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Schriftliches Urteil im Grasser-Prozess liegt vor

Grasser wird schon bald wieder auf der Anklagebank sitzen.
Grasser wird schon bald wieder auf der Anklagebank sitzen. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Am 4. Dezember 2020 wurden Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und weitere Angeklagte in erster Instanz nicht rechtskräftig zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Nun liegt das schriftliche Urteil vor, es wurde Freitagfrüh zugestellt.

Auf knapp 1.300 Seiten begründet Richterin Marion Hohenecker ihr Urteil. "Aus seinen Tathandlungen erhellt, dass der Angeklagte Mag. Karl-Heinz Grasser gegenüber rechtlich geschützten Werten eine besonders gleichgültige Einstellung hegt", schreibt Hohenecker.

Der Ex-Minister sei schuldig seine Befugnisse über fremdes Vermögen wissentlich missbraucht zu haben, er habe dadurch der Republik Österreich einen Vermögensschaden in der Causa Buwog von insgesamt 9,6 Mio. Euro und in der Anklage Terminal Tower Linz von 200.000 Euro verursacht. Grasser habe das Verbrechen der Untreue, das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels und das Verbrechen der Geschenkannahme durch Beamte begangen.

Richterin begründet Grasser-Urteil auf knapp 1.300 Seiten

Grassers ebenfalls verurteilter Trauzeuge Meischberger, ein ehemaliger FPÖ-Spitzenpolitiker und Berufsschullehrer, habe sich um die "Errichtung eines der Verschleierung dienenden Vertragswerkes zur diskreten Abwicklung der Provisionszahlungen bemüht". Er habe dem ehemaligen Minister auch "psychischen Rückhalt" geboten.

Zum Tatplan der nicht rechtskräftig Verurteilten heißt es in dem heute veröffentlichten Schriftstück: "Im Jahr 2000 kamen Mag. Karl-Heinz Grasser, Ing. Walter Meischberger, Dr. Peter Hochegger und KR Ernst Karl Plech überein, aus dem Umstand, der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Österreichs, aber insbesondere aus der Ministertätigkeit von Mag. Karl-Heinz Grasser, privaten Profit zu schlagen."

Als erschwerend für die Strafzumessung habe sich bei Grasser unter anderem das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen, der lange Tatzeitraum und die sorgfältige Planung der Taten ausgewirkt. Als mildernd wird der bisherige ordentlichen Lebenswandel, und das lange Zurückliegen der Taten und das seitherige Wohlverhalten angeführt.

Weiters heißt es in dem der APA vorliegenden Urteil: "Ebenso zu berücksichtigen war, dass es zur Stärkung des Vertrauens in demokratische Institutionen erforderlich ist, potentiellen Straftätern im Bereich der Korruptionsdelikte deutlich vor Augen zu führen, dass diesbezügliche Verfehlungen auch höchster Organwalter entsprechende Sanktionen nach sich ziehen; denn nur so kann die Normtreue sichergestellt werden."

Urteil zur Buwog-Causa bei acht Angeklagten nicht rechtskräftig

Grasser-Anwalt Manfred Ainedter kündigte heute, Freitagvormittag, an, eine Fristverlängerung zu beantragen. Er kritisierte das "seltsame Versteckspiel mit der Zustellung", das "passt zum Verfahren". Das heute schriftlich zugestellte Urteil ist, wie üblich und dem Rechtsrahmen entsprechend, nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.

Aufgrund der angemeldeten Rechtsmittel von acht Angeklagten ist das Urteil nicht rechtskräftig, hieß es am Freitag seitens des Landesgerichts für Strafsachen Wien in einer Aussendung. Zur Entscheidung darüber ist nun der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien zuständig.

Richterin sieht kein überlanges Verfahren

Die Richterin nahm in ihrem Urteil auch zur Dauer des Verfahrens Stellung. Es habe sich nicht um ein im juristischen Sinn unverhältnismäßig langes Verfahren, das zu einer Strafmilderung führen würde, gehandelt, argumentierte sie. Denn eine überlange Verfahrensdauer liege nur vor, wenn man den Behörden eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung vorwerfen könne. Zu Berücksichtigen sei, dass Ermittlungen gegen mehr als 40 Beschuldigte geführt wurden. Im Ermittlungsverfahren seien über 150 Zeugen einvernommen worden, 110 Ermittlungsanordnungen wie Hausdurchsuchungen, Kontoöffnungen und Telefonüberwachungen durchgeführt worden, darunter auch im Ausland. "Überdies wurde eine Vielzahl an Beschwerden und Einsprüchen von der Verteidigung eingebracht", heißt es im Urteil. "Insgesamt konnten längere Phasen unbegründbarer behördlicher oder gerichtlicher Inaktivität bei präziser Betrachtung nicht festgestellt werden." Dennoch sei bei allen Angeklagten die lange Verfahrensdauer als mildernd veranschlagt worden.

Prozessstart war im Dezember 2017, schon bald wieder neues Verfahren

Der Hauptangeklagte Grasser wurde in erster Instanz zu acht Jahren Haft verurteilt, der Ex-FPÖ-Spitzenpolitiker Walter Meischberger erhielt sieben Jahre Gefängnis, beide nicht rechtskräftig. Der Prozess, bei dem beide bis zuletzt ihre Unschuld betonten, begann am 12. Dezember 2017 im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Angeklagt war Korruption in der Causa Bundeswohnungs-Privatisierung und in der Causa Linzer Terminal Tower. Dazu kamen im Laufe des Verfahrens weitere kleinere Anklagen.

Die Richterin gestand auch dem Angeklagten Hochegger, der als Einziger teilweise geständig war, nicht den Milderungsgrund eines reumütigen Geständnisses zu. Denn seine Verantwortung sei "weder als Beitrag zur Wahrheitsfindung noch als umfassendes reumütiges Geständnis gewertet" worden. "Bereits mit Anklageerhebung konnte von einer erdrückenden Beweislage ausgegangen werden; die von ihm sukzessive vorgebrachte 'quasigeständige' Verantwortung war kein Beitrag zur Wahrheitsfindung", heißt es in dem Urteil. "Der Senat stützte seine Feststellungen auf die bereits erwähnten unbedenklichen Urkunden und zitierten Zeugenaussagen; nicht jedoch auf taktische Einlassungen des Angeklagten Peter Hochegger, die der jeweiligen Beweislage angepasst waren. Den wenigen übereinstimmenden Angaben aller Angeklagten ist der Senat gefolgt." Hochegger wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Unabhängig von diesem Verfahren wird Grasser schon bald wieder im Wiener Straflandesgericht auf der Anklagebank sitzen. Dabei geht es um den Vorwurf der Steuerhinterziehung. Auch hier bestreitet der ehemalige Star der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sämtliche Vorwürfe. Dieses Steuerverfahren führt allerdings nicht Hohenecker, sie ist von der Abteilung für Wirtschaftsstrafsachen in eine allgemeine Abteilung gewechselt.

(APA/Red)

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