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Schröder kommt später und Bush geht früher

Der G-8-Gipfel im französischen Evian bringt am Sonntag die Staats- und Regierungschefs von 22 Ländern oder 80 Prozent der Weltbevölkerung an einen Tisch.

Die Welt zu Gast am Genfer See: Der G-8-Gipfel im französischen Evian bringt am Sonntag die Staats- und Regierungschefs von 22 Ländern oder 80 Prozent der Weltbevölkerung an einen Tisch, bevor die sieben wichtigsten Industriestaaten und Russland zwei Tage lang wieder exklusiv über die Weltwirtschaft, den Kampf gegen den Terrorismus und Entwicklungspolitik beraten. Gut einen Monat nach dem Irak-Krieg soll das Treffen nach dem Willen von Gastgeber Jacques Chirac zeigen, „dass die Nationen sich verstehen können und wollen“.

Mit besonderem Interesse wird verfolgt, ob sich auch die in der Irak-Krise zerstrittenen Staatsmänner wieder verstehen wollen, und dabei hat Bundeskanzler Gerhard Schröder derzeit offenbar schlechte Karten. US-Präsident George W. Bush trifft sich am Rande des Gipfeltreffens am Montag zwar zu einem bilateralen Gespräch mit dem Kriegsgegner Chirac, mit dem er auch wieder telefoniert. Doch ein versöhnliches Tete-a-tete mit dem Kanzler steht nach Angaben aus Berlin nicht auf der Tagesordnung.

Und einer spontanen Verabredung am Seeufer steht ein knapper Zeitplan entgegen: Schröder trifft erst am Sonntagabend in Evian ein, weil er zunächst auf dem SPD-Sonderparteitag für seine Reformagenda kämpfen muss. Bush seinerseits reist bereits am Montagnachmittag vorzeitig ab, weil er sich um den Frieden im Nahen Osten kümmern will. Sowohl der Elysee als auch das Weiße Haus bemühten sich, die Verkürzung von Bushs Frankreich-Reise nach den Versöhnungsgesten der jüngsten Zeit herunterzuspielen.

Chirac habe volles Verständnis für die Terminschwierigkeiten, hieß es in Paris und Washington betonte, Bush werde dennoch an allen Hauptereignissen des Gipfels teilnehmen. Für Schröder könnte es wie schon beim NATO-Gipfel vor einem halben Jahr in Prag beim Händeschütteln mit Bush bleiben. Die Länge der Händedrücke in Evian, so mutmaßt der britische Botschafter in Paris, John Holmes, werde von den Beobachtern wohl „mit der Stoppuhr gestoppt“.

Inhaltlich hat Chirac mit der Einladung von zahlreichen Staats- und Regierungschefs aus Entwicklungs- und Schwellenländern einen Akzent gesetzt. Der brasilianische Präsident Luiz Inacio „Lula“ da Silva und der neue chinesische Staatschef Hu Jintao stehen für die Öffnung des einst elitären G-8-Clubs, der sich nach Chiracs Überzeugung nicht anmaßen darf, „der Vorstand der Welt“ zu sein.

Die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) steht ebenso auf der Tagesordnung wie die Erhöhung der Ausgaben für Entwicklungshilfe und der Kampf gegen weltweite Wasserknappheit. „Dialog“ und „Solidarität“ sind Chiracs Schlüsselbegriffe und seine Botschaft richtet sich auch an die Globalisierungsgegner, die in diesen Tagen zu zehntausenden am Genfer See demonstrieren. Ein Signal des Vertrauens und der Zuversicht soll der Gipfel aber auch an die Wirtschaft senden. Alle Bedingungen für einen Aufschwung seien erfüllt, unterstreicht der Gastgeber. Diese Chance dürfe nicht verpasst werden.

Trotz der jüngsten französisch-amerikanischen Entspannung fehlt es in Evian nicht an transatlantischen Streitthemen: So beharrt Chirac beim Klimaschutz auf der Umsetzung des Kyoto-Protokolls, von dem Bush nichts wissen will. Und die Europäer sorgen sich wegen des hohen US-Haushaltsdefizits und des Niedergangs des Dollars, den Washington nicht energisch stoppen will.

Am Sonntag findet der so genannte Erweiterte Dialog mit insgesamt 26 Teilnehmern statt:

G-8-Gruppe:

  • Jacques Chirac (Präsident Frankreich)
  • Wladimir Putin (Präsident Russland)
  • George W. Bush (Präsident USA)
  • Jean Chretien (Ministerpräsident Kanada)
  • Tony Blair (Premierminister Großbritannien)
  • Gerhard Schröder (Bundeskanzler Deutschland)
  • Junichiro Koizumi (Ministerpräsident Japan)
  • Silvio Berlusconi (Ministerpräsident Italien)

    Vertreter der EU:

  • Costas Simitis (Ministerpräsident Griechenland, EU-Ratsvorsitzender)
  • Romano Prodi (Präsident der Europäischen Kommission

    Gruppe „Erweiterter Dialog“:

  • Hosni Mubarak (Präsident Ägypten)
  • Abdelaziz Bouteflika (Präsident Algerien)
  • Olusegun Obasanjo (Präsident Nigeria)
  • Thabo Mbeki (Präsident Südafrika)
  • Abdoulaye Wade (Präsident Senegal)
  • Vicente Fox (Präsident Mexiko)
  • Pascal Couchepin (Bundespräsident Schweiz)
  • Luiz Inacio „Lula“ da Silva (Präsident Brasilien)
  • Hu Jintao (Präsident China)
  • Abdallah Ibn Abdul Aziz El Saud (Kronprinz Saudiarabien)
  • Mahathir Bin Mohamad (Ministerpräsident Malaysia)
  • Atal Bihari Vajpayee (Ministerpräsident Indien)

    Vertreter internationaler Organisationen:

  • Kofi Annan (UN-Generalsekretär)
  • James Wolfensohn (Weltbankpräsident)
  • Horst Köhler (Generaldirektor der Internationalen Währungsfonds
  • Supachai Panitchpakdi (Generaldirektor Welthandelsorganisation)
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