AA

Schlechtes Zeugnis für heimische Politik

Demnach meinen 56 Prozent der Österreicher, dass die Politik zu häufig gegen die Wünsche der Bürger gemacht wird. Drei von vier Befragten gaben sogar an, die Politik könne viele drängende Probleme nicht lösen. Letztendlich stimmten nur 34 Prozent der Aussage "Alles in allem funktioniert das politische System ziemlich gut" zu.

Die Bürger in Österreich stehen mit dieser Skepsis nicht alleine. Auch in Deutschland ist der Unmut über die Regierenden groß. 73 Prozent der Befragten gaben an, dass der Einfluss der Bürger auf die Politik zu gering sei. 65 Prozent glauben zudem, die Politik könne drängende Probleme nicht lösen. 60 Prozent meinen, Politik werde zu häufig gegen die Wünsche der Menschen gemacht. Und nur 29 Prozent loben das politische System. Für Professor Stefan Liebig, Soziologe an der Universität Bielefeld, belegen die Werte in beiden Ländern einen grundsätzlichen Trend. Zwar sei das politische System nicht grundsätzlich in Gefahr, “deutlich wird allerdings, dass die Menschen stärker an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden möchten”.

In Österreich lässt sich dieser Wille auch in Zahlen belegen. 55 Prozent der Bürger sagten: “Wer sich politisch engagiert, kann etwas bewegen.” Für die Schweiz gilt das ohnehin seit Jahren, und entsprechend fallen auch die Umfrageergebnisse aus. Dort sind 67 Prozent der Bürger mit ihrem politischen System zufrieden. Aus Sicht des Experten Liebig überrascht das nicht. “Die Bevölkerung ist viel stärker in einzelne Fragestellungen eingebunden. Bei langfristigen Vorhaben versucht man in der Schweiz eine möglichst breite Zustimmung in der Bevölkerung zu erhalten.” In einem Punkt sind sich die Bürger der drei Länder fast einig: Politik richtet sich demnach weniger am Gemeinwohl als an den Interessen einzelner gesellschaftlicher Gruppen aus.

An anderer Stelle klaffen hingegen wieder große Lücken zwischen den drei Nachbarn, wie die Umfrage für Reader’s Digest ergab. Während 56 Prozent der Österreicher und 78 Prozent der Schweizer glauben, dass es in ihrem Heimatland gerecht zugeht, behaupten 54 Prozent der Deutschen für ihr Heimatland genau das Gegenteil.

Grundsätzlich scheinen die Österreicher zufrieden zu sein. 83 Prozent gaben an, sie seien mit dem Gesundheitssystem persönlich zufrieden (zum Vergleich: In Deutschland sind es 42 Prozent, in der Schweiz sind es 73 Prozent). Im Bildungsbereich liegt die Zustimmung in Österreich bei 54 Prozent (Deutschland: 40 Prozent, Schweiz: 84 Prozent), für die Renten- und Altersversorgungssysteme liegt der Positivwert in Österreich sogar bei 58 Prozent (Deutschland: 32 Prozent, Schweiz: 73 Prozent).

Interessant sind auch die Umfrageergebnisse zu künftigen Entwicklungen. So haben 20 Prozent der Österreicher “große Angst” vor einer Überfremdung. In Deutschland (23 Prozent) und in der Schweiz (24 Prozent) ist diese Sorge noch größer. Auch die Angst vor dem sozialen Abstieg ist in Österreich mit 14 Prozent nicht so stark ausgeprägt wie in Deutschland (25 Prozent). In der Schweiz liegt sie nur bei zehn Prozent. Und noch ein Wert ist interessant: Während in Österreich nur 18 Prozent “große Angst” vor der Armut im Alter haben, sind es in Deutschland immerhin 33 Prozent und in der Schweiz 22 Prozent.

Trotz aller Unterschiede sind sich die Bürger der drei Länder an einem Punkt einig: Die persönliche wirtschaftliche Situation wird allgemein als zufrieden bezeichnet – in Österreich zu 77 Prozent, in Deutschland zu 73 Prozent, in der Schweiz sogar zu 87 Prozent.

Zur Methode der Umfrage:

Österreich: Zwischen 18. Oktober und 2. November 2010 befragte das Meinungsforschungsinstitut Emnid im Auftrag von Reader’s Digest landesweit repräsentativ 500 Menschen.

Deutschland: Am 1. und 2. November 2010 befragte das Meinungsforschungsinstitut Emnid im Auftrag von Reader’s Digest bundesweit repräsentativ 1006 Menschen.

Schweiz: Am 26. Oktober 2010 befragte das Marktforschungsunternehmen DemoSCOPE im Auftrag von Reader’s Digest landesweit repräsentativ 1008 Personen.

  • VIENNA.AT
  • Politik
  • Schlechtes Zeugnis für heimische Politik
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen