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Schlechtester Präsident der Geschichte?

Schon 2005 war für US-Präsident George W. Bush ein rabenschwarzes Jahr - 2006 aber wurde noch schlimmer. Selbst viele neokonservative Freunde haben sich bereits abgewandt.

Im Vorjahr entlarvten sich die kühnen Visionen von blühendem Demokratien in Nahost und eine neue Weltordnung als kaum realistisch, beschädigten Skandale und der dilettantische Umgang mit Hurrikan Katrina Bushs Ansehen.

2006 aber entpuppte sich der Krieg im Irak endgültig als Desaster, verlor die Supermacht international noch mehr an Reputation, erschütterten erneut Skandale die Republikaner, die dann auch ihre Mehrheiten im Kongress verloren. Bush muss fürchten, als „schlechtester Präsident in der US-Geschichte“ einzugehen. Und selbst viele neokonservative Freunde haben sich abgewandt. Bush ist zur Weihnachtszeit ziemlich allein im Weißen Haus.

ANSEHEN: Nur noch zwischen 31 und 42 Prozent der US-Bürger haben laut verschiedener Umfragen Vertrauen zu Bush. Das ist seit Zeiten des Vietnamkriegs der niedrigste Wert für einen US-Präsidenten. Bush anfangs wohlgesonnene Autoren wie Bob Woodward stellten ihn nun als halsstarrigen Ignoranten dar. Der Historiker Prof. Sean Wilentz (Princeton) stieß eine lebhafte Debatte darüber an, ob Bush wohl der schlechteste aller bisher 43 US-Präsidenten wird. Und offen stellte der republikanische Ex-Abgeordnete John Scarborough in seiner Talkshow im Sender NBC die Frage: „Ist Bush ein Idiot?“.

WEGGEFÄHRTEN: Der Architekt des Irak-Kriegs im Pentagon, Donald Rumsfeld, musste seinen Hut nehmen. Das blutige Chaos im Irak fast vier Jahre nach Kriegsbeginn lässt kaum Zweifel am Scheitern der US-Militär-Strategie. Auch der bärbeißige UN-Botschafter John Bolton warf das Handtuch. Bush-Sprecher Scott McClellen wurde ebenso ausgetauscht wie weite Teile des Stabes des Weißen Hauses. Neokonservative Wortführer wie Richard Perle oder William Kristol beschuldigten Bush offen des Missmanagements.

IRAK: Die Ratlosigkeit in Washington über das Blutvergießen im Irak und die wachsenden ethnisch-religiösen Spannungen verbirgt nicht mal Bush selbst. Zum Jahresende hat er gleich mehrere Gremien beauftragt, neue Konzepte zu suchen, damit nicht „die ganze Region ins Chaos stürzt“, wie die so genannte Baker-Kommission schrieb. Diese düstere Einschätzung bestreitet in Washington niemand mehr.

IRAN: Die USA haben Teheran weder von der Fortsetzung der nuklearen Anstrengungen abhalten können noch sind dort die schrillen anti-israelischen Töne leiser geworden. Bush setzt auf den UN-Sicherheitsrat und diplomatische Lösungen. Zweifelhaft aber ist, ob Bush überhaupt in der Lage wäre, bei einem Scheitern die angedrohte militärische Karte zu ziehen. Irak und Afghanistan binden die Amerikaner enorm, zudem wäre die US-Öffentlichkeit kaum von einem neuen Waffengang zu überzeugen. In Washington macht sich ein Gefühl der Machtlosigkeit der Supermacht breit.

AUSSENPOLITIK: Nordkorea testete trotz aller US-Warnungen eine Atombombe – deutlicher hätte Pjöngjang die Ohnmacht des „Papiertigers“ USA nicht zeigen können. Im Gazastreifen kam die radikale Hamas an die Macht, im Libanon tobte nach dem Einmarsch Israels wochenlang ein Krieg, das Land fürchtet einen Bürgerkrieg. Auf Washingtons Einfluss zählen nur wenige. Auf den politischen Gipfeln der G8, der NATO und der pazifischen APEC zeigte sich Bush versöhnlich – aber kaum eines seiner hochgesteckten Ziele konnte er international durchsetzen. Venezuelas Präsident Hugo Chavez machte sich vor den UN lustig über den „Schwefelgeruch“ des „Teufels“ Bush.

SKANDALE: Mehrere Republikaner – wie der Führer im Repräsentantenhaus, Tom Delay, – mussten wegen Korruption oder Amtsmissbrauchs zurücktreten. Besonders bitter für die Konservativen war die Affäre um den Abgeordneten Mark Foley, der mit obszönen E-Mails junge Praktikanten im Kongress bedrängt hatte.

KONGRESS:Die Republikaner verloren ihre Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus, die sie seit 1994 mit wenigen Unterbrechungen besaßen. Bush droht angesichts des Parlamentsmacht in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit früh zur berühmten „lahmen Ente“ zu werden.

REFORMPROJEKTE: Bush spricht kaum noch von der einst groß angekündigten Sozialversicherungsreform. Die Einwanderungsprobleme sind ebenso wenig gelöst wie die Kostenexplosion in der Gesundheitsversorgung. Nur die Steuererleichterungen, die insbesondere den reichsten Amerikanern viel Geld bescherten, funktioniert – um den Preis enormer Haushaltsdefizite.

WIRTSCHAFT: Bleibt der Lichtblick für Bush: Die US-Wirtschaft hat zwar an Schwung verloren, boomt aber noch immer. Die Arbeitslosenrate liegt bei rund fünf Prozent, die Wachstumsrate von gut zwei Prozent kann sich noch immer international sehen lassen. Und der schwächelnde Dollar hat für die hochverschuldeten USA auch Vorteile – die Auslandsschulden schmelzen, die Ausfuhren steigen.

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