Österreich scheint hingegen mit seiner Energiepolitik – die auch ins Ausland zielt, siehe Temelin – in der Minderheit zu sein. Galt bis vor wenigen Jahren ein neues Atomkraftwerk auf Schweizer Boden als unvorstellbar, so schwenken in der aktuellen Diskussion um die Energieversorgung die bürgerlichen Minister (Bundesräte) plötzlich stärker als bisher auf einen Ausbau der Atomenergie ein. Das Land, das aktuell 40 Prozent seiner eigenen Stromproduktion mit Kernenergie bestreitet, könnte demnächst diesen Sektor ausbauen.
Innenminister Pascal Couchepin (FDP) erklärte gegenüber der aktuellen NZZ am Sonntag, die alten Atomkämpfer im Lager der Befürworter wie auch der Gegner würden langsam aussterben. Man müsse das Energieproblem pragmatisch und wirtschaftlich lösen: Neben Sparen und alternativen Energiequellen müsse man auch über neue Kraftwerke nachdenken.
Der linke Energieminister Moritz Leuenberger (SP) hat jüngst zum Entsetzen seiner Parteigenossen einen neuen Atommeiler ab 2030 zumindest als Option in Aussicht gestellt, um die drohende Versorgungslücke ab 2020 zu schließen. Er möchte es jedoch erst mit Gaskraftwerken als Übergangslösung versuchen. Das komme für die Bürgerlichen wegen des enormen CO2-Ausstoßes dieser Anlagen aber kaum in Frage, berichtete der Tagesanzeiger.
Couchepin sagte jüngst, eine solche Festlegung sei eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Klimapolitik der Bundesregierung. Er gehe davon aus, dass die Regierung der Elektrizitätswirtschaft ihre Unterstützung für ein neues Atomkraftwerk signalisieren wird, berichtete die NZZ am Sonntag..
Unterschiedliche Signale kommen indes aus der Schweizer Bevölkerung. Vergangenes Wochenende berichtete das Blatt über bisher nicht veröffentlichte Zahlen einer Meinungsumfrage im Auftrag von Swissnuclear, der Vereinigung der AKW-Betreiber: 50,7 Prozent der Bevölkerung würden den Ersatz alter Kernkraftwerke durch neue begrüßen. 42,7 Prozent seien dagegen.
Laut einer repräsentativen Umfrage des Sonntagsblick von diesem Sonntag gaben hingegen fast drei Viertel der Befragten an, gegen den Bau eines neuen Atomkraftwerks zu sein. Auch die Gaskraftwerke kamen wegen der hohen Klimabelastung durch den CO2-Ausstoß schlecht an. Müssten sich die Befragten entscheiden, ziehen 38 Prozent Atomkraftwerke vor, 32 Prozent aber Gaskraftwerke.
Derzeit stammen 60 Prozent Schweizer Stromversorgung aus Wasserkraft, 40 aus Atommeilern. Das sei für den CO2-Ausstoß vorbildlich, schrieb der Tagesanzeiger. Die Betriebsbewilligungen der fünf Reaktoren laufen zwischen 2012 und 2044 aus. Dann enden auch langjährige Importverträge mit Frankreich.
In der Schweiz wurden zuletzt bei Volksabstimmungen am 18. Mai 2003 die beiden Kernenergie-Ausstiegsinitiativen Strom ohne Atom und Moratorium Plus (für die Verlängerung des Atomkraftwerk-Baustopps und die Begrenzung des Atomrisikos) abgelehnt (Moratorium Plus: 41,6 % Ja, 58,4 % Nein; Strom ohne Atom: 33,7 % Ja, 66,3 % Nein).