AA

Schlag gegen chinesische Schleppermafia

Die Organisation hat vermutlich 1.800 Personen nach Österreich geschleust - Fünf Verhaftungen im Rahmen der Operation „Sentina“ - Schlepper machten stolze 25 Millionen Euro Umsatz.

In Wien wurde Dienstag früh ein Schlag gegen die chinesische Schleppermafia geführt, bei dem fünf von sechs Verdächtigen, gegen die Haftbefehle bestanden, festgenommen wurden. Die Bande soll nach Angaben des Bundeskriminalamts (BK) seit dem vergangenen Jahr vermutlich bis zu 1.800 Menschen aus China nach Österreich geschleust haben. Die Geschleppten, die als vermeintliche Studenten kamen, zahlten pro Person 15.000 bis 18.000 Euro. Unter den Verhafteten befindet sich der aus China stammende mutmaßliche Kopf der Bande, der laut BK enge Kontakte zu Personen des öffentlichen Lebens und Politikern unterhielt.

Bei den im Rahmen der Operation „Sentina“ ebenfalls Festgenommenen handelt es sich laut Major Gerald Tatzgern, dem Leiter des Schlepperreferats im BK, um die Ex-Frau und die Tochter des mutmaßlichen Drahtziehers sowie zwei ebenfalls aus China stammende Männer. Sie waren in der Firma des 51-Jährigen angestellt.

Gute Kontakte in Österreich und China
Der Firmenchef, österreichischer Staatsbürger, zeichnet sich nach Tatzgerns Angaben durch beste Kontakte zu Behörden in China und Verbindungen in Österreich aus und fungierte als Kontaktmann für heimische Firmen, die Geschäftskontakte nach China suchten. Die österreichische Geschäftsleute hätten nichts von den illegalen Machenschaften des Verdächtigen gewusst, wurde im BK betont.

Die Geschleppten erhielten als vermeintliche Studenten die Genehmigung, in Österreich zu leben. Die nötigen Unterlagen waren laut Major Gerald Tatzgern zumindest teilweise gefälscht. Aus einer weiteren Voraussetzung, in Österreich studieren zu dürfen, zog die Bande ihren Profit: Verlangt wird von Studenten nämlich, dass sie die nötigen finanziellen Voraussetzungen mitbringen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Diese Beträge knöpften die Schlepper ihren Opfern ab.

“Moderne Form der Schlepperei”

Nach bisherigen Erkenntnissen dürfte die Bande auf diese Weise mehr als 25 Millionen Euro umgesetzt haben. Tatzgern: „Es handelt sich dabei um eine moderne Form der Schlepperei – nicht um die althergebrachte, bei der die Menschen in Lkw versteckt über die Grenzen geschmuggelt werden.“

Bei insgesamt 14 Hausdurchsuchungen im mehreren Bezirken Wiens – in Wohnungen, in der Firma des Hauptverdächtigen in Meidling und in zwei Studentenheimen – sowie in Schließfächern wurden laut Tatzgern bis zum Nachmittag rund 400.000 US-Dollar und 60.000 Euro Bargeld, mehr als 100 Sparbücher mit mehreren hunderttausend Euro Einlagen sowie Dokumenten und Mobiltelefone beschlagnahmt. Dem Zugriff waren monatelange Ermittlungen vorangegangen, in deren Rahmen unter anderem mehr als 5.000 Telefongespräche aufgezeichnet wurden. Ein Teil des illegal lukrierten Geldes dürfte der Hauptverdächtige in legale Geschäfte investiert haben.

Auch Wiener Fremdenpolizei verwickelt
Unklar ist bis jetzt, womit die um ihr Geld gebrachten „Studenten“ ihren Lebensunterhalt bestritten. Dies soll nun durch Befragungen geklärt werden. Ebenfalls Gegenstand weiterer Recherchen sind allfällige illegale Machenschaften vor dem Jahr 2003. Laut BK könnte ein Zusammenhang mit einem Juristen der Wiener Fremdenpolizei bestehen, der im Jänner dieses Jahres unter dem Verdacht, mit Schleppern gemeinsame Sache gemacht zu haben, verhaftet worden war. Dieser Polizeijurist befand sich einige Wochen in U-Haft. Über eine Anklageerhebung wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft Wien noch nicht entschieden. Vorerhebungen und Voruntersuchungen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Bestechung laufen.

Laut Tatzgern war schon vor Jahren der Verdacht aufgetaucht, dass offiziell als Studenten in Wien lebende Chinesen nach Österreich geschleppt worden waren. Mehrere Ermittlungsversuche seien aber immer im Sand verlaufen, sagte der BK-Beamte. Möglicherweise spiele hier der Jurist eine Rolle, zumal die Ermittlungen nach dessen Verhaftung zügig voranschritten. Ermittlungen gibt es auch in Oberösterreich, da der Verdacht besteht, dass auch dort Geschleppte als Studenten angemeldet wurden.

Interesse aus Deutschland und Frankreich
Die Operation „Sentina“ (lateinisch für „Kielwasser“) wurde allein in Österreich durchgeführt. Mittlerweile seien aber schon Anfragen von Behörden aus Deutschland und Frankreich eingetroffen, sagte Tatzgern. In diesen Ländern – vor allem in Deutschland – gebe es ebenfalls Verdachtsmomente, dass Schlepperbanden mit dem Studententrick arbeiten.

Redaktion: Claus Kramsl

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Schlag gegen chinesische Schleppermafia
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen