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Schul-Projekt "Grundkompetenzen absichern" fehlt es an Experten

Durch gezielte Fortbildung der Lehrer soll sich auch das Niveau der Schüler verbessern.
Durch gezielte Fortbildung der Lehrer soll sich auch das Niveau der Schüler verbessern. ©APA
Mit dem Regierungs-Projekt "Grundkompetenzen absichern" soll 500 Schulen geholfen werden, einen Bildungsstandart aufrecht zu erhalten. Lehrer und Lehrerinnen sollen gezielt auf die Anforderungen in ihrer Schule vorbereitet werden. Großes Manko allerdings: dafür fehlen die Experten.

Obwohl erst 261 Schulen “mit besonderen Herausforderungen” an “Grundkompetenzen absichern” teilnehmen, gibt es bereits zu wenige volle Dreierteams, schildert der Klagenfurter Bildungswissenschafter Konrad Krainer vom wissenschaftlichen Beirat des Projekts im Gespräch mit der APA. Gerade bei den Fachdidaktikexperten, die bei der Analyse der Bildungsstandard-Ergebnisse und bei konkreten Weiterentwicklungen im Fachunterricht unterstützen können, gebe es einen riesigen Aufholbedarf. Auch der Rektor der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien, Christoph Berger berichtet, dass die Teams schon jetzt nicht zusammengesetzt seien wie geplant, weil es schlicht an entsprechend ausgebildetem Personal fehle.

Schulen fehlen Fachkräfte

Dabei erwartet Krainer sogar, dass man an den Schulen auch mit dem vorgesehenen Dreierteam nicht auskommt: “Man wird nicht annehmen können, dass diese drei Leute alles abdecken können.” Die Schulen würden sicherlich auch spezifische Wünsche entwickeln, auf die man eingehen müsse. Dass das Projekt vom Bildungsministerium trotz des Expertenmangels bereits gestartet wurde, findet Krainer dennoch richtig. Immerhin würde man Jahre verlieren, wenn man erst die Ausbildung zusätzlicher Fachkräfte abwarte.

“Grundkompetenzen absichern” als gute Initiative

Das Projekt “Grundkompetenzen absichern” halten die Experten prinzipiell für eine gute Initiative. Beide warnen allerdings vor überzogenen Erwartungen: Man könne bei einer Intervention in das System Schule mit seinen eingeschliffenen Strukturen nicht innerhalb kurzer Zeit mit besseren Ergebnisse rechnen. “So funktioniert Organisationsentwicklung nicht”, sagt Berger zur APA. Krainer fordert Geduld und Vertrauen von allen Betroffenen ein.

Außerdem gebe es hemmende Faktoren, und das sei auch dem Ministerium bewusst. Motivation und aktives Engagement, sagt Berger, seien entscheidende Faktoren: “Es gibt keinen Zauberstab, der überall wirkt, weil die Schulen, die Ausgangslagen und die Lehrerpopulation so unterschiedlich sind.”

Schulen zu Projekt verpflichtet

Dass die Schulen vom Ministerium zur Teilnahme am Projekt verpflichtet werden, sei deshalb “ein kritischer Punkt”: “Es muss nicht immer alles freiwillig sein”, betont Berger, “aber die Stigmatisierung muss weg.” Man müsse den Schulen und insbesondere den Direktoren vermitteln, dass die Teilnahme eine Chance sei und keine Bestrafung, betont auch Krainer. Die Schulentwicklungsberater der Pädagogischen Hochschulen hätten in vielen Fällen eine adäquate Ausbildung und damit genügend Erfahrung.

Ziel des Projekts ist es, Schulen mit auffallend schlechten Bildungsstandard-Ergebnissen mit maßgeschneiderter Förderung zu unterstützen. Die “multiprofessionellen Teams” sollen zuerst gemeinsam mit Schulleitung oder Lehrerteams auf Ursachenforschung gehen. Dabei soll laut Bildungsministerium etwa untersucht werden, wie es um Beziehungen und Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern steht, ob die Pädagogen wissen, wie sie Schülern in schwierigen Lebens- und Lernsituationen helfen können und ob sie in der Vermittlung von Fachinhalten sattelfest sind. Untersucht werde auch, ob das Lehrerteam gut zusammenarbeitet, ob es von den Vorgesetzten entsprechend unterstützt wird und ob die Rahmenbedingungen vor Ort passen.

Lehrerfortbildungen sollen helfen

Danach sollen konkrete Inhalte festgemacht werden, an denen gemeinsam gearbeitet wird, etwa Vermittlungsprobleme, die Zusammenarbeit im Lehrerteam oder auch Gewalt an der Schule. Das kann etwa im Rahmen von schulinternen Lehrerfortbildungen passieren. Am Ende des Projekts soll ein Mehrwert für die Schulen stehen: größere Sicherheit beim Umgang mit bisher als schwierig erlebten Situationen, positive Rückmeldungen von Schülern, Eltern und Kollegen und höhere Berufszufriedenheit. Mittelfristig soll sich das auch positiv auf die Lernergebnisse auswirken.

Gestartet wurde das Projekt im Schuljahr 2017/18 unter der damaligen Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ). Ausgewählt wurden Standorte, an denen mindestens 20 Prozent der Schüler die Mindestanforderungen bei den Bildungsstandards nicht erreicht haben und die zusätzlich schlechter abgeschnitten haben, als angesichts der Voraussetzungen vor Ort zu erwarten gewesen wäre.

Schulen bleiben anonym

Welche Schulen das sind, wird nicht bekanntgegeben. Immerhin könnte das “den Schulen negativ ausgelegt oder als Sanktionsmaßnahme interpretiert werden”, heißt es in der Projektbeschreibung des Bildungsministeriums. Schulleiter und Lehrer könnten dann mit Abwehr reagieren. “Es gibt hier keinen Anlass von Schuld zu sprechen, wenn man in diese Kriterien hineinfällt. Dafür kann es eine Vielzahl von Gründen geben und diese werden wahrscheinlich bei jeder Schule andere sein”, betont Krainer. Natürlich würden Standorte mit einer schwierigen Ausgangslage (viele Schüler aus bildungsfernen Familien oder mit nicht-deutscher Muttersprache) eher in der Liste landen, weil dort eher ein großer Anteil die Bildungsstandards nicht erreicht.

Allerdings könnten etwa schon wenige schwierige Schüler in einer Klasse dafür sorgen, dass im Testjahr der Unterricht leidet. Unterdurchschnittliche Ergebnisse in Mathematik könnten laut Krainer zum Beispiel daran liegen, dass in einer kleinen Volksschule just jene vierte Klasse in Mathematik getestet wird, deren Lehrerin wenig Affinität zum Fach hat und daher im Unterricht die Schüler nicht optimal motiviert. Das Phänomen sei international bekannt. Auch Berger betont die vielfältigen Gründe, wegen denen Schulen bei den Bildungsstandards schlecht abschneiden: “Da geht es nicht nur darum, dass viele Schüler nicht gut Deutsch können. Das ist ein sehr komplexes Feld.” Die typische “Brennpunktschule”, zeigen sich beide einig, die gibt es gar nicht. Gründe, die Situation an der Schule genau zu analysieren und besser werden zu wollen, allerdings schon.

(APA/red)

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