führen, dass die vor allem von rechten Kreisen häufig beschworene “Mitte-Links-Koalition” im Bundesrat (Regierung) keine Mehrheit mehr hat.

Dabei gelte es aber zu differenzieren. “Die Koalitionen im Nationalrat sind alles andere als in Stein gemeißelt, weil die Parteien selbst keine homogene Blöcke sind und sich je nach Thema unterschiedliche Parteien zusammenfinden”, so Ladner.

Zurückhaltend äußert er sich auch hinsichtlich einer zunehmenden Polarisierung der Politik. “Das mag anhand der Parteipositionen im Wahlkampf zwar beobachtbar sein, doch demgegenüber steht die konkrete Politik”, also dass sich die Parteien im Schweizer Konkordanzsystem zusammensetzen und nach Lösungen suchen.

Neue Parteien müssen sich behaupten

Bei den vergangene Wahlen traten neue Parteien in der bürgerlichen Mitte auf, die auf Anhieb ihren Weg ins Parlament fanden und sich nun bestätigen müssen. Die Grünliberalen (GLP) als Abspaltung von den Grünen und eben die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) als Dissidenten der SVP.

Die GLP verbindet grüne und Wirtschaftsthemen und fand sich besser im Schweizer Parteiensystem zurecht. “Sie konnte eine Basis aktivieren, von der man wusste, dass sie existiert”. Anders die BDP. “Es dauerte lange, bis ihr Profil sichtbar wurde”, erklärt Ladner. Ihre eigentliche Geburtsstunde war Ende 2007 die Abwahl von SVP-Ikone Christoph Blocher aus der Regierung zugunsten der damaligen, als gemäßigter geltenden, SVP-Politikerin Eveline Widmer-Schlumpf. Für die GLP sieht es etwas besser aus als für die BDP.

Flüchtlingskrise bislang nicht in der Schweiz

Die Schweiz ist von der aktuellen Flüchtlingskrise bisher weitgehend verschont geblieben. Der Experte rechnet auch nicht mit einem merklichen Einfluss auf den Wahlausgang. Unter dem Strich, so Ladner, “dürfte es aber eher ein paar Stimmen mehr für die SVP geben.”

Eine der ersten Aufgaben des neu gewählten Parlaments ist die Bestätigung der Regierung (Bundesrat). Die Frage ist, ob die aller Voraussicht nach wiederum wählerstimmenstärkste Partei, die SVP, einen zweiten Sitz in der siebenköpfigen Exekutive gewinnen kann. Ins Visier dürfte vor allem Widmer-Schlumpf (BDP) geraten.

Sollte sich Widmer-Schlumpf entschließen, sich erneut der Wahl zu stellen, rechnet Ladner aber damit, dass sie sich in der Regierung halten kann, wenn die Nationalratswahlen keine allzu frappierenden Kräfteverschiebungen zugunsten der Rechten mit sich bringen sollten.

Andreas Ladner wirkt als Professor für Schweizerische Verwaltung und institutionelle Politik an der Universität Lausanne. Er gilt als präziser Analytiker des politischen Geschehens in der Schweiz.

(APA)

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