Das Problem der Schifffahrts-Piraterie ist kein somalisches. Das zeigt ein Blick auf die Reports des International Maritime Bureaus (IMB) der Internationalen Handelskammer (ICC). “Das ist ein weltweites Phänomen, bei dem es einige Hotspots gibt. Die See vor Somalia ist einer davon”, bestätigte Maximilian Burger-Scheidlin, Geschäftsführer der ICC Austria am Mittwoch im APA-Gespräch.
Ein weiterer geografischer Schwerpunkt der Seeräuberei ist nach wie vor die Straße von Malakka zwischen Malaysia und Indonesien. Die zahlreichen Inseln bieten Piraten ideale Schlupfwinkel, der Hafen von Singapur sorgt für entsprechend dichtes Schiffsaufkommen. Dennoch ist das Problem dort “eine Spur unter Kontrolle gebracht”, sagte Burger-Scheidlin. Einerseits verloren die Piraten durch den Tsunami Ende 2004 viele Boote, andererseits haben die ICC und die internationale Gemeinschaft für entsprechende Maßnahmen gesorgt. Intensive Patrouillen der Anrainerstaaten ließen die Attacken zurückgehen. Nicht zuletzt haben “rein wirtschaftlich gesehen, Indonesier auch andere Chancen zu überleben”.
An der westafrikanischen Küste steht vor allem das Hafengebiet um die nigerianische Millionenmetropole Lagos im Zentrum, dort werden vor allem Schiffe, die vor Anker liegen, überfallen. Auch um Haiti wurden wieder verstärkt Aktivitäten von Seeräubern beobachtet. Weitere Schwerpunkte sind die Philippinen und die Gewässer vor Dakka und Chittagong in Bangladesch sowie vereinzelt auch Indien.
Dass das Problem Piraterie in Somalia dermaßen ausartet, hat dem ICC-Vertreter zufolge viele Ursachen. Erstens sei das Land bitterarm und zweitens politisch instabil. “Nicht zufällig war das Problem Piraterie keines, solange die Islamisten in Mogadischu das Sagen hatten.” Zu einem echten Problem sei es geworden, als die äthiopische Armee mit US-Unterstützung einmarschiert sei und das Land gleichsam in drei Einflussbereiche geteilt habe.
Vor allem aus dem Bereich Puntland, der von einigen wenigen Clans beherrscht wird, kommt ein Großteil der Attacken. Dass Islamisten mitmischen, sieht Burger-Scheidlin eher nicht: “Da geht es eher um Geschäftemacherei von Clans.” Bei der Größe der Attacken müsse auch ein ganzes Dorf oder ein ganzer Clan zusammenarbeiten.
Auch das Nachrichtennetz funktioniert unter den Somalis, so der ICC-Vertreter. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage im Land seien viele Bewohner geflüchtet, die nun überall arbeiten würden. Das sei ein Netzwerk, in dem Infos weitergegeben werden, für Geld oder aus anderen Gründen. “Die Piraten sind durchaus über die Fracht auf den Schiffen im Bilde. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass es Zufall war, dass ein ukrainischer Frachter mit Panzern an Bord gekapert wurde”, meinte Burger-Scheidlin.
Halblegale und illegale Geschäfte, Schmuggel etwa, haben außerdem in der Gegend eine Jahrhunderte alte Tradition. Mittlerweile haben die Piraten aber aufgerüstet, so Burger-Scheidlin, nicht zuletzt deshalb, weil die ersten Piraterie-Attacken erfolgreich verliefen. Sie sind mit hervorragenden Speedbooten ausgestattet. “Und es ist eine Gegend, in der es erstens von Schiffen und zweitens von Fischern wimmelt”, erklärte der ICC-Vertreter.
Das erklärt auch die Taktik mit den sogenannten Mutterschiffen. Die Piraten fahren als ganz normale Fischer getarnt auf das Meer, bringen sich so in unmittelbare Nähe der Schiffe, die gekapert werden sollen. Sind sie nah genug dran, lassen sie die Speedboote zu Wasser, die innerhalb kürzester Zeit neben den Schiffen sind und es entern. “Die Attacke hat eine Dauer von einer Viertel- oder einer halben Stunde. Dann sind sie wieder unauffällige Fischer”, erläuterte Burger-Scheidlin. Zusammen mit der sehr langen somalischen Küste rund um das Horn von Afrika ist es damit sehr schwer für die mittlerweile dort patrouillierenden Marine-Einheiten, die Seeräuber zu erwischen.
Attraktiver, weil einfacher zu kapern, sind für Seeräuber aber in der Regel vor Anker liegende Schiffe: Wer nicht fährt, kann auch nicht entkommen. Mit Ruderbooten kommen sie in der Nacht und gehen an Bord, wenn die Besatzung schläft. Diese sei auch nicht mehr sehr aufmerksam bei Liegezeiten von bis zu zwei Monaten in manchen Häfen, die Piraten hätten damit leichtes Spiel, so Burger-Scheidlin.
Anti-Piraterie-Einsatz am Horn von Afrika
Piraten in Somalia