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Schröder entdeckt Afrika

Ganz selten besuchen deutsche Spitzenpolitiker Afrika. Nun ist es wieder so weit: Bundeskanzler Schröder bricht an diesem Sonntag in den Nachbar-Kontinent auf.

Es ist das erste Mal seit seinem Amtsantritt 1998. In sechs Tagen will er vier Länder besuchen: Äthiopien, Kenia, Südafrika und Ghana. Schröder wird dabei 21.000 Kilometer zurücklegen, Afrika ist riesig. 800 Millionen Menschen leben dort. Bis 2025 werden es doppelt so viele sein.

Auch Schröders Amtsvorgänger kamen nicht häufiger nach Afrika, das auf den ersten Blick heute noch an Bedeutung verloren hat. Einst war der Kontinent zumindest Schauplatz des Ost-West-Konfliktes, in dem beide Seiten ihre Stellvertreterkriege ausfochten. Das ist vorbei. „Die wachsenden Probleme Afrikas treffen auf eine sinkende Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft, personelle und finanzielle Mittel für die Lösung dieser Probleme bereitzustellen”, bilanziert der Afrika-Experte der renommierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Stefan Mair. Gering seien die strategische Bedeutung und „die wirtschaftlichen Interessen, die es nach Ansicht der Geber-Gemeinschaft zu wahren gilt”.

Mit seiner Reiseroute macht Schröder klar, warum ihm Afrika nun doch wichtig ist. In Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba will er der African Union (AU) Mut zusprechen, der im Juni 2002 gegründeten Nachfolgeorganisation der Organisation Afrikanischer Einheit (OAU). Mit Gründung der AU nahm Afrika – zumindest offiziell – Abschied vom Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Es bekannte sich stattdessen zum Prinzip des „Peer Review”, also der Kontrolle demokratischer Prinzipien jedes einzelnen durch die Amtskollegen. 15 Staaten haben sich dazu auch bereit erklärt.

Kurz zuvor hatten Afrikas Politiker die „Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung” (Nepad) gegründet – einen wirtschaftlichen Zusammenschluss, in dem sie sich ebenfalls demokratischen Grundsätzen der Staatsführung verpflichten. Diesen neuen Schwung will Deutschland unterstützen. Schließlich sind inzwischen Zweifel entstanden, ob die Afrikaner mit der Demokratisierung wirklich Ernst machen wollen.

Bei Schröders Reise geht es aber auch um Krisen. In Äthiopien dürfte der Kanzler Premierminister Meles Zenawi erneut nahe legen, sich internationalem Druck zu beugen und den UNO-Schiedsspruch einer Vermittlergruppe im Konflikt mit Eritrea zu akzeptieren, wonach die Kleinstadt Badme zu Eritrea und nicht zu Äthiopien gehört.

Krisengespräche stehen auch in Kenia an. Es hat die Friedensverhandlungen für den 20 Jahre währenden Krieg im Sudan schon fast zum Erfolg geführt. Nachdem Kenia unter dem früheren Präsidenten Daniel arap Moi zum geächteten Außenseiter verkommen war, wurde es unter dem heutigen Amtsinhaber Mwai Kibaki wieder zum geschätzten Pol der Stabilität in Ostafrika.

Und Schröder kann sich in Nairobi aus erster Hand über die Verhandlungen informieren. Denn im deutschen Außenministerium denkt man auch über den Einsatz deutscher Soldaten „in kleinem Rahmen” als Beobachter im Sudan nach.

Nach Ansicht deutscher Diplomaten besucht der Kanzler Afrika auch, weil ihm die eigene innenpolitische Dimension der Krisen klar ist, die in einigen Staaten herrschen, von Somalia über Kongo bis Sierra Leone und Liberia. Diese Krisen lösen Flüchtlingsbewegungen aus und schaffen Terrorgefahren.

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