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Schulen in Österreich öffnen wieder: So wird der Unterricht ablaufen

In geteilten Klassen wird es einen Schichtbetrieb geben.
In geteilten Klassen wird es einen Schichtbetrieb geben. ©APA (Sujet)
Sechs Wochen nach Bekanntgabe der Schließung der Schulen aufgrund der Corona-Pandemie wird der Unterricht wieder aufgenommen. Dieser wird in geteilten Klassen und im Schichtbetrieb stattfinden, Schularbeiten und Sitzenbleiben fallen weg.
Notenvergabe bei der Matura
Maturaklassen starten am 4. Mai

Alle Schüler an den Volksschulen, AHS-Unterstufen, Neuen Mittelschulen und Sonderschulen kehren am 18. Mai in ihre Klassen zurück. Das hat Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Freitag bekanntgegeben. Für alle anderen Schüler - ausgenommen Abschlussklassen - startet der Unterricht wieder nach Pfingsten am 3. Juni.

Unterricht in geteilten Klassen im "Schichtbetrieb"

Die Schule findet dabei im "Schichtbetrieb" ab. Die Klassen werden geteilt, die eine Hälfte ist von Montag bis Mittwoch an der Schule, die andere am Donnerstag und Freitag. In der Woche darauf ist es umgekehrt.

Wie bisher wird an den jeweils anderen Tagen weiter Betreuung für die Kinder angeboten - wenn möglich, sollten Eltern die Kinder an diesen "Hausübungstagen" aber daheim lassen, appellierte der Minister.

An den Schulen herrscht außerhalb des Klassenzimmers Maskenpflicht sowie weitere Hygieneauflagen wie Händewaschen oder -desinfektion nach dem Betreten des Schulgebäudes. Die Kinder sollen die Masken selbst mitbringen, für Notfälle gebe es aber Ersatzmasken, so Faßmann. Turn- und voraussichtlich auch Musikunterricht findet aus Infektionsschutzgründen keiner mehr statt.

Keine Schularbeiten und kein Sitzenbleiben an Volksschulen

Bis zum Sommer finden außerdem keine Schularbeiten mehr statt. An den Volksschulen wird aufs Sitzenbleiben (außer bei Wunsch der Eltern) verzichtet, an den anderen Schulen können Schüler mit einem Fünfer jedenfalls und mit mehreren Fünfern nach einem entsprechenden Beschluss der Klassenkonferenz aufsteigen.

Für die Benotung wird der Leistungsstand vor der Schulschließung plus die Leistungen im Distance Learning bzw. in der letzten Präsenzphase an den Schulen herangezogen. Für alle gelte, dass die Beurteilung "mit Augenmaß" erfolgen solle, so Faßmann.

Aufgrund des Schichtbetriebs wird auch nicht mehr der komplette restliche Unterrichtsstoff durchgemacht werden können. Die Lehrpläne seien flexibel genug, betonte Faßmann. "Das Lerntempo wird reduziert."

Schuljahr endet wie gewohnt Anfang Juli

Bereits bekannt war, dass die Maturanten sowie Schüler der Abschlussklassen an Berufsschulen und berufsbildenden mittleren Schulen schon am 4. Mai in die Klassen zurückkehren. Das Schuljahr endet - dem Plan vor der Pandemie entsprechend - Anfang Juli.

Laut der Bildungspsychologin Christiane Spiel (Uni Wien) dürfte die Bildungsschere in den vergangenen Wochen "ordentlich aufgegangen sein". Laut einer an ihrem Department durchgeführten Studie mit rund 8.300 Schülern zwischen zehn und 19 Jahren hätten etwa 16 Prozent angegeben, über keinen eigenen Laptop bzw. Tablet zu verfügen, 21 Prozent hatten keine Unterstützung beim Lernen. Dazu müsse man noch bedenken, dass die Befragung online durchgeführt worden sei - wer überhaupt kein Endgerät zur Verfügung habe, konnte also gar nicht teilnehmen.

