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Schweiz: Papst-Rücktritt gefordert

Den "Besuch des Hirten bei einer sperrigen Herde" nannte die "Neue Zürcher Zeitung" am Sonntag die Visite von Papst Johannes Paul II. am 5. und 6. Juni in der Schweiz.

Tatsächlich regt sich bei vielen Katholiken im Nachbarland der Widerspruchsgeist. So befürworteten drei von vier Schweizern in einer Umfrage einen Rücktritt des Papstes. Bereits Mitte Mai hatte ein ähnlich lautender offener Brief von 40 Persönlichkeiten der Schweizer römisch-katholischen Kirche für Aufregung gesorgt.

Bei der vom Institut Link vom 17. bis 22. Mai durchgeführten Umfrage waren 412 der befragten 1025 Personen aus der Deutschweiz und der Romandie Katholiken. 74,9 Prozent der befragten Katholiken wünschten einen Rücktritt des Papstes. 75,8 Prozent der Deutschschweizer, aber lediglich 69,4 Prozent der Romands verlangten den Rücktritt.

Die Umfrage zeigt weiter, dass die Positionen von Johannes Paul II. zur Sexualmoral sich stärker niedergeschlagen haben als seine politischen oder seelsorgerischen Stellungnahmen. 34,6 Prozent der Befragten fanden, dass der amtierende Papst trotz Ablehnung des Präservativs nicht als verantwortlich für die Ausbreitung von der Immunschwächekrankheit Aids anzusehen sei. 24,2 Prozent der Befragten äußerten die Meinung, dass Papst Johannes Paul II. die katholische Kirche gestärkt habe.

18,7 Prozent urteilten, dass er mit der Ökumene schlecht umgegangen sei. 10,1 Prozent bezeichneten ihn als Verteidiger der vom Liberalismus Ausgeschlossenen. 8,5 Prozent waren der Meinung, dass Johannes Paul II. den Fall des Eisernen Vorhangs ausgelöst habe.

Mitte Mai hatten bereits 40 Persönlichkeiten der Schweizer römisch-katholischen Kirche mit einem offenen Brief den Rücktritt des Papstes aus Altersgründen gefordert. Johannes Paul II. müsse die Altersgrenze von 75 Jahren respektieren, wie dies weltweit von Bischöfen gefordert würde. Der Papst hatte am 18. Mai den 84. Geburtstag gefeiert. Die Ansprüche an den Inhaber des Papstamtes seien in den letzten Jahrzehnten ins Unermessliche gestiegen, hieß es in dem Brief. „Daher scheint es uns angebracht, dass auch der Papst als Bischof von Rom sein Amt zur Verfügung stellt, wenn er die Altersgrenze von 75 Jahren erreicht hat.“ Schließlich würden die Bischöfe weltweit gebeten, ihren Rücktritt dann einzureichen.

Viele Menschen hätten außerdem seit einigen Jahren große Mühe, den Aussagen des Papstes wegen dessen nachlassender Stimme zu folgen. Bei allem Mitgefühl stellten sich darum manche die Frage, ob des Papstes Kräfte noch ausreichten, um die mit dem Amt verbundenen Pflichten zu erfüllen.

Der Eindruck, dass der Papst viele Aufgaben, die er auf Grund seiner Stellung selber erfüllen sollte, an Mitarbeiter delegieren müsse, führe zu einer kontinuierlichen Erosion seiner Autorität, hieß es in dem Brief weiter. Bischof Kurt Koch bezeichnete das Schreiben laut „Tagesanzeiger“ schlicht als „unanständig“.

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