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Schröder plädiert für Türkei-Beitritt

Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in Wien, anlässlich der Präsentation seiner Memoiren, erneut für einen Beitritt der Türkei zur EU plädiert

„Ich bin nach wie vor dafür“, sagte er bei einem Pressegespräch anlässlich der Präsentation seiner Memoiren am Montag in Wien. Im Streit um Zypern müsse nicht nur die Türkei ihre Verpflichtungen erfüllen, sondern auch die EU, indem sie die Isolation Nordzyperns beende. „Es ist auch ein Gebot der Fairness, dass diese Isolation aufgehoben wird“.

Er könne nicht verstehen, „wie man in Deutschland und Frankreich dabei ist, innenpolitische Probleme auf den europäischen Tisch zu legen und die Türkei dazu zu missbrauchen, innerparteiliche Streitigkeiten beizulegen“, sagte Schröder weiter. Aktueller Streitpunkt im Verhältnis zwischen Ankara und der EU ist die Frage der vollständigen Anerkennung Zyperns durch die Türkei. Nach dem Angebot des Beitrittskandidaten, einen Hafen und möglicherweise einen Flughafen für Transporte aus Zypern zu öffnen, beraten die EU-Außenminister am heutigen Montag in Brüssel über die von der EU-Kommission vorgeschlagene Teil-Aussetzung der Beitrittsverhandlungen mit Ankara.

Schröder, der ein enges Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin pflegt und inzwischen Aufsichtsratschef eines deutsch-russischen Betreiberkonsortiums für die geplante Ostsee-Pipeline ist, wehrte sich gegen die Einschätzung, Russland drifte in Richtung Polizeistaat ab. Die kursierende Beurteilung Russlands habe „mit Fakten wenig, aber viel mit Ideologie zu tun“. Nach dem Ende der Sowjetunion habe es einen „Zerfall der Staaten“ gegeben. „Putins historische Leistung ist es, den Staat als Voraussetzung für Demokratie überhaupt wiederhergestellt zu haben“, sagte Schröder.

Er sehe keinen Grund, seine frühere Charakterisierung Putins als „lupenreiner Demokrat“ zurückzunehmen, sagte der 62-Jährige. Russland befinde sich in einem Prozess der Demokratisierung und die jetzige russische Regierung wolle diese Demokratisierung auch. Zum Fall des vergifteten russischen Ex-Agenten Alexander Litwinenko wollte Schröder, obwohl mehrfach darauf angesprochen, keine Stellung beziehen. Er wundere sich aber über „die Bereitschaft, Urteile zu fällen ohne Fakten zu kennen“.

Österreichs Ex-Kanzler Franz Vranitzky, der am Montagabend zusammen mit Schröder an der Buchpräsentation in Wien teilnehmen wird, bewertete die entsprechenden Passagen in Schröders Buch „Entscheidungen. Mein Leben in der Politik“ als „Plädoyer an uns alle, Russland als ein europäisches Partnerland zu begreifen, sich der unendlichen Ressourcen Russlands bewusst zu werden und die politischen Dispositionen danach auszurichten“.

Schröder begründete die rasche Veröffentlichung des Buches ein Jahr nach dem Ende seiner Regierungszeit als einen „Versuch, das Interpretationsmonopol der Journalisten zu brechen“. Als „kennzeichnend“ für seine Amtszeit will er vor allem zwei Entscheidungen verstanden wissen: In der Außenpolitik die „Annahme der Souveränität Deutschlands“ und damit die Teilnahme deutscher Soldaten an Kriegseinsätzen, im Kosovo und in Afghanistan; in der Innenpolitik die Reformagenda.

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