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Schrettles "King Kong" im Burg-Kasino

©© burgtheater.at
"Wenn sie mich fragen, hatte dieser Autor nie vor, ein Drehbuch zu schreiben", lässt Johannes Schrettle eine der Figuren in seinem jüngsten Stück "Ich habe King Kong zum Weinen gebracht" sagen.

Vielleicht hat er es versucht, aber irgendetwas hat ihn von der Arbeit abgehalten”. Im Burgtheater-Kasino war diese Erkenntnis gestern, Sonntag, bei der Uraufführung des Stücks nicht nur das Leitmotiv der Handlung, sondern auch ein ironischer Hinweis auf die Arbeitsweise des Autors, dessen Texte meistens erst während der Arbeit mit den Schauspielern fertiggestellt werden. Regisseur Robert Lehniger hat Schrettles eigenwillige Stückvorlage mit dem dafür notwendigen Überblick inszeniert und machte die Tiefe des Textes vielschichtig sichtbar.

Mit Hilfe des bekannten, zum Kult avancierten Filmstoffs “King Kong” analysiert der 27-jährige Grazer Autor pointiert die Methoden der Filmindustrie, stellt die Frage des “Lebens als Film” und entblößt die Unmöglichkeit der “Vorstellung der letzten Vorstellung”. Fay Wray (Stefanie Dvorak), unvergessene Hauptdarstellerin des 1933 uraufgeführten Films, findet sich 30 Jahre nach dem Welterfolg allein mit einer Kamera in der Wildnis wieder, wo sie ihr filmisches Vermächtnis dreht. Nur, es fehlt irgendwie am Stoff. Die vermeintliche Rettung kommt unerwartet, ganz filmisch, mit einem harten Schnitt. Auf der Leinwand hinter ihr erscheint eine Damenrunde, deren Gespräche aus dem Foyer in den Saal des Kasinos übertragen werden.

“Mir ist übel. Ich glaub, ich habe irgendetwas falsches gefilmt”, sagt eine Frau (Alexandra Henkel), bevor sie auf die Bühne stürmt. Sie ist alles in einem: Schauspielerin, Autorin, Regisseurin – und nicht zuletzt die Produktionsfirma, die das Projekt eigentlich nicht finanzieren will. Also läuft sie vor sich selbst davon. Was nun folgt, ist der verzweifelte Versuch, einen Film zu drehen, wobei Regisseur Lehniger die von Schrettle nicht klar definierten Figuren auf fünf Schauspielerinnen aufteilt, die abwechselnd Fay Wray und die Personalunion Autor, Regisseur und Produktionsfirma spielen.

Nicht selten waren Regisseure und Schauspieler sichtlich von Schrettles nur scheinbar unstrukturierten Textflächen überfordert und erhoben das absolute Chaos zur Stilfigur. Auch “Ich habe King Kong zum Weinen gebracht” läuft nicht weniger aus dem Ruder als Vorgänger wie die Wiener Festwochen-Produktion “Lisa auf Zeitausgleich” oder die Schauspielhaus-Produktion “wie ein leben zieht mein koffer an mir vorüber”. Doch Lehnigers Konzept – er hat im Kasino bereits Schrettles Text “boat people – Das Label ist schön” inszeniert – vermittelt durchgehend Ernsthaftigkeit und wahrt den Blick von außen, sodass das Chaos während der 90-minütigen Vorstellung nie zu eskalieren droht und im Rahmen der Fiktion bleibt.

Mit Hilfe zweier Handkameras etabliert Lehniger das Stück im Stück: Die fragmentarischen Filmaufnahmen, die im Rahmen der Dreharbeiten zu diesem letzten Film der Fay Wray stattfinden und intensiv an “King Kong” erinnern, heben sich so von den “Backstage”-Szenen ab. In diesen verschwindet der Drehbuchautor spurlos, nachdem er eingesehen hat, dass sein Lieblingscharakter, mit dem er sich mittlerweile sogar eine Wohnung gekauft hat, die Handlung einfach nicht vorantreiben kann. Aber auch die Arbeiterklasse und die Anarchie – Schrettles große Themen – kommen nicht zu kurz. Schließlich galt der Affe King Kong in früheren Interpretationen als Metapher für die amerikanische Arbeiterklasse, die, einmal freigelassen, die bürgerliche Zivilisation in den Abgrund stürzen würde, wie es im Programmheft heißt.

Nicht zuletzt die hervorragenden Leistungen von Stefanie Dvorak, Alexandra Henkel, Myriam Schröder und Elisa Seydel sorgen dafür, dass sich “Ich habe King Kong zum Weinen gebracht” eindeutig von jener Unfertigkeit eines “work in progress” abhebt, der den Vorgängern bisher zum Verhängnis wurde. Entzückend entrückt gibt Sachiko Hara mit blonder Perücke den verzweifelten Filmstar. Die Möglichkeiten der filmischen Illusion hat Alain Rappaport (Bühne) mit Hilfe weniger, von mehreren Seiten bespielbaren Kulissen geschaffen, die Szenenwechsel ohne jeglichen Bühnenumbau ermöglichen. Bert Zander sorgt mit seinem ausgeklügelten Videokonzept für immer wieder überraschende Effekte. Nach eineinhalb atemlosen Stunden sorgt Sachiko Hara ganz nebenbei noch für den Lacher des Abends, wenn sie sagt: “Ich arbeite sehr gerne mit lebenden Autoren”. Freundlicher Applaus für Ensemble, Autor und Regie beschlossen den bunten Abend.

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