Die wichtigsten Punkte zur Schul-Öffnung im Überblick

SCHULSTART: Am 4. Mai kehren rund 100.000 Maturanten bzw. Schüler in den Abschlussklassen der Berufsschulen und berufsbildenden mittleren Schulen zurück. Am 18. Mai folgen die 700.000 Schüler an den Volksschulen, AHS-Unterstufen, Neuen Mittelschulen (NMS) und Sonderschulen, am 3. Juni die restlichen 300.000 Schüler. Jeweils am Freitag davor (15.5. bzw. 29.5.) finden an den Schulen Lehrerkonferenzen statt,

SITZENBLEIBEN: An den Volksschulen wird heuer auf das Sitzenbleiben verzichtet. An allen anderen Schulen darf man mit einem Fünfer automatisch und mit mehreren Fünfern auf Beschluss der Klassenkonferenz aufsteigen.

SCHULARBEITEN: Es finden keine Schularbeiten mehr statt.

BENOTUNG: Die Benotung erfolgt aufgrund des Notenstands vor der Schulschließung sowie den Leistungen im Distance Learning und in den letzten Wochen im Präsenzunterricht. Schüler, die zwischen zwei Noten stehen oder die eine bessere Note wollen, können eine mündliche Prüfung machen.

STUNDENPLAN: Die Klassen werden in zwei Gruppen geteilt. Die eine hat von Montag bis Mittwoch Unterricht, die andere am Donnerstag und Freitag. In der Woche darauf ist es umgekehrt. Der Stundenplan bleibt grundsätzlich aufrecht, Turnen und wahrscheinlich auch Musik sowie der Nachmittagsunterricht entfallen aber. Betreuung wird am Nachmittag weiter angeboten, ebenso an jenen "Schichttagen", an denen die Schüler keinen Unterricht haben.

HYGIENE: In der Schule herrscht außerhalb des Klassenzimmers Maskenpflicht. Die Eltern müssen ihren Kindern Masken mitgeben, bei Bedarf werden sich auch von der Schule zur Verfügung gestellt. Nach dem Betreten der Schule müssen die Hände mit Flüssigseife gewaschen oder desinfiziert werden. Eltern und andere schulfremde Personen dürfen das Schulgebäude nur nach Terminvereinbarung betreten.

FERNBLEIBEN VOM UNTERRICHT: Schüler, die sich aufgrund der Corona-Pandemie psychisch nicht in der Lage sehen, in die Schule zu gehen oder kranke Menschen im eigenen Haushalt schützen möchten, gelten nach Meldung an die Schulleitung als entschuldigt. Es gelten dabei die gleichen Regeln wie im Krankheitsfall des Schülers. Bei den Lehrern ist es ähnlich: Angehörige von Risikogruppen können daheim bleiben, müssen aber für andere Aufgaben wie etwa Online-Unterricht zur Verfügung stehen. Wieviele Lehrer das betrifft, konnte man noch nicht beziffern. Lege man die Definition des Gesundheitsministeriums zugrunde, würden die restlichen Pädagogen dies aber stemmen können - etwa durch Stützlehrer oder Lehrer, deren Fächer ausfallen.

SCHULJAHR: Dieses bleibt unverändert und endet in Ostösterreich am 3. Juli, in West- und Südösterreich am 10. Juli.

SPÖ und NEOS begrüßen "späten" Stufenplan, FPÖ sieht "Murks"

Die SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner begrüßte den Etappenplan. Dieser komme zwar "spät" und war "mehr als überfällig", sei "aber grundsätzlich ein wichtiger Schritt", heißt es in einer Aussendung. Die einheitlichen Schutzmaßnahmen im Schulbereich müssten "so rasch wie möglich umgesetzt werden". Um "die Gefahr einer zweiten Welle" zu minimieren, "sind eine breite Teststrategie und einheitliche Regeln für ganz Österreich entscheidend". Der Bund sei gefordert, die Länder bei der Maskenbeschaffung zu unterstützen, so Rendi-Wagner.

"Vorsichtig positiv" fällt auch die erste Einschätzung von NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre aus: "Der Stufenplan, den wir NEOS schon lange fordern, bringt Erleichterung und Perspektive für Kinder, Eltern und Lehrkräfte." Neben den Schulen bräuchten aber die Lehre und die Erwachsenenbildung sowie nicht zuletzt die Kindergärten "konkrete Pläne und Sicherheit". Die Regierung dürfe bei der Elementarpädagogik "nicht wegschauen", so Künsberg Sarre.

Für FPÖ-Unterrichtssprecher Hermann Brückl kamen Faßmanns Ansagen "zu spät, zu planlos und vor allem ohne Weitblick" daher. So sei der Minister etwa bei der Frage, wie die Kinder und Jugendlichen an den "Hausübungstagen" betreut werden, "sehr vage" geblieben. Faßmann habe hier "zum großen Teil die Betreuungspflicht wieder auf die Eltern abgeschoben". Es handle sich bei den Ankündigungen um "lediglich praxisferne, chaosartige Regelungen". "Das ganze Gebilde ist nicht zu Ende gedacht und ist ein hanebüchener Murks Marke 'Faßmann' - nicht mehr, nicht weniger", so Brückl.

Grüne sehen Pläne als "gut durchdacht" an

Diametral anders die Grüne Bildungssprecherin, Sibylle Hamann, die den "in enger Absprache mit dem Koalitionspartner" ausgearbeiteten Plan als "gut durchdacht, klar, übersichtlich, verantwortungsvoll und behutsam" bezeichnete. Bundesschulsprecherin Jennifer Uzodike nannte die Pläne in einer Aussendung der VP-nahen Schülerunion "wichtig und vernünftig". Es gelte nun, "der Schülerschaft einen sanften Start in den Schulalltag zu gewährleisten".

Mit dem angekündigten Schichtbetrieb "haben wir die Chance, die Bildungsschere nicht weiter aufgehen zu lassen", sagte Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). Die abgeschwächten Regelungen zur Leistungsbeurteilung würden den "Druck für alle Beteiligten eher herausnehmen". Beim Blick auf die verteilten Kompetenzen im Bereich der Elementarpädagogik erlebe man laut dem IV-Chef leider "gerade die nachteiligen Seiten des Föderalismus".

Für Lehrergewerkschaft "Gruppen zu groß, Tempo zu hoch"

Die Regierung habe sich dem öffentlichen Druck gebeugt und gehe nun "ein relativ hohes Risiko ein", kritisiert der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) den am Freitag verkündeten Zeitplan für die Wiederöffnung der Schulen. "Für mich sind die Gruppen zu groß und das Tempo zu hoch", sagte er gegenüber der APA. Er hoffe, dass sich das nicht in steigenden Infektionszahlen niederschlagen wird.

"Ich bezweifle, dass eine Ausdünnung wirklich in dem Maß gelingt, wie das erhofft wird", zeigte sich Kimberger skeptisch. Er erwarte jedenfalls, dass nun bis zum Schulstart die Schulen ordentlich mit Desinfektionsmitteln, Nasen-Mund-Schutz und anderer Schutzausrüstung ausgestattet werden. Die Betreuung finde derzeit nämlich noch immer an den meisten Standorten ohne entsprechende Schutzmaßnahmen statt. "Gesundheit kann nicht an der Logistik scheitern", so Kimberger.

Für ihn sind zudem noch viele Fragen offen. Das "Hygienehandbuch" des Bildungsministeriums sei zwar der richtige Weg zu einer strikten Einhaltung von Hygienemaßnahmen und Abstandsregelungen, auch wenn diese bei jüngeren Schülern nur schwer umsetzbar seien. Er erwarte aber auch klare Vorgaben, wie etwa die Schnittstellen zwischen Unterricht und Betreuung organisiert werden sollen, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten. "Wie organisieren wir das an jenen Tagen, an denen Schüler (laut dem vorgesehenen Schichtbetrieb, Anm.) keinen Unterricht haben, aber trotzdem Betreuung benötigen. Das ist ein enormer organisatorischer Aufwand."

Unklar sei etwa, wie im Bereich der Sonderpädagogik vorgegangen werden soll, wo Hygiene- und Abstandsregeln wegen der Einschränkungen der Kinder nicht so gut einzuhalten sind. Auch der Schutz von Risikogruppen ist aus Kimbergers Sicht noch nicht sichergestellt. Das Ministerium legt zwar fest, dass Angehörige der Risikogruppe oder jene, die Menschen im eigenen Haushalt vor Ansteckung schützen möchten, nicht in die Schule kommen müssen. "Aber was tun wir mit Eltern, die Kinder aus der Risikogruppe in die Schule schicken?" Immerhin gebe es schon lange das Phänomen, dass Eltern ihre Kinder krank in die Schule schicken.

(APA/Red)

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